Hinweis:
Im Zusammenhang mit der WG-Neuregelung sind Vorschriften aus dem PflVG ins WG eingeflossen. Nachstehend ist diese Neuregelung, gültig ab 1. Jan. 2008, dargestellt.
Direkthaftung
– Direktanspruch des geschädigten Dritten
Der Dritte kann im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis … seinen Anspruch auf Schadenersatz auch gegen den Versicherer geltend machen. Der Versicherer hat den Schadenersatz in Geld zu leisten. Der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherungsnehmer haften als Gesamtschuldner.
Der Versicherer oder der Schadenregulierungsbeauftragte haben dem Dritten unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Monaten, ein mit Gründen versehenes Schadenersatzangebot vorzulegen, wenn die Eintrittspflicht unstreitig ist und der Schaden beziffert wurde, oder eine mit Gründen versehene Antwort auf die in dem Antrag enthaltenen Darlegungen zu erteilen, sofern die Eintrittspflicht bestritten wird oder nicht eindeutig feststeht oder der Schaden nicht vollständig beziffert worden ist. Die Frist beginnt mit dem Zugang des Antrags bei dem Versicherer oder dem Schadenregulierungsbeauftragten.
Der geschädigte Dritte hat aufgrund dieser Vorschrift einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Schadenersatz gegen den VR bzw. den Schadenregulierungsbeauftragten. Der VR bzw. der Schadenregulierungsbeauftragte wird so behandelt, als hätte er den Schaden verursacht. Dies ist für den Geschädigten besonders vorteilhaft, wenn zwar das unfallverursachende Fahrzeug, nicht aber dessen Fahrer bekannt ist.
Dritter ist jeder, der durch den Versicherungsfall einen Anspruch erwirbt, der unter den Versicherungsschutz der KH-Versicherung fällt. Das kann neben dem geschädigten Dritten auch der VN oder eine andere mitversicherte Person sein. Ausländische VR in Deutschland müssen nach dem PflVG einen Schadenrepräsentanten benennen, der hierzulande verklagt werden kann. Durch diese Vorschrift wird verhindert, dass Verkehrsopfer gezwungen sind, ihre Ansprüche im Ausland geltend zu machen. Durch den nach EU- Recht zu benennenden Schadenregulierungsbeauftragten wird diese Vorschrift nicht ersetzt sondern nur erweitert.
Hat der Geschädigte seinen Anspruch beim VR bzw. Schadenregulierungsbeauftragten geltend gemacht und wird ein Regulierungsangebot nicht innerhalb einer Frist von 3 Monaten vorgelegt, ist der Anspruch des Geschädigten mit dem Zinssatz nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verzinsen.
VR und VN haften als Gesamtschuldner. Der VR kann ebenso wie der Versicherte dem Anspruchsteller alle Einwendungen entgegenhalten, die die Schadenersatzpflicht mindern oder ausschließen (z. B. Mitverschulden). Im Verhältnis der Gesamtschuldner gilt § 116 WG. Verklagt der Geschädigte den VR auf Zahlung, wird im Rechtsstreit über den Haftpflichtanspruch gegen den VN und/oder einen Mitversicherten und über die Einstandspflicht des Versicherers gegenüber dem Geschädigten entschieden. Insoweit ist aufgrund der Gesamtschuldner Schaft das Trennungsprinzip aufgehoben.
• Ansprüche des Geschädigten bei krankem Versicherungsverhältnis
Die Eintrittspflicht des Versicherers gegenüber dem geschädigten Dritten (der Direktanspruch) bleibt auch dann bestehen, wenn der VR dem VN bzw. Versicherten den Deckungsanspruch ganz oder teilweise verweigern kann (sog. krankes Versicherungsverhältnis).
Beispiel:
Der VN hat den Beitrag nicht bezahlt und auch die qualifizierte Mahnung des Versicherers unbeachtet gelassen. Einen Tag nach Ablauf der Mahnfrist verursacht der VN schuldhaft einen Unfall. Der VR ist im Innenverhältnis leistungsfrei, da der Versicherungsschutz nach Ablauf der Mahnfrist erloschen ist. Aufgrund des Direktanspruchs muss er aber im Außenverhältnis an den geschädigten Dritten leisten. Die Eintrittspflicht gegenüber dem geschädigten Dritten besteht nur bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme und entfällt, soweit Schadenersatz von einem anderen Schaden-VR oder einem Sozialversicherungsträger erlangt werden kann (Subsidiarität).
Diese Subsidiaritätsregel, also die Möglichkeit, dass der geschädigte Dritte an einen anderen Ersatzpflichtigen verwiesen werden kann, besteht nicht, wenn die Leistungsfreiheit des Versicherers auf einem der folgenden Fälle beruht:
• Das Fahrzeug entsprach nicht den Bau- und Betriebsvorschriften der StVZO.
• Es wurde von einem unberechtigten Fahrer geführt.
• Es wurde von einem Fahrer ohne die vorgeschriebene Fahrerlaubnis geführt.
Die Fälle der teilweisen oder vollständigen Verweigerung des Deckungsanspruches im Innenverhältnis nach einer Obliegenheitsverletzung, die vor dem Versicherungsfall zu erfüllen war, und die Regressmöglichkeiten des VR aufgrund der Leistungspflicht an den geschädigten Dritten.
Nachhaftung
Der VR kann dem Dritten gegenüber auch dann noch leistungspflichtig sein, wenn das Versicherungsverhältnis nicht mehr besteht (sog. Nachhaftung). Die Nachhaftung entfällt nur für die Schadenereignisse, die später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eingetreten sind, in dem der VR der Zulassungsstelle die Beendigung des Versicherungsverhältnisses ordnungsgemäß mitgeteilt hat.
Beispiel:
Am 10. April d. J. hat der VN durch den VR die fristlose Kündigung wegen Nichtzahlung des Folgebeitrags erhalten. Am 13. April d. J. geht der Zulassungsstelle die entsprechende Benachrichtigung zu. Für Schadenereignisse, die bis zum 13. Mai d. J. eintreten, gilt die Pflicht zur Nachhaftung. Danach ist der VR endgültig von der Leistungspflicht befreit.
Auch während der Nachhaftungsdauer kann der VR ggf. den Anspruch des geschädigten Dritten wegen Subsidiarität verweigern.
► Die Vorschriften über die Direkthaftung und die Nachhaftung finden keine
Anwendung, wenn der Schaden vorsätzlich widerrechtlich herbeigeführt worden ist.
Entschädigungsfonds
a) Eintrittspflichten bei Schädigung im Inland
Der Entschädigungsfonds ist eine weitere im Pflichtversicherungsgesetz vorgesehene Maßnahme zum Schutze des Verkehrsopfers. Er hat u.a. für folgende Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen einzutreten:
• Schäden durch nicht zu ermittelnde Fahrzeuge
• Schäden durch pflichtwidrig nicht versicherte Fahrzeuge
• Schäden durch Fahrzeuge nach §2(1) Nr. 6 PflVG, wenn der Fahrzeughalter von der Versicherungspflicht befreit ist
• Vorsätzliche, widerrechtliche Schädigung durch den Versicherten
Die Aufgaben des Entschädigungsfonds sind durch Rechtsverordnung dem rechtsfähigen Verein Verkehrsopferhilfe e.V., Hamburg, übertragen worden. Der Verein untersteht der Aufsicht des Bundesministers der Justiz. Liegt einer der genannten Fälle vor, kann der Geschädigte oder ein sonstiger Berechtigter den Entschädigungsfonds unmittelbar in Anspruch nehmen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass er weder vom Halter, Eigentümer oder Fahrer des Fahrzeuges noch von einem Schaden-VR oder einem Verband (z.B. aufgrund des Grüne-Karte-Systems) Ersatz erlangen kann. § 12 PflVG kennt noch weitere Fälle der Leistungsfreiheit des Fonds, z.B. wenn der Schaden durch Leistungen der Sozialversicherung ausgeglichen wird. Kann das schädigende Fahrzeug nicht ermittelt werden, besteht nur dann ein Anspruch auf Ersatz von Sachschäden am Fahrzeug des Ersatzberechtigten bei einem Eigenanteil von 500,00 €, wenn der Entschädigungsfonds aufgrund desselben Ereignisses zur Leistung wegen Tötung oder erheblicher Verletzung des Ersatzberechtigten oder eines Insassen des Fahrzeuges verpflichtet ist. Für sonstige Sachschäden beschränkt sich die Leistungspflicht auf den 500,00 € übersteigenden Betrag. Kein Anspruch gegen den Entschädigungsfonds besteht bei Beschädigung von Einrichtungen des Luft-, Bahn- und Straßenverkehrs (einschl. Binnenwasserstraßen) sowie bei Beschädigung von Einrichtungen der Energieversorgung und Telekommunikation.
Beispiel:
Der Anspruchsteller macht nach Fahrerflucht durch den Unfallgegner gegen den Entschädigungsfonds geltend:
Eigener Sachschaden 2500,00 €
Fremdsachschäden an einem anderen Pkw 3100,00 €
Schaden an der Leitplanke lt. Autobahnmeisterei 750,00 €
Schmerzensgeld wegen Prellungen 100,00 €
Der Entschädigungsfonds wird nur den 500,00 € übersteigenden Fremdsachschaden an dem anderen Pkw, also 2600,00 €, zahlen. Der Schaden an der Leitplanke wird nicht ersetzt, da es sich um eine Einrichtung des Straßenverkehrs handelt. Ebenso ist die Verweigerung eines Schmerzensgeldes im Beispielsfall nicht grob unbillig.
Wäre dagegen im Beispielsfall der Anspruchsteller oder ein Fahrzeuginsasse erheblich verletzt oder eine Person getötet worden, könnte neben dem Ersatz des Personenschadens und einem evtl. Schmerzensgeld auch der Sachschaden am Fahrzeug übe 500,00 €, also 2 000,00 €, geltend gemacht werden.
Die Ersatzpflicht des Entschädigungsfonds bei Fahrerfluchtfällen musste eingeschränkt werden, um betrügerischen Manipulationen entgegenzuwirken. Durch eine Fahrzeugversicherung ist der eigene Sachschaden versicherbar, sodass die Notwendigkeit zum Schutze des Verkehrsopfers in diesem Punkt nicht erforderlich ist. In den übrigen Fällen bestimmt sich die Leistung des Entschädigungsfonds nach den Vorschriften des Pflichtversicherungsgesetzes, wie sie auch für einen Haftpflicht-VR gelten.
b) Sonstige Eintrittspflichten
– Entschädigungsstelle für Schäden aus Auslandsunfällen in einem EU-Mitgliedsstaat
bzw. Staat gern. Abkommen über den EWR
Mit Wirkung ab 1. Januar 2003 ist eine Entschädigungsstelle im Rahmen des Entschädigungsfonds eingerichtet worden, die unter folgenden Voraussetzungen leistet:
• Der Geschädigte mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat im Ausland durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges einen Personen- oder Sachschaden
erlitten.
• Der Anspruch wurde beim Versicherungsunternehmen des Fahrzeugs, das den Unfall verursacht hat oder bei dem zuständigen Schadenregulierungsbeauftragten
geltend gemacht.
• Das Versicherungsunternehmen bzw. der Schadenregulierungsbeauftragte hat innerhalb von drei Monaten keine mit Gründen versehene Antwort erteilt.
Die Entschädigungsstelle ist auch zuständig, wenn das Versicherungsunternehmen noch keinen Schadenregulierungsbeauftragten für die Bundesrepublik Deutschland bestellt hat oder das Fahrzeug oder das ersatzpflichtige Versicherungsunternehmen nicht innerhalb von zwei Monaten nach dem Unfall ermittelt werden können.
Ein Antrag auf Erstattung ist nicht zulässig, wenn der Geschädigte unmittelbar gegen das Versicherungsunternehmen gerichtliche Schritte eingeleitet hat.
– Leistungen bei Schädigung im übrigen Ausland
(kein EU-Mitgliedsstaat bzw. Land gern. Abkommen über den EWR)
Der Entschädigungsfonds leistet auch bei der Schädigung eines Deutschen im vorgenannten Ausland unter folgenden Voraussetzungen Ersatz für den erlittenen Personenschaden:
• Das schädigende Fahrzeug kann nicht ermittelt werden.
• Die für Fälle dieser Art zuständige Stelle im Ausland schließt Deutsche vom Ersatzanspruch aus.
Besonderheit: Leistungen des Entschädigungsfonds an ausländische Staatsangehörige
Ein ausländischer Staatsangehöriger, der in Deutschland seinen Lebensmittelpunkt hat, erhält die gleichen Leistungen aus dem Entschädigungsfonds wie ein Deutscher. Bei Ausländern ohne festen Wohnsitz (Urlaubern usw.) werden Leistungen nur bei Vorliegen der Gegenseitigkeit erbracht, d.h., der Entschädigungsfonds tritt dann ein, wenn im Heimatland des Ausländers auch für einen Deutschen entsprechend eingetreten würde.
Die vorgenannten Regelungen sind auf dem Verordnungsweg gern. § 14 PflVG entstanden.
– Insolvenz eines leistungspflichtigen Versicherers
Seit Einführung des EU-Binnenmarktes ist der Entschädigungsfonds auch zuständig, wenn die BaFin (bzw. die zuständige Aufsichtsbehörde bei Versicherern aus einem Mitgliedsstaat der EU oder Vertragsstaates des Abkommens über den EWR) den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistungspflichtigen Versicherers stellt. Bis zu diesem Zeitpunkt war der von den Versicherern freiwillig gegründete Insolvenzsicherungsverein Solidarhilfe zuständig, der jedoch nicht fortgeführt wurde, da die VR befürchteten, Insolvenzen infolge von Dumpingpreisen der Konkurrenz mitfinanzieren zu müssen.
Verkehrsopfer aus Insolvenzfällen können im Gegensatz zu anderen Geschädigten vom Entschädigungsfonds nicht zunächst an den Halter, Eigentümer oder Fahrer des unfallverursachenden Fahrzeugs zwecks Schadenersatz verwiesen werden, sondern sie sind unmittelbar zu entschädigen. Ferner ist der Regressanspruch des Fonds gegen den VN und mitversicherte Personen auf je 2500,00 € beschränkt.
Sonstige Vorschriften
Die aufgezeigten Bestimmungen im Rahmen der Direkthaftung finden auch bei der Ausländerpflichtversicherung Anwendung. Für den Geschädigten hat dies den Vorteil, dass er die für die Schadenregulierung zuständige inländische Stelle unmittelbar in Anspruch nehmen kann.
Die Vorschriften über die Nachhaftung stellen sich im Ausländer-Pflichtversicherungsgesetz für den Geschädigten noch günstiger dar als im PflVG.