Situationsfortsetzung 3
Nach vier Wochen haben Sie einen neuen Gesprächstermin mit den Eheleuten Herrmann. Heute wünschen die Eheleute konkrete Informationen über die Finanzierungsangebote und -möglichkeiten. Das gewünschte Fertighaus hat einen Festpreis von 150000,00€. Für alle weiteren Nebenkosten, wie Außenanlagen und Baunebenkosten werden 50000,00 € angesetzt. Nach der Prüfung der vorgelegten Unterlagen hält der Berater die Wertangaben für realistisch.
Die Darlehen zur Finanzierung von Immobilieninvestitionen werden in der Regel durch Grundpfandrechte gesichert. Bei der Bewertung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sind insbesondere zwei Wertbegriffe zu unterscheiden, nämlich die Begriffe Verkehrswert und Beleihungswert.
a) Verkehrswert
Die rechtliche Grundlage ist der §194 Baugesetzbuch:
Der Verkehrswert wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstandes der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.
► Der Verkehrswert ist der aktuelle, stichtagsbezogene Marktwert der Immobilie.
Zuständig für die Ermittlung der Verkehrswerte sind selbstständige Gutachterausschüsse, die bei den kreisfreien Städten und den Landkreisen gebildet werden, und zwar ebenfalls auf Grundlage des Baugesetzbuches.
b) Beleihungswert
Der Beleihungswert ist ein spezifischer Begriff der Kreditwirtschaft. Er ist der Wert, den das Beleihungsobjekt während des gesamten Beleihungszeitraums aller Voraussicht nach verkörpert. Rechtliche Grundlage der Beleihungswertermittlung ist der § 16 Pfandbriefgesetz in Verbindung mit der Verordnung über die Ermittlung der Beleihungswerte von Grundstücken (Beleihungswertermittlungsverordnung – BelWertV) vom 12. Mai 2007.
§ 16 Pfandbriefgesetz
Beleihungswertermittlung
(1) Die als Grundlage für die Beleihungswertfestsetzung dienende Wertermittlung ist von einem von der Kreditentscheidung unabhängigen Gutachter vorzunehmen, der über die hierzu notwendige Berufserfahrung sowie über die notwendigen Fachkenntnisse für Beleihungswertermittlungen verfügen muss.
(2) Der Beleihungswert darf den Wert nicht überschreiten, der sich im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung der zukünftigen Verkäuflichkeit einer Immobilie und unter Berücksichtigung der langfristigen, nachhaltigen Merkmale des Objektes, der normalen regionalen Marktgegebenheiten sowie der derzeitigen und möglichen anderweitigen Nutzungen ergibt. Spekulative Elemente dürfen dabei nicht berücksichtigt werden. Der Beleihungswert darf einen auf transparente Weise und nach einem anerkannten Bewertungsverfahren ermittelten Marktwert nicht übersteigen. Der Marktwert ist der geschätzte Betrag, für welchen ein Beleihungsobjekt am Bewertungsstichtag zwischen einem verkaufsbereiten Verkäufer und einem kaufbereiten Erwerber, nach angemessenem Vermarktungszeitraum, in einer Transaktion im gewöhnlichen Geschäftsverkehr verkauft werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt.
Auszug aus der Beleihungswertermittlungsverordnung:
§ 3 Grundsatz der Beleihungswertermittlung
(1) Der Wert, der der Beleihung zugrunde gelegt wird (Beleihungswert), ist der Wert der Immobilie, der erfahrungsgemäß unabhängig von vorübergehenden, etwa konjunkturell bedingten Wertschwankungen am maßgeblichen Grundstücksmarkt und unter Ausschaltung von spekulativen Elementen während der gesamten Dauer der Beleihung bei einer Veräußerung voraussichtlich erzielt werden kann.
(2) Zur Ermittlung des Beleihungswerts ist die zukünftige Verkäuflichkeit der Immobilie unter Berücksichtigung der langfristigen, nachhaltigen Merkmale des Objekts, der normalen regionalen Marktgegebenheiten sowie der derzeitigen und möglichen anderweitigen Nutzungen im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung zugrunde zu legen.
§ 4 Verfahren zur Ermittlung des Beleihungswerts
(1) Zur Ermittlung des Beleihungswerts sind der Ertragswert (§§ 8 bisl3) und der Sachwert (§§14 bisl8) des Beleihungsobjekts getrennt zu ermitteln. …
(3) Maßgeblich für die Ermittlung des Beleihungswerts ist regelmäßig der Ertragswert, der nicht überschritten werden darf. …
(4) Bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen kann der Beleihungswert am Sachwert orientiert werden und eine Ertragswertermittlung entfallen, wenn das zu bewertende Objekt nach Zuschnitt, Ausstattungsqualität und Lage zweifelsfrei zur Eigennutzung geeignet ist und bei gewöhnlicher Marktentwicklung nach den Umständen des Einzelfalls vorausgesetzt werden kann, dass das Objekt von potenziellen Erwerbern für die eigene Nutzung dauerhaft nachgefragt wird. Der Beleihungswert kann in diesen Fällen auch an einem nach § 19 ermittelten Vergleichswert orientiert werden; neben der Ertragswertermittlung kann hierbei auch die Sachwertermittlung entfallen.
c) Weitere Wertbegriffe im Zusammenhang mit Beleihung von Immobilien.
– Sachwert (Sustanzwert)
Er besteht aus den beiden Werten
• Bauwert: Wert der Aufbauten eines Grundstücks,
• Bodenwert: Wert der Grundstücksfläche.
Bei der Ermittlung des Bodenwertes ist von den Preisen auszugehen, die für Grundstücke gleicher Art und Lage auf Dauer zu erzielen ist. In vielen Städten und Gemeinden gibt es Bodenrichtwertkarten, die von einem Gutachterausschuss erstellt werden und Auskunft über angemessene Grundstückspreise der jeweiligen Region enthalten.
– Ertragswert
Der Ertragswert drückt den kapitalisierten Reinertrag des Beleihungsobjektes aus.
– Beleihungsgrenze
Das ist die maximale Kredithöhe, die allein aufgrund dieser Sicherheit vom Kreditgeber gewährt wird.
Folgende Beleihungsgrenzen sind von Bedeutung:
• 60 % des Beleihungswertes bei Realkreditinstituten
• 80 % bei Bausparkassen
• 45 % bzw. 60 % für 1. Rang und 80 % im 2. Rang bei Versicherungen. Private Geschäftsbanken beleihen teilweise bis zu 100 % des Beleihungswertes.
d) Verfahren zur Ermittlung des Beleihungswerts
Beispiel für die Ermittlung des Beleihungswertes und der Beleihungsgrenze des eigengenutzten Einfamilienhauses (Neubau) der Eheleute Herrmann nach dem Abschlaqsverfahren:
Für ein erstrangig besichertes Darlehen liegt die Grenze bei 161000,00 €.
Für die zweite Rangstelle (Bausparkasse oder Geschäftsbank) können weitere
53800,00 € genutzt werden (nämlich 80 % von 268500,00 € minus 161000,00 €).
Exkurs: Unterlagenübersicht
Folgende Beleihungsunterlagen sollten u.U. vom Kreditantragsteller eingereicht werden:
Beleihungsunterlagen | Erhältlich bei | |
• Grundbuchauszug | • Amtsgericht | |
• Neueste Katasterunterlagen | • Vermessungsamt | |
• Erschließungskostenbeitragsbescheinigung | • Tiefbauamt | |
• Baubeschreibung | • Architekt | |
• Berechnung des umbauten Raumes | • Architekt | |
• Wohn-/Nutzflächenberechnung | • Architekt | |
• Bauzeichnungen | • Architekt | |
• Amtlicher Lageplan | • Vermessungsingenieur | |
• Baugenehmigung bei geplanten Bauvorhaben | • Architekt | |
• Kaufvertrag für Grundstück/Wohnung | • Notar | |
• Ggf. Teilungserklärung bei Wohnungs- oder Teileigentum | • Verkäufer | |
• Grundrisszeichnung bei Eigentumswohnungen/ | ||
Gebrauchsimmobilien | • Verkäufer | |
• Fotos der Gebäude | • Verkäufer | |
• Kaufvertrag für Keller, Haus, Garage; bei Fertighäusern | ||
zusätzlich Bemusterungsvertrag | • Hersteller | |
• Einkommensnachweise, Einkommensteuerbescheid | • Arbeitgeber, Steuerberater | |
• Wirtschaftlichkeitsberechnung/Lastenberechnung | • Architekt | |
• Forderungsaufstellung für abzulösende Belastungen | • Gläubiger | |
• Ertragsaufstellung gemäß Vordruck der Bank | ||
• Kostenanschläge für Modemisierung/Instandsetzung | • Ausführende Firma | |
• Kostenermittlung nach DIN 276 | • Architekt | |
• Valutabescheinigung für vorgehende Grundpfandrechte | • Gläubiger | |
• Selbstauskunft gemäß Vordruck der Bank | • Bank | |
• Eigenkapitalnachweis | ||
• Aufstellung der Arbeitsleistungen | Eigene Unterlagen | |
• Versicherungsschein für die Gebäudefeuerversicherung |