Bilanzkennzahlen
► Aufbereitung der Bilanz für Analysezwecke
Beispiel:
Aktiva | Bilanz zum 31 | . Dezember… | Passiva |
Kraftfahrzeuge | 31 000,00 | Eigenkapital | 42 200,00 |
Betriebs- u. Geschäftsausst. | 47 000,00 | Darlehensverb. | 54 300,00 |
Ford. gg. Direktion | 17 500,00 | Verb. bei Untervertr. | 9 200,00 |
Kassenbestand | 1 570,00 | Sonstige Verb. | 3 400,00 |
Bankguthaben | 12 030,00 | ||
109 100,00 | 109 100,00 |
Für die Berechnung von Kennzahlen sind die Bilanzpositionen zu Gruppen zusammen-zufassen, die für die jeweilige Kennzahlenberechnung benötigt werden. Nachstehend werden einfache Kennzahlen zur Vermögens-, Kapital-, Finanzierungsund Liquiditätsstruktur berechnet. Hierfür sind zunächst Gruppierungen der Bilanzzahlen zu bilden
• Anlage- und Umlaufvermögen
• Kurzfristig flüssige und sofort flüssige Bertande,
• Eigen- und Fremdkapital,
• Langfristige und kurzfristige Schulden
Es entsteht die folgende aufbereitete Bilanz:
Aktiva | Bilanz zum 31 | . Dezember… | Passiva | |
Anlagevermögen (Kraftfahrzeuge, Betriebs und Geschäftsausstattung) | 78 000,00 | Eigenkapital | 42 200,00 | |
Umlaufvermögen | 31 100,00 | Fremdkapital. | 66 900,00 | |
davon flüssig: | davon fällig | |||
– kurzfristig 17 500,00 | – langfristig | 54 300,00 | ||
-sofort 13 600,00 | – kurzfr. | 12 600,00 | ||
109 100,00 | 1090,00 |
► Einseitige (vertikale) Bilanzkennzahlen
• Kennzahlen zur Vermögensstruktur
*Anteil des Anlagevermögens am Gesamtvermögen = Anlagevermögen .100 / Gesamtvermögen
Anteil des Umlaufvermögens am Gesamtvermögen = Umlaufvermögen . 100 / Gesamtvermögen
Der Anteil des Umlaufvermögens am Gesamtvermögen ist geringer als der Anteil des Anlagevermögens, da Agenturen keinen dem Handel vergleichbaren Warenbestand halten müssen.
• Kennzahlen zur Kapitalstruktur
Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital = Eigenkapital . 100 / Gesamtkapital
Anteil des Fremdkapitals am Gesamtkapital = Fremdkapital . 100 / Gesamtkapital
Der Fremdkapitalanteil überwiegt, was für Agenturen, die im Aufbau begriffen sind, typisch sein dürfte; denn sie sind für die Finanzierung ihrer Aufbauinvestitionen häufig auf Darlehen angewiesen. Für die Bedienung des Fremdkapitals (Zinsen, Darlehenstilgung) kommt es wesentlich darauf an, dass entsprechende Erträge aus der Geschäfts-tätigkeit erzielt werden.
• Einseitige (vertikale) Bilanzkennzahlen werden aus den Zahlen einer Bilanzseite gewonnen
► Zweiseitige (horizontale) Bilanzkennzahlen
• Kennzahlen zur Finanzierungsstruktur
Anteil des Eigenkapitals am Anlagevermögen = Eigenkapital . 100 / Anlagevermögen
Anteil des EKs u. langfr. FK am Anlagevermögen = (EK + Iangfr. FK) . 100 / Anlagevermögen
Die Analyse zeigt, dass das längerfristig genutzte Anlagevermögen nur zu etwas mehr als 50% durch Eigenkapital finanziert ist. Nach der goldenen Bilanzregel sollte langfristig genutztes Anlagevermögen mit langfristig verfügbarem Kapital (Eigenkapital, langfristiges Fremdkapital) finanziert sein. Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die Finanzierung des Anlagevermögens, ist festzustellen, dass die goldene Bilanzregel mit 123,72% mehr als erfüllt ist.
• Kennzahlen zur Liquiditätsstruktur
Liquidität 1. Grades = sofort flüssige Mittel . 100 / kurzfristig fälliges Fremdkapital
Liquidität 2. Grades = (kurzfr. Ford. + sofort flüssige Mittel) . 100 / kurzfristig fälliges Fremdkapital
Die Analyse der Finanzlage lässt darauf schließen, dass diese Agentur nicht in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Sie hat sofort verfügbare liquide Mittel, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu begleichen, und muss nicht den Eingang der Forderungen gegen die Direktion abwarten. Bedenkt man weiter, dass die Agentur ihre Provisions-verbindlichkeiten beim Untervertreter erst dann begleicht, wenn sie selbst die Provisionen von der Direktion erhalten hat, stellt sich die Liquiditätslage offensichtlich noch besser dar, als es die Kennzahlen ausdrücken können. Dennoch ist Vorsicht geboten: Die Liquiditätskennzahlen gelten nur für den Bilanz-stichtag. Unter Umständen sind schon kurz nach dem Bilanzstichtag Zahlungen z. B. an angestellte Mitarbeiter, für Geschäftsraummiete usw. zu leisten, die die Liquidität erheblich einschränken können.
Anmerkung: Aus Vereinfachungsgründen wurden keine Rückstellungen in die Bilanz einbezogen. Sie sind als Verbindlichkeiten bei der Liquiditätsbeurteilung zu berücksichtigen.
• Zweiseitige (horizontale) Bilanzkennzahlen werden aus den Zahlen der beiden Bilanzseiten gewonnen.
Kennzahlen unter Einbezug der Gewinn- und Verlustrechnung
► Ermittlung der Kapitalrentabilität
Beispiel:
Soll | GuV-Konto | Haben | |
Provisionsaufwand | 68 900,00 | Provisionsertrag | 162 400,00 |
Mietaufwand | 24 100,00 | Zinsertrag | 19 600,00 |
Gehälter | 36 000,00 | Außerordentl. Ertrag | 6 000,00 |
Verwaltungsaufwand | 11 000,00 | ||
Zinsaufwand | 6 000,00 | ||
Außerordentl. Aufwand | 500,00 | ||
Gewinn | 51 500,00 | ||
198 000,00 | 198 000,00 |
Ferner sollen folgende Zahlen gelten:
– Eigenkapital lt. Bilanz | 42 200,00 € |
– kalkulierter Unternehmerlohn 12 Monate . 4 000,00 € monatlich | 48 00,00 € |
• Eigenkapitalrentabilität
Eigenkapitalrentabilität = (Gewinn – Unternehmerlohn . 100 /
(bei mitarbeitendem Unternehmer) Eigenkapital
Das Eigenkapital hat sich im Beispielsfall unter Berücksichtigung des unternehmerischen Risikos (möglicher Kapitalverlust durch die unternehmerische Tätigkeit) angemessen verzinst.
• Gesamtkapitalrentabilität
Gesamtkapitalrentabilität = (Gewinn + Zinsaufw. für FK – U-Lohn) . 100 /
(bei mitarbeitendem Unternehmer) Gesamtkapital
Berechnet man die Gesamtkapitalrentabilität, müssen Zinsaufwendungen zum Gewinn hinzuaddiert werden, da sie bei der Gewinnermittlung als Aufwand abgezogen wurden. Im Beispielsfall wird noch eine über der Eigenkapitalrentabilität liegende Gesamtkapitalrentabilität erzielt. Dies ist möglich, wenn der mit dem Fremdkapital erwirtschaftete Ertrag den Zinsaufwand für dieses Kapital übersteigt. Im umgekehrten Fall liegt die Gesamtkapitalrentabilität unter der Eigenkapitalrentabilität.
► Ermittlung des so genannten Durchschnittseffektes
Wird eine Gesamtkapitalrentabilität erreicht, die über dem Zinssatz für Fremdkapital liegt, lohnt sich die Aufnahme von Fremdkapital für weitere Investitionen, da mit dem Gewinn aus der weiteren Investition nicht nur das weitere Fremdkapital bedient, sondern auch die Eigenkapitalrentabilität gesteigert werden könnte (sog. Durchschnittseffekt).
Beispiel:
*Die Agentur hat eine Gesamtkapitalrentabilität von 9% ermittelt. Sie kann Fremdkapital zu 7% auf nehmen und investieren. Ist der aus dieser Investition erzielte Gewinn höher als die Zinsen für das zusätzlich aufgenommene Fremdkapital, steigt die Eigenkapitalrentabilität, denn es steht ja jetzt die Differenz zwischen Gewinn und Zinsen als Eigenkapitalzuwachs zur Verfügung.
► Finanzanalyse mithilfe des Cashflow
Der Cashflow (wörtlich übersetzt: Kassenfluss) ist eine Messzahl, die die Selbstfinanzierungsmöglichkeit einer Unternehmung zeigt. In unserem Versicherung-Ratgeber wurde am Beispiel der Abschreibung dargestellt, dass diese zwar einen Aufwand, momentan aber noch keine Ausgabe bedeutet. Der gebuchte Aufwand minderte jedoch den ausgewiesenen Gewinn. Hier setzt die Überlegung zur Berechnung des Cashflow an. Nicht nur der Jahresüberschuss gemäß Gewinn- und Verlustrechnung, sondern alle gebuchten Aufwendungen, die nicht zugleich Ausgabe sind, stehen ggf. für Finanzierungszwecke zur Verfügung. Umgekehrt stehen gebuchte Erträge, die noch zu keiner Einnahme geführt haben, momentan auch nicht zur Verfügung und müssen daher für die Berechnung des Cashflow vom ausgewiesenen Jahresüberschuss abgezogen werden.
Der Cashflow berechnet sich demnach wie folgt:
Jahresüberschuss lt. GuV
+ gebuchte Aufwendungen, die noch zu keiner Ausgabe geführt haben
(z. B. Abschreibungen, Rückstellungen)
– gebuchte Erträge, zu denen die Einnahme noch aussteht
(z. B. ausstehende Zahlungen von Mietern)
= Cashflow
Bilanzkennzahlen verdeutlichen die
Vermögens-, Kapital-, Finanzierungs- und Liquiditätsstruktur.
Für die Analyse und Beurteilung des Erfolges ist nach betriebsbedingten und neutralen Aufwendungen und Erträgen zu trennen.
Der betriebsbedingte Erfolg gibt Auskunft über das Ergebnis der Tätigkeit, die den eigentlichen Betriebszweck einer Versicherungsagentur ausmacht.
– Stornoquote und Zuwachsrate an Beitrag bzw. Versicherungssumme
Beispiel:
Bestand (01. Jan.) in T€ | Bestands -storno | Neugeschäft in T€ | Storno im 1. Jahr | Bestand (31. Dez.) in T€ | Zuwachs -rate | |
Leben: Versicherungs -summe | 30 000,00 | 3,0% | 2 520,00 | 5% | 31 494,00 | 4,9% |
Sach: Beiträge | 1 400,00 | 2,5% | 220,00 | 10% | 1 563,00 | 11,6% |
Kfz: Beiträge | 750,00 | 36,0% | 60,00 | 5% | 537,00 | – 28,4% |
Bekanntlich erhält der Versicherungsvertreter für die Produktion (das vermittelte Neugeschäft) eine Abschlussprovision und für den von ihm betreuten Bestand eine Folge-provision. Darüber hinaus zahlen die Versicherer eine Bonifikation, wenn bestimmte Zielerwartungspläne oder Leistungsstaffeln erreicht werden.
Die Folgeprovision enthält allerdings auch einen Teil, der als Provision für die Vermittlung der längerfristigen Kundenbeziehung anzusehen ist. In einer differenzierten Kosten- und Leistungsrechnung gehört dieser Anteil daher zur Leistung Vermittlung. Die Kennzahlen Stornoquote und Zuwachsrate in Prozent werden im Rahmen des Controllings sorgfältig beobachtet, da sie sich auf die Abschluss- und Folgeprovisionen auswirken. Ferner muss der Vertreter bedenken, dass er ggf. auch Zielerwartungspläne oder Leistungsstaffeln nicht erreicht und dadurch Einbußen bei Bonifikationszahlungen hinnehmen muss. Die Berechnung der Kennzahlen kann auf der Basis von Stückzahlen oder Werten (Beitrag bzw. Versicherungssumme) erfolgen.
► Stornoquote
Stornoquote = Storno . 100 / Bezugsgröße
Stornoquoten werden u.a. berechnet:
• Für den Bestand
Das Storno im Bestand wird in Beziehung zum Gesamtbestand gesetzt. Für eine differenzierte Analyse empfiehlt es sich, das Storno im Altbestand (=Bestand zu Beginn des Geschäftsjahres) und das Storno bei den Neuabschlüssen getrennt voneinander zu ermitteln. Bei den Beispielen und Aufgaben im Rahmen dieses Lehrbuches wird so verfahren.
• Für die Produktion (Storno im ersten Jahr bei den Neuabschlüssen)
Das Storno bei den Neuabschlüssen wird in Beziehung zu den gesamten Neuabschlüssen gesetzt. Diese Stornoquote drückt aus, inwieweit es gelungen ist, eine längerfristige Geschäftsbeziehung aufzubauen. Falschberatungen, z. B. überhöhte Versicherungssummen im Hinblick auf die Provision, sind häufig die Ursache für ein frühes Storno.
► Zuwachsrate
Mit dieser Kennzahl wird der Bestandszuwachs in einem Zeitabschnitt
(z. B. Geschäfts-jahr, Monat) berechnet.
Zuwachsrate = absoluter Zuwachs . 100 / Bezugsgrüße (z.B. Bestand am 01. Jan)
Der absolute Zuwachs errechnet sich wie folgt:
Absoluter Zuwachs = Neugeschäft – Storno im 1. Jahr – Bestandsstorno.
Schadenquote
Die Schadenquote der einzelnen Versicherungszweige in dem vom Vertreter betreuten Bestand wird von Seiten des Versicherers aufmerksam registriert. Dies gilt in ganz besonderem Maße, wenn der Vertreter auch noch mit der Kleinschadenregulierung betraut ist. Es liegt deshalb im gegenseitigen Geschäftsinteresse, wenn die Schaden-quote nicht wesentlich über dem branchenüblichen Durchschnitt liegt, um das Vertrauensverhältnis zwischen Vertreter und Direktion nicht zu stören. Der Vertreter muss daher den Mut haben, unberechtigte Schadenersatzforderungen zurückzuweisen und nicht aus falsch verstandener Kundenbetreuung heraus Anregungen zu geben, wie doch noch ein Ersatz für nicht ersatzpflichtige Schäden erreicht werden kann. Die Schadenquote der einzelnen Versicherungszweige im Bestand einer Versicherungsagentur wird wie folgt berechnet:
Schadenquote = Summe der Einzelschäden eines Versicherungszweiges im Bestand . 100 / Beitragssumme des Versicherungszweiges im Bestand
Verwaltungskostenquote
Die Verwaltungskostenquote drückt den Anteil der Personal- und Sachkosten im Agenturinnendienst an den Erlösen aus.
Verwaltungskostenquote = Personal- und Sachkosten . 100 / Erlöse
Als Erlös wird zweckmäßigerweise der Teil der Folgeprovision angesetzt, der mit der Leistung Kundenbetreuung erwirtschaftet wird. Die Berechnung der Verwaltungskostenquote gewinnt an Bedeutung, je mehr die Funktionsdezentralisierung von der Direktion auf die Agenturen an Umfang gewinnt. Es wird häufig angeführt, dass auf die Agenturen aus folgenden Gründen keine zusätzlichen Kostenbelastungen zukommen:
• Die Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen eine rationelle Arbeitsabwicklung durch direkten Zugriff auf den Datenbestand in der Direktion.
• Es ergeben sich nebenbei Abschlussmöglichkeiten für Neugeschäfte.
Gleichwohl wird die Agentur die Verwaltungskostenentwicklung sorgfältig im Auge behalten und ggf. steuernde Maßnahmen einleiten müssen.