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Geld Verschwendung durch Abschreibungen in stillen Reserven – Lebensversicherung in Deutschland

Lebensversicherungsunternehmen können Grundstücke, die sie mit Versichertengeld gekauft haben, bis auf eine Mark und Wertpapiere bis auf den niedrigsten Wert, den sie erreicht haben, abschreiben. Nehmen wir einmal an, 10000 Euro von den Sparanteilen der Prämien und den nicht benötigten Versicherungsbeiträgen sind in eine Geldanlage geflossen, die während der Vertragslaufzeit zu 50 Prozent abgeschrieben worden ist. Dann sind von Ihren 10000 Euro nur noch 5000 Euro vorhanden – oder umgekehrt: 5000 Euro sind verschwunden! -Ähnlich bei Millionen anderen Versicherten. Das ist aber noch nicht das Schlimmste. Schlimmer ist, dass das Verschwinden von Milliardenbeträgen in Form von jährlichen Abschreibungen die Jahresüberschüsse der Gesellschaft um Milliarden von Euro gemindert hat.

Denn Abschreibungen wirken sich in der Jahresabrechnung wie Kosten aus. Sie vermindern den Gewinn – allerdings nur rechnerisch oder buchhalterisch. Denn in der Regel steigen die Werte von Grundstücken, Wertpapieren und Beteiligungen ständig an. Während sich also die Abschreibungen negativ auf den Bilanzgewinn auswirken, hat sich das von dem Unternehmen verwaltete Vermögen in Wirklichkeit vermehrt. Diesen heimlichen Vermögenszuwachs nennt man stille Reserven. Im Geschäftsbericht des Bundesaufsichtsamts für das Jahr 2000 hat dieses angegeben, dass die deutschen Versicherungsunternehmen inzwischen stille Reserven in Höhe von über 200 Milliarden Euro angesammelt haben (etwa 70 Milliarden Euro bei den Lebensversicherungsunternehmen), von denen etwa 60 Prozent nicht mehr oder nur sehr schwer fungibel sein sollen (was so viel heißt wie: Sie sind kaum aufzulösen, weil es sich um Grundstücke, Gebäude und Unternehmensbeteiligungen handelt, die von den Gesellschaften nicht mehr versilbert werden, also für die Versicherten für immer verschwunden sind).

An den stillen Reserven partizipieren die Versicherten nicht, sondern nur die Aktionäre; denn die so genannten Analysten der Banken, die durch die Auswertung von Bilanzen die Aktienkurse analysieren, sehen die stillen Reserven von Lebensversicherungsunternehmen als deren Vermögen und nicht als Vermögen der Versicherten an. So erhöhen stille Reserven, die letztlich aus Versichertengeld entstanden sind, die Kurswerte der Versicherungsaktien. Und die Aktionäre können diese mit Gewinn verkaufen. Auf dem Umweg Abschreibungen – stille Reserven – Kurswertsteigerung der Aktien landet so Geld der Versicherten klammheimlich in den Taschen der Aktionäre von Versicherungsgesellschaften (siehe den obigen Vergleich der Ergebnisse für einen Anleger als Versicherungsnehmer und als Aktionär einer Versicherungsgesellschaft).

Für die Lebensversicherten sind die Abschreibungen deshalb so nachteilig, weil sie die Jahresüberschüsse ihrer Gesellschaft vermindern und damit auch die ihnen versprochene Überschussbeteiligung. Denn die Lebensversicherten sind – wie oben dargestellt – nicht an den tatsächlichen Erträgen aus ihren Sparanteilen und den Überschüssen aus ihren Versicherungsbeiträgen beteiligt, sondern nur daran, was als Jahres(roh)überschuss bei ihrer Gesellschaft übrig bleibt, was also ihre Gesellschaft von den Erträgen und Überschüssen übrig lässt. Sind die tatsächlichen Erträge in den 30 Jahren Vertragsdauer 100000 Euro, dann können davon durchaus 10000 oder 20000 Euro durch Abschreibungen verschwunden sein, während die entsprechenden Kapitalanlagen in dieser Zeit eine erhebliche Wertsteigerung erfahren haben können.

Nun könnten solche Wertsteigerungen den Lebensversicherten durchaus zugutekommen, wenn nämlich die Gesellschaft einen Vermögensgegenstand verkauft und die stillen Reserven als Veräußerungsgewinne in die Jahresabrechnung zurückkehren. Das geschieht auch teilweise, vor allem bei Wertpapieren. Aber die Gesellschaften haben sich raffinierte Tricks ausgedacht, um stille Reserven und Veraußerungsgewinne an den Lebensversicherten vorbei zu realisieren – auch hier auf dem Verschiebebahnhof Konzern. Ein Trick ist die Bestandsübertragung, ein anderer der Verkauf von abgeschriebenen Vermögensgegenständen unter Wert an eine andere Konzerngesellschaft. So hat z.B. der Deutsche Ring eine Unternehmensbeteiligung, die etwa 250 Millionen Mark wert war, aber nur noch mit 27 Millionen Mark zu Buche stand, an ihre Muttergesellschaft (Rasier) für 30 Millionen Mark verkauft.

Ein möglicher Veräußerungsgewinn von 223 Millionen Mark, an dem die Versicherten hätten beteiligt werden müssen, wurde so verhindert. Der Bund der Versicherten erstattete Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft unternahm nichts. Sie meinte, Lebensversicherungsunternehmen könnten mit dem aus Versichertengeld gebildeten Vermögen machen, was sie wollen. Es gehöre uneingeschränkt den Gesellschaften. Der Bestandsübertragungs-Trick funktioniert ähnlich, nur werden hier nicht die Vermögensgegenstände im Konzern verschoben, sondern die Lebensversicherten. Sie werden auf eine andere Konzerngesellschaft übertragen, nicht aber das gesamte Vermögen, das aus ihren Geldern entstanden ist. Vor allem mit hohen stillen Reserven behaftete Werte verbleiben bei der alten Gesellschaft und sind für die Lebensversicherten für immer verloren.

Diesen Trick haben bisher der Deutsche Herold, die Volks für sorge, Victoria, Nürnberger und R+V versucht. Gegen alle Bestandsübertragungen, bei denen schätzungsweise fünf Milliarden Mark Versichertengeld verschwunden ist, kämpft der Bund der Versicherten seit vielen Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht – bis Ende 2001 ohne Ergebnis. Die EG- bzw. EU-Kommission hat das Problem der stillen Reserven von Lebensversicherungsunternehmen schon seit Jahren gesehen und den einzelnen Staaten die Möglichkeit eingeräumt, den Gesellschaften die Verbuchung der Kapitalanlagen mit ihren Realwerten zu gestatten (ähnlich wie es in Deutschland für Kapitalanlagegesellschaften vorgeschrieben ist oder wie britische Lebensversicherungsunternehmen mit ihren Kunden abrechnen). Die – für die Versicherten – negativen Folgen der Abschreibungen wären dann nicht mehr gegeben. Die Bundesregierung gab aber gleich zu erkennen, dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen werde – ganz offensichtlich im Interesse der deutschen Lebensversicherungs-Aktiengesellschaften.

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