Das Recht hat die merkwürdige Eigenschaft, dass man es behalten kann, ohne es zu haben.
(Joseph Unger)
Gesetzliche Grundlagen: Wo das Kleingedruckte steht
In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) findet sich das oft umstrittene Kleingedruckte: Darin legt die Versicherung die gedeckten Gefahren genau fest. Dies ist die Voraussetzung für die Kalkulation der Beiträge. Neben dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) bilden die AVB die Grundlage jeder abgeschlossenen Versicherung, denn sie enthalten zugleich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es gibt verschiedene AVB für die einzelnen Sparten, die sogenannten besonderen Bedingungen. Die AVB sind im Grunde nicht mehr als vorformulierte Vertragsbedingungen. Sie sollen den Vertragsschluss vereinfachen. Nebenabsprachen sind zulässig. Sie müssen aber schriftlich getroffen werden. Der Versicherte sollte vor allem auf die Ausschlüsse achten. Die Versicherungsbedingungen sind allerdings immer noch umständlich und unverständlich formuliert. Sogar die an sich einfache Hausratversicherung zeichnet sich bei den meisten Versicherungen durch unverständliche Anträge aus, hat die Stiftung Warentest herausgefunden.
Der Vertragsabschluss: Schummeln gilt nicht
Zu einem Versicherungsabschluss ist leicht zu kommen, manch einer kommt – dank der Vertreterkünste – sogar schneller dazu, als ihm lieb ist. Die Geschichte eines Versicherungsvertrages beginnt mit einem schriftlichen Antrag. Den Antrag muss der Versicherte wahrheitsgemäß und vollständig ausfüllen, sonst verstößt er gegen seine vorvertragliche Anzeigepflicht nach Paragraph 16 VVG, nach der er alle für die Übernahme der Gefahr erheblichen Umstände anzuzeigen hat. Immer wieder füllen Vermittler die Anträge für den Kunden falsch oder ungenau aus. Damit tun sie ihm aber keinen Gefallen, sondern können seinen Versicherungsschutz gefährden – auch noch Jahre später. Dies gilt besonders für Gesundheitsrisiken und Vorschäden, die bereits vor Vertragsabschluss eingetreten waren. In einigen Sparten gibt es daher Wartezeiten, in denen der Kunde zwar Beiträge zahlt, aber nicht versichert ist.
Bindungsfrist. Der Versicherte ist nach Unterschreiben des Antrags eine bestimmte Zeit an ihn gebunden. Diese Spanne richtet sich danach, bis wann er den Eingang der Antwort des Versicherers erwarten kann. Für Hausrat- und Gebäudeversicherung gelten 14 Tage Bindungsfrist, für Privathaftpflicht-, Rechtsschutz-, Kasko-oder Unfallversicherung ist es ein Monat, und bei Kranken- oder Lebensversicherung kann sich die Versicherung sechs Wochen Zeit lassen. Der Antrag ist damit schon der halbe Vertrag: Der Versicherer braucht nur ja zu sagen, dann ist der Vertrag gültig.
Informationspflichten. Die Versicherer müssen dem Versicherten bei Antragstellung eine Kundeninformation über alle für das Versicherungsverhältnis maßgeblichen Tatsachen sowie seine Rechte und Pflichten aushändigen. Paragraph 10 a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) schreibt eine vollständige, übersichtliche und vor allem verständliche Information des Versicherten vor. Zusätzlich werden die Versicherten nun informiert:
– über den Versicherungsvertrag: Laufzeit; Name, Anschrift und Rechtsform des Versicherers; Versicherungsbedingungen; Prämienhöhe; Antragsbindefrist und das auf den Vertrag anwendbare Recht: Dies kann deutsches oder ausländisches Recht sein. Bei der Lebensversicherung muss der Kunde über die Rückkaufswerte bei vorzeitiger Kündigung in den ersten fünf Jahren informiert werden. Wenn er kündigt, erhält er den Rückkaufswert minus Stornogebühr, die jedoch vertraglich vereinbart und angemessen sein muss. Zusätzlich wird der Kunde vor Vertragsabschluss über die Überschussbeteiligung, ihre Berechnung und die wichtigsten steuerlichen Regelungen informiert. Während der Laufzeit muss er jährlich über die Höhe der Überschussbeteiligung informiert werden. In der Krankenversicherung muss der Kunde über den voraus-sichtlichen Verlauf der Prämienentwicklung bis zum 80. Lebensjahr informiert werden. Diese Rechnung muss die Erfahrung der vergangenen 20 Jahre und das Verhältnis von Prämie und Einkommensentwicklung berücksichtigen.
– über das Recht zum Widerruf des Antrags: Der Versicherte kann binnen 14 Tagen nach Zugang aller erforderlichen Vertragsunterlagen den Antrag widerrufen. Er kann außerdem innerhalb eines Jahres vom bereits geschlossenen Vertrag zurücktreten. Der Grund kann beispielsweise sein, dass dem Kunden die Versicherungsbedingungen nicht ausgehändigt wurden oder dass die vorgeschriebene Verbraucherinformation nicht stattgefunden hat. Oft allerdings bekommt der Kunde vorläufigen Versicherungs-schutz, zum Beispiel in der Lebens-, Unfall- oder Sachversicherung. Dann kann vereinbart werden, dass der Versicherte auf die Unterlagen zunächst verzichtet. Die Dokumente müssen aber spätestens mit der Police nachgereicht werden.
Wichtig: Nicht der Eingang beim Unternehmen, sondern die Absendung des Widerspruchs ist für die Reue-Frist maßgeblich. Nur in der Kfz- Haftpflichtversicherung bekommt der Kunde sofort Versicherungsschutz und hat daher kein Widerrufsrecht.
– über die Anschrift der für Beschwerden zuständigen Aufsichtsbehörde: Dies ist in Deutschland das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, Graurheindorfer Str. 108, 53117 Bonn. Allerdings verbuchten die Versicherer bei der Umsetzung der EU- Richtlinie einen Lobby-Erfolg: Nach Paragraph 5 a des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) dürfen sie die vollständigen Informationen auch erst nach Antragstellung mit der Police verschicken. Der Kunde kann dann 14 Tage lang den Inhalt prüfen, muss aber Widerspruch einlegen, wenn er vom Vertrag zurücktreten will. Wird er unvollständig informiert, kann er bis zu einem Jahr nach Überweisung der ersten Prämie vom Vertrag zurücktreten. Viele Versicherer arbeiten daher mit der Quittungslösung: Der Kunde soll schon bei Antragstellung unterschreiben, dass er die Informationen erhalten hat. Denn der Versicherer ist beweispflichtig für die ausreichende Information des Kunden. Wenn der Kunde unterschreibt, endet sein Widerrufsrecht 14 Tage später (Paragraph 8 VVG).
Die Police. Die Versicherung kommt zustande, wenn der Versicherer ein ausdrückliches Annahmeschreiben oder einen Versicherungsschein schickt, die Police. Darauf sollte der Versicherte noch einmal einen genaueren Blick werfen, ob die Police auch mit dem Antrag übereinstimmt. Der Versicherer muss auf Änderungen und die Rechtsfolgen des unterlassenen Widerspruchs (nämlich die Gültigkeit, wenn nicht widersprochen wird) ausdrücklich hinweisen. Der Versicherte kann innerhalb eines Monats widersprechen.
Versicherungsbeginn. Die Versicherung beginnt im allgemeinen mit der Zahlung des ersten Beitrags, mit dem der Versicherungsschein eingelöst wird. Die Beiträge müssen jährlich im voraus bezahlt werden. Wenn monatliche, viertel- oder halbjährliche Zahlung vereinbart wird, müssen meist Aufschläge bezahlt werden.
Während der Laufzeit: Der Kunde in der Pflicht
Mit Beginn des Vertrages ist der Spaß vorbei: Der Versicherer muss im Schadenfall zahlen. Dafür erlegt er dem Kunden eine Menge Pflichten auf. Verletzt der Versicherte oder der Geschädigte vorsätzlich oder grob fahrlässig diese Pflichten, kann der Versicherer seine Leistung reduzieren oder gar gänzlich verweigern.
Beitragspflicht. Der Versicherte muss die fälligen Beiträge zahlen, sonst kann der Versicherungsschutz verlorengehen. Die Versicherung mahnt nicht gezahlte Beiträge schnell an. Die Versicherungsdeckung geht oft erst mit dem Ende der Mahnfrist verloren.
Anzeigepflichten. Die Anzeigepflichten des Versicherten bestehen zum einen aus der Veränderungsanzeige bei der Schadenversicherung. Wenn beim Versicherten nach Antragstellung eine Gefahrerhöhung eintritt, muss der Versicherer informiert werden. Ein Beispiel ist die Hausratversicherung, bei der der Versicherte den Versicherer über eine mehrmonatige Abwesenheit unterrichten muss. Bei der Unfallversicherung muss die Ausübung gefährlicher Sportarten genehmigt werden. Die andere Pflicht ist die Veräußerungsanzeige beim Verkauf einer Sache. In der Schaden- und teilweise auch in der Haftpflichtversicherung muss der Veräußerer oder der Erwerber einer Sache die Veräußerung dem Versicherer unverzüglich anzeigen.
Abwendungs- und Minderungspflicht. Der Versicherte und der Geschädigte müssen alles tun, um den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Bei einem Brand muss die Feuerwehr alarmiert werden, beim Löschen geholfen werden, bei Haftpflichtschäden müssen Beweise gesichert werden. Alle Kosten, die zur Schadenminderung entstehen, werden von der Versicherung übernommen.