Wartezeiten beim Krankengymnasten
nächtliche Beruhigungsmaßnahmen, pauschalierter hauswirtschaftlicher Pflegemehrbedarf
Sachverhalt: Streitig ist die Einstufung der Klägerin in die Pflegestufe 3 in der Zeit vom 1.4.1995 bis zum 3.11.1997. Für die Folgezeit ist diese Pflegestufe von der Beklagten anerkannt. Die Klägerin ist im Mai 1991 geboren und leidet seit ihrer Geburt unter geistigen und körperlichen Entwicklungsstörungen. Während die Klage abgewiesen wurde, hatte die Klägerin mit der Berufung Erfolg. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) ist der Zustand der Klägerin dadurch bestimmt, dass sie nicht kommunizieren, selbstständig essen, sich sauberhalten und anziehen kann. Sie kann Gefahren nicht einschätzen, geht nicht zielgerichtet und nur unsicher. Das LSG hat den Zeitaufwand allein für die Hilfe beim Gehen auf täglich mindestens 60 Minuten geschätzt. Nächtlichen Hilfebedarf hat es darin gesehen, dass die Klägerin wegen Unruhe und Umtriebigkeit regelmäßig von ihrer Mutter beruhigt werden muss.
Insgesamt ermittelte das LSG einen Pflegemehrbedarf im Vergleich zu einem gesunden gleichaltrigen Kind im Bereich der Grundpflege von 287 bis 330 Minuten täglich und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von mindestens 60 Minuten täglich vor allem dadurch, dass vermehrter Wäscheanfall gegeben ist. Mit der Revision erhebt die Beklagte die Rüge der fehlerhaften Sachverhaltsaufklärung, des Verstoßes gegen Beweisgrundsätze bei der Ermittlung des tatsächlichen Pflegeaufwands und die Verletzung materiellen Rechts: Das LSG habe insbesondere den Zeitaufwand für die Hilfe beim Gehen nur auf im Zusammenhang mit sonstigen Verrichtungen stehende Bewegungen beschränken müssen. Die nächtlichen Beruhigungsmaßnahmen der Mutter könnten nicht als Pflegeleistungen berücksichtigt werden.
Entscheidung:
Auf die Revision der Beklagten wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen. Der Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung ist nicht rechtsfehlerfrei ermittelt worden. Die Hilfe beim Gehen kann nur im Zusammenhang mit den sonstigen notwendigen Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens berücksichtigt werden. Die Wartezeiten beim Krankengymnasten sind hingegen als Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung einzubeziehen. Die Art der nächtlichen Beruhigungsmaßnahmen ist näher festzustellen, weil nur Hilfen beim (erneuten) Zu-Bett-Gehen berücksichtigt werden können. Der hauswirtschaftliche Pflegemehrbedarf darf nicht pauschal mit 60 Minuten zugrunde gelegt werden. (Bundessozialgericht, 29.04.1999 / SG Wiesbaden – S 2 P 1098/95 / Hessisches LSG – I 14 P 1335/96 – B 3 P 7/98 R)