a) Vorbetrachtung
Die Lebenserwartung der Bevölkerung in Deutschland ist permanent gestiegen, sodass eine große Zunahme der über 75-Jährigen zu verzeichnen ist. Personen ab diesem Alter sind in erhöhtem Maße vom Risiko der Pflegebedürftigkeit betroffen. Diese Situation machte eine Pflegepflichtversicherung dringend erforderlich. Am 1. Januar 1995 trat das Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege- Versicherungsgesetz) in Kraft, das für große Bevölkerungsteile die Pflegepflichtversicherung brachte.
Träger der Pflegepflichtversicherung sind die soziale Pflegeversicherung und private Versicherungsunternehmen.
b) Begriff der Pflegebedürftigkeit
Versicherungsfall ist die Pflegebedürftigkeit einer versicherten Person.
Pflegebedürftig sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate,… in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen.
Diese Definition entspricht im Kern dem im Sozialgesetzbuch XI definierten Begriff der Pflegebedürftigkeit.
Krankheiten und Behinderungen im Sinne des Sozialgesetzbuches sind:
• Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und
Bewegungsapparat;
• Funktionsstörungen der inneren Organe oder Sinnesorgane;
• Störungen des Zentralnervensystems wie Antriebs-, Gedächtnis- oder
Orientierungsstörungen sowie endogene Psychosen oder Neurosen oder geistige
Behinderungen.
c) Versicherbare Personen in der privaten Pflegepflichtversicherung
Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass grundsätzlich Pflege- und Krankenversicherung bei demselben VR bestehen sollen, um Kompetenzstreitigkeiten zu vermeiden. In der Pflegepflichtversicherung gilt deshalb der Grundsatz Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung. Von diesem Grundprinzip ist teilweise durch die Einräumung von Befreiungs- und Wahlmöglichkeiten abgewichen worden.
Im Einzelnen gilt:
• Versicherungspflichtige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind
zugleich in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Sie scheiden
daher als potenzielle Kunden für die private Pflegepflichtversicherung aus.
Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung besteht auch noch für im
Gesetz näher bezeichnete sonstige Personen, wie z.B. bestimmte
Versorgungsempfänger, Soldaten auf Zeit. Hat ein Zeitsoldat allerdings eine private
Anwartschaftsversicherung, muss nach dem Grundsatz Pflegeversicherung folgt
Krankenversicherung ein privater Pflegeversicherungsvertrag abgeschlossen
werden.
• Freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind grundsätzlich
ebenfalls in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Auf Antrag
können sie jedoch befreit werden, wenn sie nachweisen, dass für sie und ggf. ihre
Familienangehörigen bei einem privaten Versicherungsunternehmen eine
gleichwertige Pflegeversicherung besteht.
Die Befreiung kann von Personen, die nach dem 1. Januar 1995 freiwilliges Mitglied der GKV geworden sind, nur innerhalb von drei Monaten beantragt werden und wirkt dann ab Beginn der Versicherungspflicht.
Zu den freiwilligen Mitgliedern der GKV gehören vor allem Angestellte und Arbeiter, deren Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung dadurch fortgefallen ist, dass ihr Jahresarbeitsentgelt die Versicherungspflichtgrenze überstiegen hat. Dieser Personenkreis kommt daher sowohl für eine private Krankenversicherung als auch eine private Pflegepflichtversicherung infrage.
• Personen, die bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert
sind und Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen haben (also keine bloße
Krankenhaustagegeld-, Reisekranken- oder Zusatzversicherung unterhalten), sind
verpflichtet, eine private Pflegepflichtversicherung abzuschließen und
aufrechtzuerhalten. Durch diese Regelung wird der überwiegende Teil der privat
versicherten Personen von der Pflegepflichtversicherung erfasst.
Der versicherungspflichtig Gewordene kann die private Pflegepflichtversicherung auch bei einem anderen privaten Versicherungsunternehmen abschließen. Das Wahlrecht ist innerhalb von sechs Monaten auszuüben, wobei die Frist mit dem Eintritt der individuellen Versicherungspflicht beginnt.
• Beihilfeberechtigte Personen (z.B. Beamte), die nicht zugleich freiwillige Mitglieder
der gesetzlichen Krankenversicherung sind, sind zum Abschluss einer anteiligen
beihilfekonformen Pflegepflichtversicherung bei einem privaten VR verpflichtet.
Regelmäßig unterhält dieser Personenkreis auch eine private Krankenversicherung
nach dem Quotentarif, der die nicht durch Beihilfe gedeckten Krankheitskosten
versichert.
Sofern die beihilfeberechtigte Person freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, kommen die für diesen Personenkreis geltenden Bestimmungen zur Anwendung (Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung oder Befreiung hiervon bei Nachweis einer entsprechenden privaten Pflegepflichtversicherung).
• Personen, die weder gesetzlich noch privat krankenversichert sind, unterliegen
nicht der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung. Sie kommen daher
ebenfalls als potenzielle Kunden für die privaten Anbieter infrage.
Da ab 1. Januar 2009 Versicherungspflicht für alle Personen besteht, wird ab diesem Zeitpunkt eine Person entweder in der sozialen oder der privaten Pflegepflichtversicherung versichert sein.
d) Gesetzliche Regelungen für die private Pflegepflichtversicherung
Die Pflegepflichtversicherung wird von allen PKV-Unternehmen betrieben, die eine Krankheitskostenversicherung anbieten. Um die Belange der versicherungspflichtigen Personen sicherzustellen, hat der Gesetzgeber für alle Verträge, die nach der Einführung der Pflegepflichtversicherung am 01. Januar 1995 abgeschlossen werden, folgende Bedingungen festgelegt:
• Kontrahierungszwang
Anträge auf Abschluss einer Pflegeversicherung von versicherungspflichtigen Personen dürfen nicht zurückgewiesen werden.
• kein Ausschluss von Vorerkrankungen der Versicherten
• keine Staffelung der Beiträge nach Geschlecht Risikozuschläge sind in der privaten
Pflegepflichtversicherung erlaubt.
• keine längeren Wartezeiten als in der sozialen Pflegeversicherung
• keine Beitragshöhe, die den Höchstbetrag der sozialen Pflegeversicherung
übersteigt
Diese Bestimmung gilt allerdings nur, wenn der VN über eine Vorversicherungszeit von mindestens fünf Jahren in der privaten Pflegeversicherung oder privaten Krankenversicherung verfügt.
• beitragsfreie Mitversicherung der Kinder des VN
Für die beitragsfreie Mitversicherung gelten dieselben Voraussetzungen wie in der Familienversicherung im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung.
Rücktritts- und Kündigungsrechte des VR sind ausgeschlossen, solange der Kontrahierungszwang besteht. Der VR kann z. B. nicht kündigen, wenn der VN mit der Beitragszahlung in Verzug ist. VN mit einem Rückstand von 6 Monatsbeiträgen sind zu melden.
Der Gesetzgeber hat durch eine Bußgeldvorschrift die Möglichkeit geschaffen, den VN zur Erfüllung seiner Vertragspflichten und damit zur Aufrechterhaltung seines Versicherungsschutzes anzuhalten. Diese Bußgeldvorschrift hat Einzug in die MB/PPV 96 gefunden (Bußgeld bis zu 2 500,00 € durch die zuständige Verwaltungsbehörde).
e) Beiträge
Die Beiträge in der privaten Pflegepflichtversicherung richten sich nicht nach dem Einkommen, wie in der sozialen Pflegeversicherung, sondern werden risikogerecht kalkuliert und sind nach dem Alter gestaffelt, wobei die vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen beachtet werden müssen.
Aus Teilen der Beiträge wird eine Rückstellung für das steigende Pflegerisiko im Alter gebildet
•Tarifstufen
Folgende Tarifstufen werden in der privaten Pflegepflichtversicherung unterschieden:
-Tarif PVN: Tarif für nicht beihilfeberechtigte Personen
-Tarif PVB: Tarif für Personen mit Beihilfeanspruch
•Höchstbeiträge
In der privaten Pflegepflichtversicherung sind Höchstbeiträge zu beachten, die der Gesetzgeber festgelegt hat. Diese werden von der Jahresarbeitsentgeltgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung abgeleitet.
Als Höchstbeiträge bei einem Beitragssatz von 1,7 % gelten ab 1. Januar 2008:
Tarifstufe | alte und neue Bundesländer |
PVN | 61,20 € |
PVB | 24,48 € |
Der Höchstbeitrag in der Tarifstufe PVN entspricht dem Höchstbeitrag der sozialen Pflegeversicherung (1,7 % aus der Beitragsbemessungsgrenze bzw. 1,95 % für Kinderlose, ab 1. Jul 2008 voraussichtlich 1,95 % bzw. 2,2 %). In der Tarifstufe PVB ist der Höchstbeitrag auf 40 % des Höchstbeitrages in der sozialen Pflegeversicherung begrenzt.
Anspruch auf den jeweiligen Höchstbeitrag haben alle Versicherten, für die zum Einführungstermin der Pflegepflichtversicherung am 01. Januar 1995 eine Versicherung mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen bestanden hat, ferner alle Personen, die zum 01. Januar 1995 Anspruch auf Beihilfe bzw. freie Heilfürsorge hatten.
Sofern die private Pflegepflichtversicherung erst nach dem 01. Januar 1995 abgeschlossen wurde, gilt die Begrenzung auf den Höchstbeitrag erst, wenn der VN eine Vorversicherungszeit von mindestens fünf Jahren in der privaten Pflege- oder Krankenversicherung nachweisen kann. Ggf. ist also bis zum Ablauf von fünf Jahren ein über dem Höchstbeitrag liegender Beitrag gemäß Tarif zu zahlen.
– Ehegattenhöchstbetrag
Für Ehepaare gilt ein Ehegattenhöchstbeitrag (Beitragsbegrenzung für Ehegatten), der auf 150 % des Gesamtbeitrages für beide Ehegatten limitiert ist. Der Höchstbeitrag beträgt ab 1. Januar 2008 bei einem Beitragssatz von 1,7 %:
Tarifstufe | alte und neue Bundesländer |
PVN | 91,80 € |
PVB | 36,72 € |
Anspruch auf den Ehegattenhöchstbeitrag haben Ehepaare, die beide privat pflegepflichtversichert sind und bei denen ein Ehepartner kein Einkommen bezieht, das die Geringfügigkeitsgrenze (2008: 355,00 €) übersteigt. Bei geringfügig Beschäftigten (auch im Privathaushalt) gilt die Grenze von 400,00 €.
Der VR ist unverzüglich zu informieren, wenn die Geringfügigkeitsgrenze durch weiteres Einkommen überstiegen wird. Unabhängig davon kann der VR Nachweise bzw. eine Erklärung verlangen, dass die Voraussetzungen der Beitragsbegrenzung für Ehegatten noch gegeben sind.
Die Höchstbeiträge und den Ehegattenhöchstbeitrag haben alle Versicherten ab dem von der privaten Versicherungswirtschaft kalkulierten Grenzalter von rund 59 Jahren zu entrichten. Die jüngeren Versicherten zahlen entsprechend ihrem geringeren Versichertenrisiko niedriger Beiträge.
– Beitragsfreie Mitversicherung von Kindern
Kinder sind bis zum 18. Lebensjahr beitragsfrei in der privaten Pflegepflichtversicherung mitversichert, wenn mindestens ein Elternteil privat pflegepflichtversichert ist und das Kind keine eigenen Einkünfte bezieht, die die Geringfügigkeitsgrenze übersteigen. Die Beitragsfreiheit gilt bis zum 25. Lebensjahr, sofern das Kind noch in der Schul- oder Berufsausbildung steht.
Arbeitnehmer, die eine private Pflegepflichtversicherung abgeschlossen haben, erhalten von ihrem Arbeitgeber auf Antrag einen Beitragszuschuss, der dem Arbeitgeberanteil für einen Pflichtversicherten, höchstens jedoch 50 Prozent des zu zahlenden Beitrages, entspricht.
Im Jahr 2008 beträgt der Arbeitgeberzuschuss höchstens 30,60 €.
In Sachsen gilt ein anderer Höchstbetrag für den Arbeitgeberzuschuss, da der Arbeitnehmer 1,35 Prozentpunkte und der Arbeitgeber 0,35 Prozentpunkte vom Beitragssatz von 1,7 % trägt.
In der sozialen Pflegeversicherung beträgt der Beitragssatz seit dem 01. Juli 1996 bundeseinheitlich 1,7 %. Der Beitrag wird vom Einkommen, max. von der Beitragsbemessungsgrenze in der GKV, berechnet. Ab 1. Juli 2008 soll er auf 1,95 % steigen.
Durch das Kinder-Berücksichtigungsgesetz (KiBG) müssen seit dem 1. Januar 2005 kinderlose Mitglieder ab Vollendung des 23. Lebensjahres einen um 0,25 Prozentpunkte höheren Beitragssatz zahlen (also 1,95 %}. Kinderlose Mitglieder, die vor dem 1. Januar 1940 geboren sind und Bezieher von Arbeitslosengeld II sind von diesem Zuschlag ausgenommen. Der Beitragszuschlag wird vom Mitglied alleine getragen, eine Beteiligung des Arbeitgebers findet nicht statt. Für die lebenslange Befreiung von diesem Zuschlag ist bereits ein Kind ausreichend. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Kind noch bei den Eltern lebt oder nicht. Der Zusatzbeitrag von 0,25 Prozentpunkten ist für die private Pflegepflichtversicherung nicht zu entrichten.