Im Folgenden sollen die Marktanteile und Entwicklungsperspektiven der gängigsten Vertriebswege im Vergleich dargestellt werden. Konkret werden betrachtet: •
• Direktvertrieb,
• Ausschließlichkeitsorganisationen,
• Makler,
• Bancassurance.
Genaue Zahlen über die auf die einzelnen Vertriebswege entfallenden Marktanteile sind nur schwer zu finden, da es keinen einheitlichen Maßstab gibt, nach dem diese Marktanteile ermittelt werden. Möglich sind Vergleiche auf Basis der in einem Geschäftsjahr geschriebenen Neuverträge oder der Zahl der verwalteten Bestandsverträge, alternativ kann auch die Beitragshöhe oder die versicherte Summe als Maßstab herangezogen werden. Zusätzlich erschwert werden Vergleiche durch gewisse Affinitäten einzelner Vertriebswege für bestimmte Versicherungssparten.
Dennoch lässt sich aus der Vielzahl an statistischen Erhebungen herauslesen, dass Ausschließlichkeitsorganisationen einen Marktanteil von etwa 50% haben, jeweils 20% entfallen auf Makler und Bancassurance, 5% auf den Direktvertrieb und weitere 5% auf alle übrigen Vertriebswege. Dabei gilt:
• Der Marktanteil des Direktvertriebs ist stark abhängig von der Versicherungssparte bzw. dem Versicherungsprodukt. Einen deutlich über 5% liegenden Marktanteil erzielt der Direktvertrieb nur bei einfachen Standardprodukten, wie der Risikolebensversicherung, der Auslandsreisekrankenversicherung oder der Kfz-Haftpflichtversicherung. In anderen Bereichen spielt er hingegen kaum eine Rolle, wie etwa bei Krankheitskostenvollversicherungen oder im gewerblichen Bereich.
• Im Direktvertrieb hat das Internet in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen, der Marktanteil insgesamt ist davon jedoch fast unberührt geblieben. Entgegen vielen Voraussagen bleibt der Direktvertrieb damit bislang eher eine Randerscheinung.
• Die Ausschließlichkeitsorganisationen beherrschen vor allem das Privatkundengeschäft im Personenversicherungsbereich, insbesondere bei komplizierten Krankheitskostenvollversicherungen oder kapitalbildenden Lebensversicherungen. Dies lässt sich weitgehend auf den immateriellen Charakter und den hohen Erklärungsbedarf von Versicherungsprodukten aus Sicht vieler Privatkunden zurückführen, der eine persönliche Beratung durch einen vertrauenswürdigen Vertreter des Versicherungsunternehmens erfordert.
• Unabhängige Makler haben ihre Hauptstärken im anspruchsvollen Privatkundengeschäft sowie im gewerblichen Bereich. Standardprodukte der Schaden- und Unfallversicherung im Privatkundenbereich (Haftpflicht, Hausrat etc.) erscheinen aus Vergütungssicht häufig unattraktiv.
• Problematisch, speziell bei der Bancassurance, erweist sich die oftmals zu beobachtende Konkurrenz zu vergleichbaren Vorsorgeprodukten des eigenen Hauses. Altersvorsorge kann beispielsweise mit einer privaten Rentenversicherung, alternativ aber auch über Banksparpläne oder Investmentprodukte bewerkstelligt werden. Kooperiert die Bank zusätzlich noch mit Bausparkassen oder Kapitalanlagegesellschaften, wird der Interessenkonflikt weiter verschärft.
Aufbauend auf Trends der jüngeren Vergangenheit und den allgemeinen Stärke- und Schwächeprofilen der einzelnen Vertriebswege lassen sich grobe Prognosen für die weitere Entwicklung gewinnen. Inwieweit diese Prognosen die tatsächliche Entwicklung Vorhersagen, hängt dabei freilich immer von unvorhersehbaren Einzelentwicklungen im gesetzlichen Umfeld ab, etwa in Fragen der Rechtsverbindlichkeit elektronischer Unterschriften oder der langfristigen Auswirkungen der EU-Vermittlerrichtlinie.
Hauptstärken und -schwächen einzelner Vertriebswege aus Sieht des Versicherungsnehmers
Vertriebsweg | Hauptstärken aus Sicht des Versicherungsnehmers | Hauptschwächen aus Sicht des Versicherungsnehmers |
Direktvertrieb | Niedrige Kosten | Geringe Beratungsintensität |
Ausschließlichkeits organisationen | Hohe Fachkompetenz, Möglichkeit des persönlichen Kontaktes | Beschränkung auf Produkte eines Versicherungsunternehmens (Glaubwürdigkeit) |
Makler | Marktüberblick und Beschaffungscharakter, dadurch hohe Glaubwürdigkeit | Abhängigkeit von Versicherern durch Courtagevergütung |
Bancassurance | Allfinanzcharakter, teilweise auch Kostenvorteile | Interessenkonflikte mit Bankprodukten |
Folgende Thesen zur weiteren Entwicklung des Vertriebswegemix der deutschen Versicherungswirtschaft finden sich daher in der Literatur:
• Direkt vertrieb: Leichte Zunahme des Marktanteils, der große Durchbruch bleibt aber weiterhin versagt. Hauptgründe: zunehmendes Preisbewusstsein beim Verbraucher, gutes Abschneiden vieler Direktversicherer bei Testvergleichen (Produktratings).
• Ausschließlichkeitsorganisationen: Leichte Abnahme des Marktanteils, die Ausschließlichkeit bleibt aber dominierend. Hauptgründe: persönliche Beratung, komplizierter und immaterieller Produktcharakter und daraus resultierende Ratlosigkeit vieler Verbraucher.
• Makler: Leichte Zunahme des Marktanteils. Hauptgründe: Glaubwürdigkeitsproblem der Ausschließlichkeit, breitere Produktauswahl, Trend hin zu umfassenden Finanzberatern.
• Bancassurance: Eher stagnierender Marktanteil. Hauptgründe: Trotz ihres an sich attraktiven Allfinanzcharakters nehmen Bankkunden die Bank eher als Geldverwalter und -anleger und weniger als Risikovorsorgeinstrument wahr.