Begutachtungsverfahren der Pflegeversicherung
Zahlreiche Missverständnisse bestehen hinsichtlich der Frage, wer eigentlich wirklich über die Pflegestufe entscheidet. Diese wird unter anderem von den Beteiligten selbst erzeugt. Allzu oft erklärt der Gutachter, die Pflegeversicherung würde über die Pflegestufe entscheiden, während gleichzeitig der Sachbearbeiter der Pflegeversicherung erklärt, der Gutachter hätte (leider) so und so entschieden. Wie aber funktioniert es wirklich? Rein technisch gesehen liegen die Dinge so:
Der Gutachter ist normalerweise die einzige Person, die den Versicherten in natura sieht. Da ja für die Pflegeversicherung die Grunderkrankungen nicht von vornherein einen Hilfebedarf begründen, sondern vielmehr die realen Auswirkungen der Krankheiten im Alltag, müssen natürlich der Alltag und die Probleme des Versicherten mit seinem Alltag besichtigt werden, um eine sachgerechte Aussage machen zu können. Das bedeutet, dass der Gutachter die einzig profunde Aussage in diesem Verfahren machen kann. Genau deshalb wird er schließlich von der Pflegekasse beauftragt. Die Entscheidung über die Pflegestufe trifft er allerdings, rein juristisch betrachtet, nicht.
Der Sachbearbeiter der Pflegeversicherung erhält das Gutachten und liest es sorgfältig durch. Fallen ihm Widersprüche auf oder wirft das Gutachten andere Fragen auf, so hält er Rücksprache mit dem Gutachter. Dann trifft der Sachbearbeiter seine Entscheidung. Die Pflegeversicherung ist nämlich Herr des Verfahrens, nach dem Grundsatz: Wer zahlt, bestimmt auch.
Vom juristischen Standpunkt aus entscheidet also die Pflegeversicherung über die Pflegestufe. Praktisch kommt es aber außerordentlich selten vor, dass vom Votum des Gutachters abgewichen wird. Der Gutachter ist schließlich der Einzige, der den Versicherten in seinem Umfeld gesehen hat. Die Dinge laufen ein wenig ab wie vor Gericht, wo der Gutachter auch ganz entscheidenden Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens hat. Bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit ist der Einfluss des Gutachters jedoch noch größer.
So kommt es, dass im Konfliktfall leicht jede Partei – der Gutachter wie der Sachbearbeiter – seine Beteiligung am Verfahren eher als bescheiden darstellt und die Bedeutung desjenigen, der gerade nicht in der Nähe ist, als bestimmend einordnet. Der Grund ist nahe liegend: Der Gutachter möchte sich fruchtlose Debatten mit Angehörigen und Versicherten ersparen, da er aus seiner Sicht nichts ändern kann. Erklärungen zur Pflegestufe führen in aller Regel zu globalen Streitigkeiten über die Rechtfertigung der Minutenwerte und die fehlende Berücksichtigung verschiedener Tätigkeiten, die im Gesetz nicht benannt wurden. Der Gutachter wäre nur der Überbringer der schlechten Botschaft, aber nicht der Verursacher. Er möchte nach Kräften vermeiden, für die politisch motivierten Schwächen des Pflegeversicherungsgesetzes persönlich verantwortlich gemacht zu werden, und das womöglich bei jedem einzelnen Besuch.
Da das auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) so sieht, ist der Gutachter von jeder Verpflichtung befreit, die Pflegestufe bekannt zu geben. Fairerweise muss aber auch erwähnt werden, dass der Gutachter ziemlich oft am Ende des Besuchs noch nicht völlig sicher ist, welche Pflegestufe er empfehlen wird. Nach dem Besuch wird er, manchmal am selben Tag, manchmal in den nächsten Tagen, das endgültige Gutachten erstellen. Dabei fallen sehr off übersehene Details oder kleinere Unstimmigkeiten auf, die bei Grenzfällen durchaus einen Unterschied machen können.
Für den Sachbearbeiter wiederum ist es ein Leichtes, sich hinter dem Votum des Gutachters zurückzuziehen und sich völlig vom Gutachten abhängig zu machen. Ganz falsch ist dies zwar nicht, jedoch ist auch der Sachbearbeiter verpflichtet, womöglich vorhandene Informationen aus anderen Quellen zu seiner persönlichen Urteilsfindung heranzuziehen. Letzten Endes wird nämlich immer die Pflegeversicherung verklagt, nie der MDK oder der Gutachter.
Sinn und Zweck der Begutachtung
Bevor die Pflegeversicherung eingeführt wurde, waren Pflegestufen allein im Altenheim von Interesse. Bei der Beurteilung spielte der Hausarzt eine wichtige Rolle. Das sollte nun anders werden. Im Vordergrund stand für die Schöpfer des Gesetzes, dass die Einstufung durch eine absolut objektive Instanz vorgenommen werden sollte. Das heißt: Die Krankenkassen sollten nicht selbst über die Zuteilung der Gelder befinden. Die Pflegeeinstufung soll unbeeinflusst von wirtschaftlichen Zwängen des Auftraggebers erfolgen. Der Hausarzt sollte nicht unkontrolliert im Einvernehmen mit dem Patienten die Pflegestufe ermitteln. Hier wollten die Kassen unliebsame Erfahrungen in anderen Bereichen nicht wiederholt wissen. Vor allem aber geht es um Pflege, der Hausarzt befindet auf Grund seiner Ausbildung von der Erkrankung her auf die Pflegebedürftigkeit. Tatsächlich sollte aber die wirkliche Notwendigkeit auf Pflege im Alltag das entscheidende Element sein.
Beispielsweise kann ein Mensch an Alzheimer erkrankt sein, dabei aber noch ziemlich genau wissen, wie er sich eine Mahlzeit zubereitet. Ein anderer Mensch mit der gleichen Erkrankung wird womöglich nicht einmal mehr wissen, was eine Gabel ist. Diese tatsächliche Auswirkung im Alltag ist das Entscheidende. Als objektive Instanz wurde daher per Gesetz der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) festgelegt.
Die Art und Weise der Begutachtung stellt einen Kompromiss dar. Zum einen soll angesichts der finanziellen Zwänge die Begutachtung nicht übermäßig teuer sein. Angesichts einer finanziellen Leistung von etwas mehr als 200 Euro für Pflegestufe 1 ließ es sich wohl nicht vertreten, eine der üblichen ärztlichen Begutachtungen zur Voraussetzung zu machen. Diese dauern mindestens zwei Stunden, Fachärzte werden konsultiert, und die schriftliche Beurteilung wächst sich schnell zu stattlichen Werken von 20 bis 30 Seiten aus. Der Aufwand wäre somit wesentlich höher gewesen als das Pflegegeld eines Monats. Man besaß also den Anstand, für das Gutachten genauso wenig Geld zu bezahlen wie an den Adressaten der Veranstaltung: den Patienten.
Der MDK und seine Besuchszeiten
Zuerst erhalten Sie einen Brief von Ihrer Pflegeversicherung, in dem angekündigt wird, dass der MDK Sie besuchen wird. Nach einiger Zeit trifft dann ein Brief des MDK ein, in dem der Hausbesuch angekündigt wird. Meist wird für einen bestimmten Tag ein Zeitfenster genannt, etwa von 8 Uhr bis 11 Uhr, um ein Beispiel zu nennen. Die Bemessung des Zeitfensters ist regional sehr unterschiedlich, da dies jede Geschäftsstelle in Eigenregie entscheidet. Es kann ebenso Vorkommen, dass der ganze Tag ohne Zeitangabe genannt wird, wie auch nur eine einzige Stunde angegeben werden kann oder auch alles dazwischen. Bei der tatsächlichen Ankunftszeit verhält es sich ähnlich. Um bei dem oben genannten Beispiel von 8 Uhr bis 11 Uhr zu bleiben, wird es ebenso häufig Vorkommen, dass der Gutachter um Schlag 8 Uhr vor der Tür steht oder eben kurz vor elf. Dies hat seinen Grund zum einen in den Planungsgewohnheiten der jeweiligen Dienststelle des MDK. Nicht selten wird mehreren Versicherten das gleiche Zeitfenster mitgeteilt und dem Gutachter bleibt überlassen, in welcher Reihenfolge er seine Tour abarbeitet. Zum anderen ist die Verkehrssituation in manchen Gegenden des Landes derart katastrophal, dass feste Zeiten nicht mit Sicherheit einzuhalten sind.
Der Begutachtungstermin
Es empfiehlt sich für den Versicherter, nicht allein zu sein, wenn der Gutachter zum Hausbesuch erscheint. Das hat nichts mit Misstrauen gegenüber dem Gutachter zu tun, sondern mit der speziellen Prüfungssituation. Der begutachtete Versicherte ist nervös, aufgeregt und will es möglichst gut machen. Das führt, wie auch sonst bei Prüfungen aller Art, zu hektischen und nicht immer geordneten Gedanken und Äußerungen. Wichtige Details werden vergessen, unwichtige Details über Gebühr in den Vordergrund gestellt, Fehler gemacht. All das kann zu einem etwas verzerrten Bild führen, was in Grenzfällen über die Pflegestufe entscheidet. Daher wird diese Empfehlung oft im Anschreiben des MDK erwähnt.
Nebenbei kommt es durch die Aufregung, die damit verbundene Erhöhung des Blutdruckes und die Ausschüttung aufputschender Hormone im Gehirn zum Phänomen des „guten Tages“. Jedem, der in der Pflege arbeitet, ist das Phänomen bekannt, dass pflegebedürftige Menschen in ihrer Hilfebedürftigkeit nicht absolut gleichmäßig sind, sondern schlechte und gute Tage haben. Abhängig von zahlreichen Faktoren wechseln sich Tage, in denen viel Hilfe notwendig ist, mit Tagen, in denen die Menschen ziemlich „fit“ sind, ab.
So wird in der konkreten Begutachtungssituation der zu Begutachtende oft noch Fähigkeiten aufweisen, über die er an normalen Tagen nicht verfügt. Das können Fähigkeiten aus dem körperbezogenen Spektrum wie das Bücken oder das Gehen sein, aber auch geistige Fähigkeiten, wie das Festhalten kurz zurückliegender Ereignisse im Kurzzeitgedächtnis. Wenn so ein guter Tag bei der Begutachtung stattfindet, wird das der Gutachter nicht immer als außergewöhnlich bemerken, wenn keine anderen Informationsquellen zur Verfügung stehen. Der Versicherte selbst wird in den seltensten Fällen zugeben wollen, dass es ihm an allen anderen Tagen bedeutend schlechter geht.
Insofern ist es wichtig, dass eine weitere Person anwesend ist, die den üblichen Hilfebedarf angeben kann. Dies ist auch im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes, da
der regelmäßige, durchschnittliche Hilfebedarf pro Tag festgestellt werden soll. Der Gutachter wird nicht den guten Tag als Maßstab für Hilfebedarf heranziehen, nach dem Motto „Der beste Tag zählt“; dies wäre nicht rechtmäßig. Er muss aber erfahren, dass es in der Regel schlechtere Tage gibt, in denen der Versicherte mehr Hilfe benötigt, als es sich in der konkreten Begutachtungssituation darstellt.
Wichtig: Gute Vorbereitung auf die Begutachtung
Bei den Begutachtungen kommt es immer wieder zu Problemen, denn sie erfolgen nach engen, einheitlichen Maßgaben und oft unter Zeitdruck. Die Begutachtung ist häufig nicht viel mehr als eine Momentaufnahme, bei der der MD-Mitarbeiter leicht ein falsches Bild von der tatsächlichen Situation eines Pflegebedürftigen erhalten kann. Umso wichtiger ist es, sich auf den Besuch des Gutachters gründlich vorzubereiten, denn von seiner Einschätzung hängt es maßgeblich ab, ob und in welcher Höhe die Pflegekasse Leistungen gewährt.
123Vesicherung rät: Der Pflegebedürftige und auch seine Pflegepersonen sollten sich auf den Besuch des Medizinischen Dienstes vorbereiten und sich Stichpunkte machen, was zur Sprache kommen soll. Es ist sinnvoll, über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen alle Pflegetätigkeiten und die dafür benötigten Zeiten festzuhalten. Pflegetagebücher, wie sie von einigen Kassen angeboten werden, erleichtern diese Arbeit. Auch am Ende dieses Buchs finden Sie ein „Pflegetagebuch“, das bei der korrekten zeitlichen Ermittlung des täglichen pflegerischen und hauswirtschaftlichen Bedarfs wesentlich hilft.
Wenn der MD prüft, sollten alle relevanten Unterlagen und Berichte von Ärzten und Pflegediensten sowie Bescheinigungen anderer Sozialleistungsträger und benötigte Medikamente bereit liegen.
Es ist wichtig, dass die bisherigen Pflegepersonen, ob nun Angehörige oder Profi- Pfleger, anwesend sind, damit auch ihre Erfahrungen berücksichtigt werden können. Wird der Pflegebedürftige bereits durch einen ambulanten Dienst betreut, sollte möglichst auch ein Mitarbeiter des Dienstes bei der Begutachtung dabei sein. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen wissen, dass bei der Begutachtung auch sehr intime Dinge, zum Beispiel zur Körperpflege, abgefragt werden. Vielen Betroffenen ist es peinlich, einem fremden Menschen darüber Auskunft zu geben. Oft kommt es vor, dass sie ihre Situation besser darstellen, als sie wirklich ist („so schlecht geht es mir gar nicht“).
123Vesicherung rät: Es ist deshalb sehr wichtig, die Fragen des Gutachters wahrheitsgemäß zu beantworten. Sonst besteht die Gefahr, dass Pflegebedürftige sich um Leistungen bringen, die ihnen laut Gesetz zustehen. Die Pflegebedürftigen sollten sich weder zu fit noch zu schlapp präsentieren.
Bei verwirrten Pflegebedürftigen können korrekte Angaben zum Hilfebedarf eigentlich nur von der Pflegeperson kommen. Oft fällt es dieser aber schwer, in Gegenwart des Pflegebedürftigen dazu offen Auskunft zu geben. Der Gutachter muss die Pflegeperson aber auch alleine anhören. Wenn dazu zu Hause keine Möglichkeit besteht, kann ein zusätzliches Gespräch, beispielsweise in der MD-Geschäftsstelle, vereinbart werden.
Werden Sie selbst aktiv, wenn Sie merken, dass der Gutachter nicht nach allen relevanten Pflegetätigkeiten fragt. Der MD muss auch feststellen, ob und in welchem Um-fang Maßnahmen zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit einschließlich der medizinischen Rehabilitation geeignet, notwendig und zumutbar sind. Ansprüche auf Leistungen zur ambulanten medizinischen Rehabilitation müssen gegenüber der Krankenkasse (nicht Pflegekasse) geltend gemacht werden.
Das Pflegetagebuch
Der beste Weg, um sich auf eine Begutachtung vorzubereiten, besteht darin, sich über ein paar Tage hinweg den Zeitbedarf bei einzelnen Verrichtungen zu notieren und in Stichworten die dazugehörenden Einzelschritte einer Verrichtung aufzuschreiben. Solche Aufzeichnungen werden als „Pflegetagebuch“ bezeichnet. (Siehe auch das Muster- Tagebuch am Ende des Buches.)
Beispiel für die Eintragung in ein Pflegetagebuch:
Uhrzeit von – bis Dauer (Minuten)
Tätigkeitsablauf in Stichworten:
Aufstehen, Toilettengang, Umziehen, Körperpflege:
Mein Angehöriger meldet sich; bin ihm beim Aufstehen behilflich, begleite ihn auf die Toilette und anschließend ins Bad. Nach dem Aufstehen findet er sich wenig zurecht; muss ihn viel anleiten und ansprechen, damit er wacher wird und mithilft. Setze ihn auf einen Stuhl, muss ihm helfen, die Nachtkleidung auszuziehen; richte Waschutensilien her; gebe sie der Reihe nach und leite ihn an; beim Zähneputzen und Rasieren muss ich manchmal seine Hand führen. Begleite ihn ins Schlafzimmer, richte Tageskleidung her; beaufsichtige ihn beim Anziehen und leite ihn an, wenn er etwas verkehrt macht. Muss ihm helfen, die Knöpfe am Hemd zu schließen.
Frühstücken (Essen):
Beim Frühstücken muss ich ihn immer wieder motivieren und gelegentlich anleiten. Er verwechselt manchmal das Besteck. Wenn ich nicht im Zimmer bin, hört er auf zu essen und sucht nach mir. 9.27-10.01 (34 Min.) Ein Pflegetagebuch kann dem Gutachter bei seinem Besuch ausgehändigt werden. Er muss die Informationen darin aufnehmen und verwerten.
Der Gutachter muss bei Demenzerkrankten den Angaben der Pflegepersonen (zum Beispiel der Angehörigen) neben seiner eigenen Einschätzung einen hohen Stellenwert einräumen. Darüber hinaus wird in den Richtlinien darauf hingewiesen, dass Demenzkranke ihre Selbstständigkeit meist überschätzen und in der Begutachtungssituation oft kompetenter wirken, als sie es tatsächlich sind.
So ist die Definition: „Nach §14 ist pflegebedürftig, wer wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, mindestens für sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf.“
Weiter sind die verschiedenen Krankheiten am Bewegungsapparat, an den inneren Organen oder am Nervensystem definiert. Danach sollten sich die Eintragungen in ein Pflegetagebuch richten. Die angesprochenen Verrichtungen betreffen aus der Grundpflege die Körperpflege (Waschen, Duschen/Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Blasen- und Darmentleerung), Ernährung (mundgerechte Zubereitung und Nahrungsaufnahme) sowie Mobilität (Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen sowie Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung), zusätzlich die üblichen hauswirtschaftlichen Verrichtungen (Einkäufen, Kochen, Putzen, Spülen, Wäscheversorgung und gegebenenfalls das Beheizen).
Häufig gibt es Missverständnisse bei den folgenden Bereichen: Anrechnungsfähig sind nur Pflegezeiten für Verrichtungen, die der Antragsteller selber nicht durchführen kann, entweder wegen fehlender Fähigkeit oder auch wegen fehlender Einsicht. Aufsicht wegen einer möglichen Gefährdung, zum Beispiel bei Epileptikern oder bei Angst vor Hinfallen, sieht das Gesetz nicht vor. Beim Waschen ist die Haarpflege absichtlich oder aus Versehen nicht erwähnt und darf deshalb in der Zeitermittlung für die Pflege nicht erfasst werden.
Bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung zählt nur der Hilfebedarf, welcher für das Zerkleinern oder Portionieren der Mahlzeit erforderlich ist. Beispielsweise ist beim Mittagessen in einem Restaurant die Zeit zu stoppen, die für das Zerkleinern des Fleisches und gegebenenfalls der Kartoffeln benötigt wird. Sie dürfte nie über drei Minuten liegen. Für das Verlassen der Wohnung darf nur der Zeitbedarf berücksichtigt werden, der aus lebenswichtigen Gründen, zum Beispiel für Behördengänge, besonders aber für Arztbesuche oder das Aufsuchen von Therapieeinrichtungen, erforderlich ist. Sinnvolle und notwendige Begleitungen zu Spaziergängen oder Ausfahrten mit einem Rollstuhl fallen nicht unter den im Gesetz erwähnten Hilfebedarf.