Der Bescheid über die Einstufung – Begutachtungsverfahren
Circa drei bis sechs Wochen nach der Begutachtung kommt der Bescheid der Pflegeversicherung ins Haus. Meist steht dort in aller Kürze, welche Pflegestufe nunmehr rückwirkend ab Antragstellung gilt. Das Gutachten selbst erhält der Versicherte in aller Regel nicht zugesandt. Stattdessen enthält der Bescheid einige allgemein gehaltene Floskeln und am Schluss des Schreibens die Rechtsbelehrung. Daraus geht hervor, dass der Versicherte innerhalb einer Frist Widerspruch einlegen kann. Verzichtet der Versicherte innerhalb der Frist auf Einwände, dann wird der Bescheid rechtskräftig.
Wie lange die Pflegestufe gilt, wird im Bescheid meist nicht genannt. Das hat seinen Sinn, denn grundsätzlich hat eine Pflegeeinstufung kein „Verfallsdatum“. Eine Einstufung endet nicht einfach zu einem bestimmten Termin, sondern gilt „bis auf weiteres“. Allerdings kommt es vor, dass der Gutachter unter dem Punkt „Prognose“ die Wahrscheinlichkeit für eine Besserung sieht. In diesem Fall wird er eine neue Begutachtung für den Zeitpunkt empfehlen, an dem wahrscheinlich eine Verminderung in einem Umfang eintritt, die eine Herunterstufung nach sich ziehen könnte. Es steht im Ermessen der Pflegeversicherung, diese Prognose ernst zu nehmen und dann eine Wiederholungsbegutachtung zu veranlassen.
Meist wird sie das tun, eventuell mit einigen Monaten Verzögerung. Bei der neuen Begutachtung stellt der Gutachter in der gleichen Weise fest, wie der Hilfebedarf des Versicherten ist. Das kann in einer Herabstufung enden, muss es aber nicht zwingend, weil die Prognose des Vorgutachters für seine Entscheidung nicht bindend ist. Es ist also keine Auftragsbegutachtung mit der festen Erwartung, weniger Hilfebedarf als zuvor feststellen zu können, sondern eine objektive und unabhängige Begutachtung in der gleichen Weise wie die erste Begutachtung. Das Ergebnis bleibt also weiterhin allein von der Sachlage abhängig.
Auch ohne Prognose wird die Pflegeversicherung in regelmäßigen Abständen eine Wiederholungsbegutachtung veranlassen. Erfahrungsgemäß wird es, je nach Krankheitsbild, Alter des Versicherten und Pflegestufe, zwischen zwei und fünf Jahre dauern, bis der Versicherte auf jeden Fall wieder einen Gutachter zu Gesicht bekommen wird.
Minderung der Pflegestufe
Es ist keineswegs eine Ausnahme, dass sich der Gesundheitszustand eines Pflegebedürftigen verbessert und anschließend nur noch die Voraussetzungen für eine geringere Pflegestufe erfüllt sind oder die Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegeversicherung sogar völlig entfällt (zum Beispiel nach einer Rehabilitationsmaßnahme). Natürlich kann die Pflegeversicherung dann die zunächst zugesagten Leistungen nicht in unverminderter Höhe fortzahlen. Allerdings darf eine Pflegekasse ihre Leistungszusage nur für die Zukunft widerrufen. Sie wird dies tun, sobald ihr das Ergebnis der Wiederholungsbegutachtung bekannt ist (die auf Empfehlung des Medizinischen Dienstes von Zeit zu Zeit durchgeführt wird, wenn Veränderungen in der Pflegesituation möglich sind). Allerdings muss die Pflegekasse den Pflegebedürftigen vor der Leistungskürzung anhören, denn er muss Gelegenheit haben, sich innerhalb einer angemessenen Frist zu der beabsichtigten Kürzung oder dem völligen Entzug der Leistungen zu äußern.
Seit dem 2. Januar 2002 haben Widerspruch und Klage gegen die Herabsetzung oder den Entzug einer laufenden Sozialleistung, wie beispielsweise das Pflegegeld, die Pflegesachleistung und die vollstationäre Pflege, keine aufschiebende Wirkung mehr. Allerdings kann die Pflegekasse oder die Widerspruchsstelle die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Wer bei diesen Stellen mit seinem Antrag erfolglos bleibt, kann bei dem zuständigen Sozialgericht beantragen, dass die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise angeordnet wird. Es kommt immer wieder vor, dass bei einer Begutachtung irrtümlich ein höherer Pflegebedarf angenommen wurde, als tatsächlich erforderlich war. Wenn dies bei einer Wiederholungsbegutachtung auffällt, versuchen Pflegekassen oder private Pflegeversicherungsunternehmen diesen Irrtum aus der Welt zu schaffen, indem sie für die Zukunft eine niedrigere Pflegestufe festsetzen. Hat sich jedoch der tatsächliche Pflegebedarf gegenüber der früheren Begutachtung nicht vermindert, ist dies häufig nicht zulässig.
Höherstufung
Natürlich kann der Versicherte jederzeit von sich aus einen Antrag stellen, in dem er formlos von der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes berichtet und um eine Höherstufung bittet. Damit wird das ganze Verfahren von neuem in Gang gesetzt und bald wird der Besuch eines Gutachters angekündigt. Allerdings gibt es da ein Risiko. Es existiert keine Bestandssicherung für die aktuelle Pflegestufe. Ergibt also eine Begutachtung anlässlich eines Höherstufungsantrages, dass selbst die aktuelle Pflegestufe zu hoch ist, dann endet das Verfahren unerbittlich in einer Herabstufung.
Die Zuordnung zu einer der drei oder vier Pflegestufen ist nicht endgültig, sondern auch abhängig vom aktuellen Hilfebedarf, der sich von Zeit zu Zeit ändern kann. Eine höhere Pflegestufe wird jedoch nur anerkannt, wenn der erhöhte Pflegebedarf auf Dauer (das heißt voraussichtlich für sechs Monate oder mehr) besteht; Ausnahme: Anerkennung als Härtefall, siehe unter „Pflegestufen“ Ein Antrag auf Leistungen einer höheren Pflegestufe wirkt wie ein neuer Antrag. Deshalb gilt auch wieder der allgemeine Verfahrensablauf.