Der Rotstift in der GKV
Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen und der jetzt schon auftretende Effekt, dass es immer weniger Beitragszahler und immer mehr Leistungsempfänger gibt, hat schon in der Vergangenheit zu einschneidenden Maßnahmen in der GKV geführt.
Beitragssatzerhöhungen einzelner Kassen oder zusätzliche Beitragserhebung aus den Einnahmen der gesetzlich Versicherten reichten in der Vergangenheit nicht aus, tun den Ausgabenanstieg der Krankenkassen zu finanzieren. Der Gesetzgeber hat mit umfangreichen Einschränkungen des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung schon in der Vergangenheit versucht, den steigenden Ausgaben für das Gesundheitswesen zu begegnen:
1977: Kostendämpfungsgesetz
• Zuzahlungen für Arznei-, Verband- und Heilmittel, gekürzte Zuschüsse für Zahnersatzleistungen
• Keine freie Wahl des Krankenhauses
• Einschränkungen bei der kostenfreien Familienhilfe
1982: 2. Kostendämpfungsgesetz
• Erhöhung der Zuzahlungen für Arznei-, Verband- und Heilmittel
• Zuzahlungen für Brillen
• Bei Zahnersatz gibt es für zahntechnische Leistungen nur 60% Erstattung
• Voraussetzungen für die kostenfreie Familienhilfe weiter verschärft
1983: Haushaltsbegleitgesetz
• Erhöhung der Zuzählungen für Arznei-, Verband- und Heilmittel
• Zuzahlungen bei Krankenhausbehandlung
• Beitragspflicht für Krankengeld zur Renten- und Arbeitslosenversicherung (1984)
1989: Gesundheitsreformgesetz
• Erhöhung der Zuzahlung für Arzneimittel ohne Festbeträge
• Zuzahlung bei Fahrtkosten – Wegfall bestimmter Fahrtkostenleistungen
• Zuzählungen bei stationären Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen
• Höhere Eigenanteile bei Brillen
• Zahnersatzzuschüsse sind von jährlichen Vorsorgeuntersuchungen abhängig
• Streichung des Sterbegeldes für alle nach dem 1.1.1989 eingetretenen Kassenmitglieder
1993: Gesundheitsstrukturgesetz
• Leistungskürzungen und Leistungsausschlüsse für bestimmten Zahnersatz
• Erhöhung der Eigenanteile
• Keine kieferorthopädische Behandlung mehr für Personen über 18 Jahre
• Beitragserhöhungen für freiwillig versicherte Mitglieder der KVdR
Ab 1997 waren v. a. folgende Veränderungen in der GKV vorgesehen:
1. Durch das Beitragsentlastungsgesetz und das Beschäftigungsforderungsgesetz:
• Lohnkürzung bei Krankheit
Bei Krankheit kann vorbehaltlich anders lautender Tarifvereinbarungen in den ersten sechs Wochen nur noch 80% statt bisher 100% des Bruttoeinkommens als Lohnfortzahlung gezahlt werden. Bei Verzicht auf einen Urlaubstag für je-weils fünf Krankheitstage wird der volle Lohn gezahlt.
• Kürzung des Krankengeldes auf 70% des Bruttoeinkommens
Ist ein Arbeitnehmer länger als sechs Wochen krank, zahlt die Krankenkasse statt bisher 80% des Bruttogehaltes (max. 100% des Nettogehaltes) nur noch 70% des Bruttogehaltes (max. 90% des Nettogehaltes).
• Reduzierung der Kurleistung um 43%
Ab 1997 dürfen Kuren nur noch drei statt bisher Ader Wochen dauern, wobei sechs Urlaubstage (zwei Urlaubstage je Kurwoche) angerechnet werden. Gleichzeitig wird das Wiederholungsintervall von drei auf vier Jahre verlängert.
• Erhöhung des Eigenanteils bei Kuren
Der tägliche Eigenanteil steigt von 12€ auf 25€ (West) und von 9€ auf 20€ (Ost). Die Mehrbelastung pro Kur beträgt 273€ (West) und 231€M (Ost).
• Wegfall des Zuschusses zum Brillengestell
Der Zuschuss zum Brillengestell in Höhe von 20€ entfallt, während die Kosten für die Brillengläser weiterhin in Höhe der festgelegten Festbeträge durch die GKV erstattet werden.
• Arzneimittel werden teurer
Ab 1. Januar 1997 Erhöhung der Zuzahlung für Medikamente um eine D-Mark. Der Eigenanteil beträgt je nach Packungsgröße 4€, 6€ oder 8,- l5M.
• Für Jahrgänge 1979 und jünger kein Zuschuss zum Zahnersatz
Für alle nach dem 31.12.1978 Geborenen entfallt ein Leben lang der Zuschuss zum Zahnersatz (Kronen, Brücken etc.). Auch für die dritten Zähne müssen diese Geburtenjahrgänge selbst aufkommen. Ausgenommen sind die Beseitigung von Unfallfolgen und Missbildungen.
2. Durch das 1. und 2. Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der GKV:
• Koppelung von Beitragssatzanhebung an Zuzahlungserhöhungen
Jede Krankenkasse, die Beitragssatzerhöhungen durchfuhren will, muss automatisch eine entsprechende Erhöhung der bestehenden Zuzahlungen vornehmen.
• Außerordentliches Kündigungsrecht
Bei Beitragssatzerhöhungen hat der Versicherte ein außerordentliches Kündigungsrecht von einem Monat unabhängig vom Grund der Erhöhung.
• Chronisch Kranke
Chronisch Kranke, die wegen derselben Krankheit länger als ein Jahr behandelt werden, dürfen höchstens mit einem Prozent ihres Bruttoeinkommens für Zuzahlungen belastet werden (bisher zwei Prozent).
• Außerordentliches Kündigungsrecht der Versicherten bei Beitragssatzerhöhungen und Satzungsänderungen
• Verbesserte Regelung für chronisch Kranke
• Die bisherigen Regelleistungen in den Bereichen häusliche Krankenpflege, Kuren und anderen Rhabilitationsmaßnahmen, Heilmittel (insbesondere Bäder, Massagen und Krankengymnastik) und Auslandsleistungen sollen in Satzungsleistungen werden. Das bedeutet, dass die Krankenkassen Art und Umfang der Leistungen selbst bestimmen können.
• Die Krankenkassen sollen gesetzliche Leistungen erweitern können, z. B. Erhöhung des Zuschusses für ambulante Badekuren. Diese Zusatzleistungen werden ausschließlich durch Beiträge der Versicherten finanziert. Der Arbeitgeber beteiligt sich nicht an den Beiträgen.
• Die Krankenkassen sollen folgende Regelungen hinsichtlich der finanziellen Beziehungen zu ihren Versicherten anbieten können:
– Beitragsrückerstattung für Versicherte, die keine Leistungen der Kasse in Anspruch genommen haben.
– Selbstbehalt im Rahmen von Kostenerstattungsregelungen
– differenzierte Zuzahlungen innerhalb einer Leistungsart
– Sonderbeiträge der Versicherten für zusätzliche Leistungen
In der anstehenden Gesundheitsreform geht es vor allem um die Frage der künftigen Finanzierbarkeit der Kassenbeiträge. Der Sachverständigenrat errechnete – ebenso wie das Prognos-Institut dass allein aufgrund demographischer Veränderungen die Kosten der Krankenkassen je Versicherter bis zum Jahr 2040 zwischen 20 und 23 Prozent ansteigen werden. Dabei ist unterstellt worden, dass die Inflationsrate im Gesundheitswesen künftig nicht schneller steigt als das Sozialprodukt. Tatsächlich sind in den letzten 25 Jahren die Kosten jährlich im Durchschnitt um rund 1,25 Prozentpunkte schneller gestiegen als die Bruttolöhne der Versicherten, so dass das wahre Ausmaß des demographischen Risikos sich heute noch gar nicht präzise erfassen lässt. Das Kapitaldeckungsverfahren der PKV, mit dem heute schon Vorsorge für das finanzielle Krankheitsrisiko von morgen getroffen wird, ist also aktueller als je zuvor.
Weitere Informationen zur GKV werden in dem Artikel Die private Krankenvorsorge besprochen.