Das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz wurde nachträglich zum Pflegeversicherungsgesetz als Ergänzung ausgearbeitet, um Pflegebedürftigen, die einen besonders hohen Bedarf an allgemeiner Betreuung und Beaufsichtigung haben, etwas mehr Unterstützung zu ermöglichen. Es richtet sich ausdrücklich an Demenzkranke, aber auch an Menschen mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen. Das Gesetz trat am 1.1.2002 in Kraft.
Demenzkranke, die bereits in eine Pflegestufe eingestuft sind, können durch das Gesetz bis zu 460 Euro im Jahr zu ihren bisherigen Leistungen aus der Pflegeversicherung hinzuerhalten. Zum Bezug der Leistungen muss ein Antrag bei der Pflegekasse gestellt werden.
Anspruchsberechtigt sind pflegebedürftige bzw. demenzkranke Menschen,
■ die bereits in eine der Pflegestufen 1-3 eingestuft sind,
■ die nicht dauerhaft in einer stationären Pflegeeinrichtung leben,
■ auf die wenigstens zwei Kriterien aus dem folgenden Kriterienkatalog zutreffen, wobei mindestens ein Kriterium aus dem Bereich 1 bis 9 stammen muss.
Bereich 1 bis 9:
1. Unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereiches („Weglauftendenz“),
2. Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen,
3. unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potenziell gefährdenden Substanzen,
4. tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation,
5. in Zusammenhang mit speziellen Situationen unangebrachtes Verhalten,
6. Unfähigkeit, die eigenen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen,
7. Unfähigkeit zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung,
8. Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigung des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt haben,
9. Störung des Tag- und Nacht-Rhythmus.
Bereich 10 bis 13:
10. Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren,
11. Verkennen von Alltagssituationen und unangemessenes Reagieren in Alltagssituationen,
12. ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten,
13. zeitlich überwiegend Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit auf Grund einer therapieresistenten Depression.
Für alle Demenzkranken, die wegen ihrer Demenz in eine Pflegestufe eingestuft wurden, müssten mindestens die Kriterien 8 und 10 zutreffen. Damit sollten alle Demenz-kranken mit einer Pflegeeinstufung auch anspruchsberechtigt sein.
Die Einschätzung, welche Kriterien bei einem Pflegebedürftigen zutreffen, übernimmt für die Pflegekasse der Medizinische Dienst der Krankenversicherungsträger (MDK), der auch die Einschätzung für die Pflegeeinstufung vornimmt. Falls beim MDK bereits ein Gutachten zur Pflegeeinstufung vorliegt, wird in der Regel anhand dieses Gutachtens geprüft, ob Ansprüche auf Leistungen nach dem Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz bestehen (Entscheidung nach Aktenlage).
Seit dem 1.4.2002 sollten die Gutachter des MDK bei jedem Hausbesuch in Zusammenhang mit der Pflegeeinstufung automatisch auch die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nach dem Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz prüfen.
Sollte ein Gutachter bei einem Demenzkranken keine Anspruchsberechtigung anerkennen, legen Sie dagegen Widerspruch ein. Dann muss in jedem Fall noch ein Zweitgutachter hinzugezogen werden. Schließlich kann bei einer weiteren Ablehnung auch Klage beim Sozialgericht erhoben werden. (Die Schritte sind identisch wie bei der Pflegeeinstufung.)
Bei Anspruchsberechtigung kann der Betrag von 460 Euro zweckgebunden für folgende Ausgaben eingesetzt werden:
■ Ungedeckte Kosten bei der Nutzung von Tagespflege-, Nachtpflege- oder Kurzzeitpflegeangeboten;
■ Kosten für die allgemeine Betreuung und Anleitung durch Pflegedienste (Achtung: Kosten für grundpflegerische oder hauswirtschaftliche Leistungen werden nicht übernommen, da sie zum Leistungsumfang der Pflegeversicherung gehören;)
■ Kosten für sonstige regionale Betreuungs- und Entlastungsangebote, die „nach Landesrecht“ anerkannt sind.
Mit regionalen Betreuungs- und Entlastungsangeboten sind vor allem „niedrigschwellige“ Betreuungsangebote gemeint. Im Gesetz werden als Beispiele Betreuungsgruppen für Demenzkranke, Helferkreise sowie familienentlastende Dienste genannt.
123Vesicherung rät: Da die 460 Euro nur für Angebote eingesetzt werden können, die „nach Landesrecht“ anerkannt sind, muss jedes Bundesland eine Liste erstellen, in der alle Betreuungsangebote aufgeführt werden, die im betreffenden Land anerkannt sind. Auskünfte zu diesen Listen erhalten Sie entweder bei Ihrer Pflegekasse oder beim Sozialministerium Ihres Bundeslandes.
Wie werden die Leistungen erstattet?
Die Leistungen werden erst nach Vorlage von Belegen oder schriftlichen Nachweisen erstattet. Das heißt, Sie müssen die Kosten zunächst selbst übernehmen und die Belege zum Jahresende einreichen. Werden in einem Jahr die 460 Euro nicht ausgeschöpft, kann der verbleibende Betrag in das folgende Jahr übertragen werden. Im ersten Jahr der Antragstellung werden die Leistungen nur anteilig erstattet. Wird der Antrag zum Beispiel am 1.7. gestellt, können im ersten Jahr bis zum 31.12. nur 230 Euro bezogen werden.
Weitere Leistungen
Zusätzlich zu den 460 Euro im Jahr ermöglicht das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz außerdem bei Pflegestufe 1 und 2 die Nutzung von zwei Beratungseinsätzen durch Pflegedienste pro Halbjahr und bei Pflegestufe 3 sogar zwei Beratungseinsätzen im Vierteljahr.
Außerdem werden durch das Gesetz jährlich bundesweit 10 Millionen Euro für den Auf- und Ausbau von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten und für Modellprojekte bereitgestellt. Projekte werden allerdings nur gefördert, wenn sich auch das jeweilige Bundesland in gleicher Höhe beteiligt.
Das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz kann die unzureichende Berücksichtigung des Hilfebedarfs Demenzkranker, die bereits eine Pflegestufe erhalten haben, ein wenig ausgleichen helfen. Nach wie vor wird damit jedoch der so notwendige und wichtige Unterstützungsbedarf demenzkranker Menschen, die noch nicht in der Pflegeversicherung eingestuft sind, überhaupt nicht angesprochen.