Bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung vereinbart der Kunde mit der Versicherung für den Versicherungsfall eine Rente.
Varianten. Die selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es erst seit 1975. Der Grund: Die Berufsunfähigkeit ist als Risiko schwer zu kalkulieren und kann eine hohe Versicherungsleistung nach sich ziehen. In der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen immer mehr Versicherte eine Berufsunfähigkeitsrente. Wegen der Angst vor Verlusten waren die Verkaufsanstrengungen nicht allzu groß. Häufig sind die Prämien zu teuer. Allerdings gibt es wohl eine besondere Kundenstruktur, die dies wieder ausgleicht: Im allgemeinen versichern sich Angestellte mit einem überdurchschnittlich hohen Einkommen. Diese aber zeichnen sich offenbar durch Strebsamkeit und Pflichtgefühl aus. Derzeit ist nur jede zehnte Berufsunfähigkeitsversicherung selbständig abgeschlossen worden. Den größten Anteil stellt immer noch die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ). Sie gibt es als Zusatz zu einer Lebensversicherung. Hier kann der Versicherte innerhalb bestimmter Grenzen die Höhe seiner Berufsunfähigkeitsrente wählen. Wichtig ist die Beitragsbefreiung: Bei einer Berufsunfähigkeit läuft die Lebensversicherung ohne Beiträge weiter. Bei vielen Gesellschaften ist der kombinierte Schutz preiswerter als die selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung. Allerdings läuft die BU-Rente im Leistungsfall meist nur für die Dauer des Vertrages. Je nach Tarif darf die Jahresrente maximal 48 Prozent (neuer Tarif) oder 24 Prozent (alter Tarif) erreichen. Bei einer Lebensversicherungssumme von 50 000 € kann also eine monatliche Rente von 2 000 oder 1 000 € abgeschlossen werden. Die niedrigste Prämie kostet die Kombination mit einer Risiko-Lebensversicherung.
Leistung. Bei nachgewiesener Berufsunfähigkeit zahlen die Versicherungen in jedem Fall, unabhängig davon, wie die Berufsunfähigkeit zustande gekommen ist. Es spielt also keine Rolle, ob Krankheit oder Unfall die Ursache war. Ausnahmen gelten für Krieg, bei strafbaren Handlungen oder absichtlicher Herbeiführung der Berufsunfähigkeit. Die Versicherer zahlen unabhängig davon, ob der Versicherte weitere Einkünfte erzielt oder nicht.
Pauschal oder Staffel. Bei der Auszahlung der Leistung kann der Versicherte wählen: Die meisten entscheiden sich für die Pauschalregelung. Danach zahlt der Versicherer die vereinbarte Leistung voll, wenn der Kunde zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig ist. Es gilt alles oder nichts. Bei geringerer Berufsunfähigkeit bekommt der Versicherte nur eine Rente, wenn er pflegebedürftig ist. Ein Teil der Versicherungen bietet aber auch die Staffelregelung an: Dabei wird je nach Grad der Berufsunfähigkeit gezahlt. Oft wird vereinbart, dass der Versicherer bei einer Berufsunfähigkeit von 33 Prozent ein Drittel der Rente zahlt, bei 50 Prozent zwei Drittel und ab 66 Prozent die ganze Rente. Typisch ist die 25/75prozentige Staffelregelung: Volle Leistung gibt es erst ab 75 Prozent, darunter bei mehr als 25 Prozent Berufsunfähigkeit Rente und Beitragsbefreiung nach dem Grad der Berufsunfähigkeit oder der Pflegestufe – je nachdem, wann der Versicherte mehr bekommt. Bei 35prozentiger Berufsunfähigkeit erhält der Versicherte zum Beispiel 35 Prozent der vereinbarten Rente und zahlt 35 Prozent weniger Beitrag. Für Beamte gibt es die Staffelregelung nicht, da sie bei Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden und die Versicherung dann sowieso voll zahlen müsste. Nicht alle Gesellschaften versichern daher Beamte.
Der neue Tarif
Die Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen nannte es einen Skandal: Seit Einführung der Berufsunfähigkeits-versicherung 1964 hätten Frauen überhöhte Prämien gezahlt. Die Versicherungsgesellschaften hatten mangels eigener Erfahrungswerte für die Risikokalkulation des neuen Produkts auf Ergebnisse von Untersuchungen elf amerikanischer Versicherer aus den Jahren 1935 bis 1939 zurückgegriffen. Auf dieser Basis waren die Beiträge kalkuliert worden, wobei Frauen pauschal einen Zuschlag von 50 Prozent zahlen mussten. Damit zahlten vor allem die jungen Frauen von 20 bis 30 Jahren zuviel. Die Versicherungen und ihre Vertreter behalfen sich oft damit, die Frauen im Antrag einfach drei Jahre jünger zu machen und auf mögliche Risikozuschläge zu verzichten. Das Geschäft blieb offenbar lukrativ genug. Männer über 30 dagegen zahlten zuwenig. Anfang der neunziger Jahre haben die Versicherungen endlich aufgrund eigener Zahlen einen neuen Tarif kalkuliert. Frauen unter 40 müssen nun bis zu 25 Prozent weniger zahlen, Frauen ab 40 dagegen wird mehr abverlangt. Männer bis zu 30 Jahren zahlen etwa die gleiche Prämie wie bisher, zwischen 30 und 40 werden es 18 Prozent mehr, über 50 Jahre 50 Prozent mehr.
Diese Änderungen gelten allerdings nur bei Abschluss eines neuen Vertrages. Wer nach dem alten Tarif billiger wegkommt, sollte noch vor der Umstellung abschließen. Der neue Tarif bringt auch eine Verbesserung der Bedingungen. Als berufsunfähig gilt nun auch, wer mindestens sechs Monate ununterbrochen pflegebedürftig ist und weiter-hin auf Hilfe angewiesen sein wird. Der Versicherte braucht bei einer Berufsunfähigkeit von weniger als 50 Prozent keine Beiträge zur Berufsunfähigkeitsversicherung oder zur Lebens- oder Rentenversicherung zu zahlen. Außerdem bekommt er eine Rente. Dabei wird wie bei der Pflegeversicherung nach einem Punktesystem gerechnet: Mit jeweils einem Punkt wird die Hilfsbedürftigkeit bei Aufstehen und Zubettgehen;
An- und Auskleiden; Waschen, Kämmen und Rasieren; Einnehmen von Mahlzeiten und Getränken; Stuhlgang; Wasserlassen bewertet. Bei Pflegestufe I (3 Punkte) werden 40 Prozent der Rente gezahlt, bei Pflegestufe II (4 Punkte) 70 Prozent und bei Pflegestufe III (6 Punkte) 100 Prozent.
Die Staffelregelung ist für die meisten Kunden besser: Der Versicherte erhält hier bereits Geld ab 33 Prozent Berufsunfähigkeit. Die Staffelregelung sichert bei der zu 90 Prozent durch Krankheit verursachten Berufsunfähigkeit ein finanzielles Polster. Die Mehrzahl der Berufsunfähigkeiten ist nicht so hoch. Außerdem wächst die Rente in dem Maße mit, wie der Verlauf der Krankheit die Gesundheit verschlechtert. Sozialversicherungspflichtige und Freiberufler, die über ein Versorgungswerk abgesichert sind, können zudem erst bei einer Berufsunfähigkeit von mehr als 50 Prozent mit Leistungen rechnen. Eine private Berufsunfähigkeitsversicherung schließt also die Versorgungslücke. Nur Personen in überwiegend körperlicher oder stark unfallgefährdeter Tätigkeit sollten eine Pauschalregelung vereinbaren. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit eines schweren Unfalls hoch, und durch die Pauschalregelung bekommen sie bereits ab 50 Prozent Berufsunfähigkeit die volle Leistung.
Leistungs- und Beitragsdauer. Vor einem weiteren Wahlproblem steht der Versicherte durch den möglichen Unterschied von Leistungsdauer und Beitragsdauer. So kann der Versicherte eine dreißigjährige Leistungsdauer vereinbaren, aber nur 15 Jahre lang Beiträge zahlen. Schließt er diese Versicherung als Dreißigjähriger ab, bekommt er nur eine Rente, wenn er vor dem 45. Lebensjahr berufsunfähig wird; die Rente läuft aber dann bis zu seinem 60. Lebensjahr. Speziell für Jugendliche wird der 35er Tarif angeboten: Dabei endet die Beitragszahlung mit dem 35. Lebensjahr, als Ende der Leistungsdauer können jedoch das 50. oder 60. Lebensjahr vereinbart werden. Doch viele zu Berufsunfähigkeit führende Krankheiten tauchen erst nach dem 50. Lebensjahr auf. Wenn allerdings abzusehen ist, dass ein Berufsanfänger nach 10 oder 15 Jahren einen Anspruch auf die zusätzliche betriebliche Altersversorgung hat, bietet sich eine kürzere Beitragsdauer an.