Unfallversicherung
Daran denken mag niemand gern. Was würde passieren, wenn Sie sich morgen durch eigene Schuld verletzen und womöglich sogar invalid werden? Zwar besteht eine gesetzliche Unfallversicherung durch die Berufsgenossenschaften für Unfälle im Beruf und auf dem Weg zur Arbeitsstätte, doch geschehen zwei Drittel aller Unfälle im privaten Bereich. Die Unfallversicherung ist daher keineswegs überflüssig, aber leider ein sehr gutes Geschäft für die Versicherungen. Die durchschnittliche Schadenquote liegt bei nur 57 Prozent, die Gesellschaften machen jedes Jahr Milliardengewinne. Der größte Anbieter hat sogar eine Schadenquote von nur 45 Prozent. In der Branche gilt die Unfallversicherung als Cash-cow der Kompositversicherer: Die Gewinnquote liegt bei geschätzten 15 bis 20 Prozent der jährlichen Prämieneinnahmen von rund 10 Milliarden €. Die Unfallversicherung subventioniert somit auch die verlust-, aber prestige- und prämienträchtigen Sparten der Industrieversicherung.
Daher gilt es, beim Abschluss einer Unfallversicherung besonders restriktiv vorzugehen und nur abzuschließen, wenn diese unbedingt notwendig ist. Schließlich will niemand für sein Geld zuwenig Leistung bekommen. Jeder dritte Bundesbürger hat eine Unfallversicherung. Der Grund liegt auf der Hand: Das Risiko eines Unfalls ist vielen bewußt und wird als hoch eingeschätzt. Allerdings nicht immer zu Recht: Bei Erwachsenen ist die Wahrscheinlichkeit eines schweren Unfalls recht gering. Nur für Kinder sieht es anders aus: Sie sind stark unfallgefährdet, daher ist ein Schutz für sie sinnvoll. Wenn sie in den Kindergarten oder die Schule gehen, sind sie zwar gesetzlich unfallversichert, doch nicht in ihrer Freizeit. Außerdem haben sie noch keinen Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Alternative einer Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es für Kinder fast nie. Die private Unfallversicherung zahlt unabhängig davon, ob die gesetzliche Unfall- oder Rentenversicherung wegen eines Unfalls Rentenzahlungen leistet. Arbeitnehmer sollten außerdem klären, ob ihr Unternehmen für sie bereits eine Unfallversicherung abgeschlossen hat.
Die meisten Berufstätigen sollten die Unfallversicherung auf die Berufsunfähigkeitsversicherung abstimmen. Denn auch eine Unfallversicherung versichert im Grunde nur das Risiko einer Berufsunfähigkeit. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung mindert daher die notwendige Summe der Unfallversicherung, da sie auch Unfälle versichert. Vor allem kann durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung auf die sogenannte Progression in der Unfallversicherung verzichtet werden. Die Progression bedeutet, dass bei höherer Invalidität höhere Leistungen gezahlt werden. Bei Vollinvalidität beträgt die Leistung nicht 100, sondern 225 Prozent der Grundversicherungssumme. Da eine Berufsunfähigkeitsversicherung ohnehin erst bei höheren Invaliditätsgraden zahlt – auch bei einem Unfall -, ersetzt sie die Progression. Oft macht die Berufsunfähigkeitsversicherung die Unfallversicherung überflüssig: 90 Prozent aller Berufsunfähigkeitsfälle sind nicht durch Unfall, sondern durch Krankheit entstanden. Nur wer wegen Krankheit oder Alter keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr bekommt, sollte die Unfallpolice als Teilabsicherung abschließen. Sinn macht die Unfallversicherung nur bis zu 100 000 €. Denn die Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt erst ab 50 Prozent Invalidität und nur eine Rente. Durch die Summe aus der Unfallversicherung könnten aber notwendige Umstellungskosten nach dem Unfall – etwa ein Umbau der Wohnung – finanziert werden.
Leistungen. Im Gegensatz zur Berufsunfähigkeitsversicherung wird bei der privaten Unfallversicherung keine Rente, sondern wie bei der Lebensversicherung meist eine feste Kapitalsumme für den Versicherungsfall vereinbart.
Die Unfall-Definition
Die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 88) legen in Paragraph 1 Abs. 3 genau fest, was ein Unfall ist. Ein Unfall liegt vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfrei-willig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Konkret besagt dies folgendes: Die Gesundheitsschädigung muss plötzlich geschehen. Gesundheitsschäden durch Umweltverschmutzung sind so ausgeschlossen. Das Unfallereignis muss unerwartet und unfreiwillig eintreten. Bei Selbstmord oder Vorsatz zahlt die Versicherung also nicht. Die Unfalldefinition schließt außerdem innere Verletzungen durch Verschlucken aus. Es muss etwas von außen auf den Körper einwirken, also durch Schlag, Stoß oder Fall. Absatz 4 des gleichen Paragraphen besagt: Als Unfall gilt auch, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Glied verrenkt wird oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden. Die wichtigsten Ausschlüsse gelten für Unfälle durch Geistes- und Bewußtseinsstörungen (auch durch Trunkenheit). Die Ausschlüsse können aber meist durch zusätzliche Beiträge mitversichert werden. Nicht versichert – außer bei Kindern bis zur Vollendung des zehnten Lebens-jahres – ist Vergiftung durch Einnahme fester oder flüssiger Stoffe. Auch Infektionen gelten nicht als Unfall.
Grundsätzlich kann der Versicherungsschutz für den Invaliditätsfall mit oder ohne Todesfallrisiko abgeschlossen werden. Die Versicherung muss zahlen, wenn ein Unfall zu einer dauerhaften körperlichen oder geistigen Leistungsunfähigkeit führt. Bemessen wird der Grad der Invalidität nach der sogenannten Gliedertaxe: Je nach Schwere der Verletzung gibt es einen bestimmten Prozentsatz der Versicherungssumme. Nach Vollendung des 65.
Invaliditätsgrade (Gliedertaxe) | |
Verlust oder Funktionsunfähigkeit | Prozent |
beider Augen | 100 |
eines Armes im Schultergelenk | 70 |
eines Beines über der Mitte des Oberschenkels | 70 |
eines Armes bis oberhalb des Ellenbogengelenkes | 65 |
des Gehörs auf beiden Ohren | 60 |
eines Armes unterhalb des Ellenbogengelenkes | 60 |
eines Beines bis zur Mitte des Oberschenkels | 60 |
einer Hand im Handgelenk | 55 |
eines Auges | 50 |
eines Beines bis unterhalb des Knies | 50 |
eines Beines bis zur Mitte des Unterschenkels | 45 |
eines Fußes im Fußgelenk | 40 |
des Gehörs auf einem Ohr | 30 |
eines Daumens | 20 |
eines Zeigefingers | 10 |
des Geruchs | 10 |
eines anderen Fingers | 5 |
des Geschmacks | 5 |
einer großen Zehe | 5 |
einer anderen Zehe | 2 |
Lebensjahres geschieht dies in Form einer Rente. Falls der Grad der Invalidität nach der Tabelle nicht festzustellen ist, wird ein Arzt als Gutachter herangezogen. Gerade um die Festlegung des Invaliditätsgrades gibt es aber immer wieder Ärger zwischen Versichertem und Gesellschaft. Bei Hausfrauen, Schülern, Studenten oder Rentnern kann die Arbeitsfähigkeit und deren Beeinträchtigung oft nur schwer festgestellt werden. Besonders schwierig ist es bei Kindern. Die Versicherer neigen natürlicherweise dazu, so wenig wie möglich zu zahlen. Sie bestimmen und bezahlen den Arzt, durch den sich der Unfallversicherte untersuchen lassen muss. Diese Gutachten bieten oft die Grundlage für die nicht sonderlich großzügigen Entschädigungsangebote. Der Versicherte kann nur den Rechtsweg beschreiten – mit langwierigen Verfahren.
Tip: Alt-Verträge umstellen
1988 wurden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung (AUB) geändert. Sie fallen fast immer vorteilhafter für die Versicherten aus. Wer noch zu den alten Bedingungen abgeschlossen hat, sollte daher bei seiner Versicherung eine Umstellung beantragen.
Varianten. Wie die Rechtsschutzversicherung gibt es auch die Unfallversicherung in verschiedenen Schutzvarianten. Rund um die Uhr. Diese Versicherung gilt immer, egal ob für Arbeit oder Freizeit. Freizeitversicherung. Diese Versicherung ausschließlich für Unfälle in der Freizeit kann nur abgeschlossen werden, wenn bereits ein ausreichender Schutz für Arbeitsunfälle besteht. Kinderversicherung. Da Kinder besonders unfallgefährdet und unzureichend versichert sind, gibt es für sie eine eigene Variante. Allerdings begrenzen einige Versicherer die Versicherungssumme auf maximal 100 000 €, andere bieten jedoch bis zu einer Million €. Der Vertrag beginnt vor dem 13. Lebensjahr und läuft meist bis zum 18. Lebensjahr. Danach kann er in eine Unfallversicherung für Erwachsene umgewandelt werden. Diese drei Varianten gibt es jeweils als Einzelversicherung oder als Paket für die ganze Familie.
Zusatzversicherungen. Zur reinen Unfallversicherung werden den Versicherten meist noch eine Reihe von Zusatzleistungen an- geboten, die jedoch fast alle zu teuer sind oder besser durch andere Versicherungen abgedeckt werden:
Sonderleistung bei schweren Unfällen. Der Versicherte kann einen besonderen Schutz für den Fall vereinbaren, dass er schwer verunglückt. Die erste Möglichkeit ist, ab einem bestimmten Invaliditätsprozentsatz die doppelte Versicherungssumme zu vereinbaren. Im allgemeinen werden 90 Prozent Invalidität vereinbart, bei einigen Gesellschaften können auch 70 oder 75 Prozent vereinbart werden. Die zweite Möglichkeit ist die Progression: Ab einer Invalidität von 26 Prozent steigt die Versicherungssumme bis auf 225 Prozent bei Totalinvalidität an. Im Vertrag wird die Progressionstaffel vereinbart. Doch für diese Zusatzleistungen ist ein erheblicher Preisaufschlag fällig. Für die Versicherten lohnt sich das selten, denn die meisten Unfälle laufen recht glimpflich ab. Nach der Unfallstatistik liegt nur in zwei Prozent aller Fälle die Invalidität über 50 Prozent, und bei rund 75 Prozent aller Schadensmeldungen liegt die Invalidität unter der 26-Prozent-Grenze.
Leistung bei Unfalltod. Die sogenannte Todesfalleistung beinhaltet eine feste Versicherungssumme, falls der Versicherte innerhalb eines Jahres an den Folgen eines Unfalls stirbt. Wem an der Absicherung der Angehörigen gelegen ist, sollte aber eher eine Risikoversicherung abschließen. Die Prämien sind zwar höher, aber die Versicherung zahlt auch bei Tod durch Krankheit. Die Versicherungen verkaufen dennoch viele Unfalltodversicherungen – mit einem Trick: Die Unfallversicherung zahlt bei Invalidität erst nach einem Jahr. Um früher Geld zu bekommen, muss der Kunde eine Unfalltodversicherung abschließen, da dann die Unfallversicherung schon früher zahlt.
Krankenhaustagegelder. Wenn der Versicherte nach einem Unfall im Krankenhaus stationär behandelt werden muss, bekommt er für jeden Tag im Krankenhaus bis zu maximal zwei Jahren ein Tagegeld. Da dies wiederum nur für Unfälle gilt, ist diese Leistung für die in Frage kommenden Personengruppen (Selbständige, Freiberufliche, Alleinerziehende) besser über die Krankenversicherung abzuschließen. Andere Gruppen könnten sich zwar im Fall des Falles mit dem Geld etwas trösten, doch ist dies unter dem Strich ein teures Vergnügen.
Genesungsgeld. Diese Zusatzversicherung kann zusammen mit dem Krankenhaustagegeld vereinbart werden. Das Genesungsgeld wird nach einer Behandlung im Krankenhaus für die gleiche Zahl von Tagen gezahlt wie das Krankenhaustagegeld, maximal jedoch 100 Tage lang. Im allgemeinen beträgt das Genesungsgeld für die ersten zehn Tage 100 Prozent des Krankentagegeldes, die nächsten zehn Tage 50 Prozent und danach 25 Prozent. Diese Zusatzleistung ist jedoch verzichtbar.
Tagegeld. Damit soll Berufstätigen der Verdienstausfall nach einem Unfall ersetzt werden, wenn nach 42 Tagen die Lohnfortzahlungspflicht durch den Arbeitgeber entfällt. Ebenso können Hausfrauen dann für eine Haushaltshilfe sorgen. Die Höhe des Tagegeldes ist vom Grad der Arbeitsunfähigkeit abhängig. Gesetzlich Krankenversicherte haben aber auch nach 42 Tagen noch Anspruch auf Krankengeld. Privat und freiwillig Versicherte sollten das Risiko lieber über eine Krankenversicherung abdecken, damit der Schutz nicht nur bei Unfällen gilt.
Übergangsleistung. Eine Übergangsleistung kann vereinbart werden für den Fall, dass der Unfallgeschädigte nach sechs Monaten immer noch zu mehr als 50 Prozent invalide ist und die Versicherungsleistung noch nicht gezahlt wird. Allerdings liegt die Zahl solcher schweren Unfälle bei unter 2 Prozent der gemeldeten Fälle.
Kosten für kosmetische Operationen. Die Versicherung über-nimmt die Kosten für Operation und Behandlung im Krankenhaus. Dieser Schutz ist jedoch fast immer überflüssig, da die Krankenversicherung bei medizinischer Notwendigkeit ebenfalls zahlt.
Versicherungssumme. Bei der Unfallversicherung erhalten Sie keine Rente, sondern eine Kapitalsumme. Ihre Versicherungssumme sollte durchaus reichlich bemessen sein. Schließlich sollte sie auch bei einer Vollinvalidität ausreichen. Für Kinder werden mindestens 100 000 € empfohlen, für junge Leute und Hausfrauen 100 000 bis 200 000 €. Beim Hauptverdiener der Familie sollte sich die Versicherungssumme nach dem Lebensalter richten: Mit 30 Jahren das fünffache Jahreseinkommen, mit 40 Jahren das vierfache, mit 50 Jahren das dreifache Jahreseinkommen. Sie sollten aber Lebensstandard, familiäre Situation und Vermögen, ihr persönliches Risiko eines Freizeitunfalles und die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bedenken. Die Höchstgrenze ist übrigens allgemein 100 000 € für Invalidität und 250 000 € für den Todesfall.
Beiträge. Die Prämien staffeln sich nach der Gefahrengruppe, die sich nach der beruflichen Tätigkeit richtet. Natürlich ist die Unfallgefahr eines Bauarbeiters höher als die eines Sachbearbeiters, der den ganzen Tag am Schreibtisch hockt. Grundsätzlich nicht versichert werden übrigens Artisten, Berufssportler und Rennfahrer, es sei denn gegen üppiges Aufgeld. Als Richtwerte für die Kosten gilt: 100 000 € Versicherungssumme im Invaliditätsfall kosten für Kinder bei den günstigen Anbietern Volkswohlbund, Debeka und HUK-Coburg ab 60 € im Jahr. Die Berufstätigen fallen in zwei Gruppen. Beitragsgruppe A umfasst hauptsächlich Büroangestellte, aber auch Künstler, Reporter und Studenten. Beitragsgruppe B gilt für körperliche oder handwerkliche Tätigkeit, aber auch Berufskraftfahrer, Tänzer und Gastwirte. Viele Gesellschaften bieten Spezialtarife für Hausfrauen, Landwirte, Tierärzte, Auszubildende oder Studenten an. Anfragen kostet hier nicht viel. Frauen werden anders behandelt als Männer: Einige Versicherer wenden auf Frauen automatisch Beitragsgruppe A an, andere Gesellschaften machen die Beitragshöhe vom Beruf abhängig. Der Monatsbeitrag für Büroangestellte kostet etwa 6 €, für körperlich oder handwerklich Tätige 9 €. Bei Progression lauten die entsprechenden Werte 5 €, 8,50 € und 12 €. Angesichts dieser recht geringen Beträge erklären sich die riesigen prozentualen Preisunterschiede. Der Monatsbeitrag je 10 000 € Versicherungssumme bei Unfalltod liegt zwischen 0,50 und 0,90 €.