Das kann einem bei jeder Art von Versicherung passieren: Die Versicherung will einfach den entstandenen Schaden nicht oder nicht vollständig begleichen. Ob Einbruch oder Brand, ob Unfall oder Überschwemmung – wer einen Schaden zu beklagen hat, der kann durchaus erleben, dass die Versicherung ganz anders reagiert als erwartet. Oft etwa decken die Policen nicht alle Risiken ausreichend ab. Mal moniert die Gesellschaft, der Schaden sei erst nach der Frist gemeldet worden. Mal hat der Kunde versäumt, bei einem Hausratschaden die unabdingbare Liste aller zerstörten und entwendeten Utensilien einzureichen. Besonders bei Personenschäden, die immer wieder sehr hoch sind, kommt es vor, dass Versicherer die Regulierung unnötig lange hinausziehen. Was Sie tun können, wenn Ihre Versicherung nicht zahlen will, und wo Sie Hilfe erhalten, zeigen wir Ihnen im Folgenden.
Schleppende Regulierung des Versicherers
Wie lange darf eine Versicherung ihren Kunden auf die Zahlung warten lassen? Grundsätzlich darf die Versicherung mit der Zahlung warten, bis sie Einsicht in die Ermittlungsakten erhalten hat, um festzustellen, dass es den Einbruch wirklich gegeben hat und sie den Schaden ersetzen muss. Aber wenn sie diese Akteneinsicht nicht sofort erhält, muss sich die Versicherung aktiv und energisch darum bemühen. Sie muss jede Woche wieder bei den Behörden nachfragen. Wenn sie das nicht macht, muss sie auch ohne Einsicht zahlen.
Es gibt allerdings keine bestimmten Fristen, innerhalb derer der Versicherer leisten muss. Zu berücksichtigen ist, dass der Versicherer nach dem Versicherungsvertragsgesetz und den Versicherungsbedingungen berechtigt und im Interesse der Gesamtheit der Versicherten auch verpflichtet ist, geltend gemachte Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen. Zu diesem Zweck sind häufig Gutachten und Auskünfte einzuholen oder sonstige Beweisunterlagen zu beschaffen. Erfahrungsgemäß erfordert das einige Zeit. Darüber hinaus liegt dem Versicherer eine Vielzahl von gemeldeten Schadenfällen vor, für deren Bearbeitung ihm ein angemessener Zeitraum zugestanden werden muss.
Wenn eine Versicherung die Schadensregulierung jedoch unzulässig lange herauszögert, muss sie damit rechnen, dass ihr die Justiz dieses Verhalten negativ anrechnet. So kann bei langer Herauszögerung beispielsweise ein Schmerzensgeld deutlich herauf gesetzt werden, wie ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Schwerin zeigt:
Beispiel
In dem Fall ging es um die Folgen einer Kollision, die ein Versicherungsnehmer des beklagten Unternehmens verursacht hatte und bei dem die Klägerin schwerste Verletzungen erlitten hatte. Die zuvor rüstige 82-jährige Frau ist seitdem ein Pflegefall. Unter Hinweis auf eine angeblich schon vor dem Unfall bestehende altersbedingte Demenz zögerte die Versicherung die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes immer wieder hinaus. Statt der überwiesenen damals 4000 DM musste das Unternehmen der Geschädigten nun 50000 DM zahlen, entschieden die Schweriner Richter. Sie hielten der beklagten Versicherung ein unzulängliches Regulierungsverhalten vor. Sie kritisierten weiter, das Unternehmen habe wenig nachvollziehbar und ohne eigene Erhebungen letztlich ins Blaue hinein einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem schlechten Gesundheitszustand der Klägerin bestritten. Dass das Schmerzensgeld nicht noch wesentlich höher ausgefallen sei, begründeten die Richter mit der relativ verminderten Leidensfähigkeit des betagten und mittlerweile verwirrten Opfers. (LG Schwerin, Az.: 7 0 600/97, vom 29. Dezember 1999)
Die schleppende Regulierung eines Schadensfalls kann für eine Versicherung drastische Aufschläge bedeuten. Das Landgericht Saarbrücken verhängte /um Beispiel gegen ein säumiges Assekuranz-Unternehmen in einem Prozess um Schmerzensgeld einen kräftigen Zuschlag.
Beispiel
In dem Verfahren ging es um ein Kind, das bei einem Verkehrsunfall schwerwiegende Schädel- und Hirnverletzungen erlitten hatte. Das Mädchen wird sein Leben lang entstellt bleiben, leidet weiter psychisch und physisch unter den Unfallfolgen und ist nur noch in der Lage, eine Sonderschule zu besuchen. Unter Verweis auf angebliche Vorschäden und wegen behaupteter Zweifel, dass die gesamten Ausfallerscheinungen Folgen des Unfalls sind, hatte die beklagte Versicherung auch über zwei Jahre nach dem fatalen Unfall erst 13000 DM überwiesen. Selbst nach einem Urteil, das die Haftung der Versicherung dem Grunde nach feststellte und das Kind von einem Mitverschulden freisprach, dauerte es vier Monate, bis weitere 50000 DM flössen. Das Gericht, das unter Berufung auf mehrere ärztliche Gutachten sämtliche Behinderungen des Mädchens als unfallbedingt ansah, setzte auch unter Berücksichtigung der verspäteten Regulierung das Schmerzensgeld drastisch herauf: Fünf Jahre und zwei Monate nach dem Unfall bekam das Kind insgesamt 300000 DM Schmerzensgeld zugesprochen.
Einen ähnlichen Fall entschied das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz. Zahlt eine Versicherung nicht rechtzeitig, so darf der Versicherte auf deren Kosten einen Rechtsanwalt einschalten (LG Saarbrücken + OLG Koblenz, Aktenzeichen: 15 O 121/97 + 10 U 471/99 – Urteil vom 15. Februar 2001). Die Begründung der Richter: Sobald die grundsätzliche Leistungspflicht einer Versicherung feststehe, wäre es ein Zahlungsverzug, wenn sie die Zahlung ernsthaft und endgültig verweigere. Zu dem von der Versicherung zu zahlenden Verzugsschaden zähle auch das Honorar eines vom Versicherten eingeschalteten Anwalts. Das Gericht gab mit seinem Urteil der Zahlungsklage eines Versicherten statt.
Beispiel
Die beklagte Versicherung hatte dem Versicherten nach einem Unfall fälschlich mitgeteilt, sie müsse für einen Schaden nicht aufkommen. Der Versicherte zweifelte das an und schaltete einen Rechtsanwalt ein. Daraufhin erklärte sich die Versicherung bereit, den Schaden zu begleichen. Die Anwaltskosten wollte sie aber nicht übernehmen.
Immer nachhaken!
Diese Beispiele zeigen: Sie sollten nicht so schnell aufgeben, wenn die eigene Versicherung nicht baldig bezahlt. Setzen Sie erst einmal ein Schreiben auf, in dem Sie eine baldige Zahlung fordern. Reagiert der Versicherer darauf nicht oder bringt eine unakzeptable Begründung hervor, dann sollten Sie ein Schreiben an den Vorstand der Versicherung richten und diesen über den Sachverhalt aufklären. Setzen Sie eine Frist, wie lange Sie noch warten und geben Sie an, dass nach dieser Frist ein Anwalt eingeschaltet werden wird. Legen Sie auch Beschwerde beim Bundesaufsichtsamt ein. Bevor Sie dann jedoch tatsächlich rechtliche Schritte einleiten, sollten Sie sich vorab dringend beraten lassen, zum Beispiel bei der Verbraucherzentrale oder gegebenenfalls über die Rechtschutzversicherung.
Klageausschlussfrist, Verjährung und Schadenshöhe
Sie müssen den verfolgten Anspruch gegen die Versicherung ein halbes Jahr nach der förmlichen Ablehnung der Schadensregulierung gerichtlich geltend machen. Diese Frist beginnt aber nur dann zu laufen, wenn Sie der Versicherer in seinem Ablehnungsschreiben auch darauf hingewiesen hat, dass Sie Ihren Anspruch verlieren, wenn Sie ihn nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend machen. Lassen Sie sich in Zweifelsfällen von einer fachkundigen Stelle beraten.
Im Übrigen verjähren die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nach zwei Jahren, bei Lebensversicherungen nach fünf Jahren. Verjährungsbeginn ist am Ende des Jahres, in dem die Versicherungsleistung verlangt werden konnte, also fällig war.
Wer muss die Schadenshöhe beweisen?
Welcher Schaden zu zahlen ist, ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag. Bei Sachschäden wird grundsätzlich der Zeitwert ersetzt, nur in der Hausratversicherung gibt es den Ersatz des Neuwerts.
Es liegt beim Versicherungsnehmer, die Schadenshöhe zu beweisen. Es sind aber keine hohen Anforderungen an den Beweis gestellt. Es genügt, wenn die Umstände für den Eintritt des Versicherungsfalles sprechen.
In der Regel gelingt dieser Beweis über Gutachten oder die Vorlage der Kassenbelege über die Anschaffungskosten. Besonders häufig versuchen die Versicherer hier zu sparen, indem sie günstigere Gegengutachten fertigen lassen. Oft wird auch der Zeitwert sehr niedrig angesetzt. Kann man sich hier mit der Versicherung nicht einigen, hilft oft nur der Gang zu Gericht.
Schwieriger ist die Sache, wie oben in den Beispielen gesehen, bei Personenschäden. Hier sollten Sie einen Rechtsanwalt hinzuziehen. Gerade die Festlegung der Höhe eines zu zahlenden Schmerzensgeldes, die Berechnung des Verdienstausfalls oder des Haushaltsführungsschadens des Verletzten können Sie als Laie in der Regel nicht selbst vornehmen. Die Versicherer hingegen versuchen oft, mit entsprechenden Gutachten zu belegen, dass die Schäden nicht auf den Unfall zurückzuführen sind.
Problematik: Vorschaden
Bei Sachversicherungen werden oft Vorschäden zur Falle: Denn wer beispielsweise einen Einbruch aus dem vorletzten Jahr nicht angibt, muss damit rechnen, dass der Hausratversicherer die Leistung verweigert, wenn der Schwindel auffliegt. Deshalb sollten Sie schon vor dem Abschluss wichtiger Verträge den Rat eines Experten einholen. Versicherungsberater helfen dabei, im Antragsformular die Klippen zu umschiffen, die später der Auszahlung der vereinbarten Leistung im Wege stehen könnten. Die Kosten für die Beratung sind nichts im Vergleich zu einer späteren Verweigerung der Versicherung, die fällige Leistung auszuzahlen.
Vorsicht ist geboten, wenn Ihnen Vertreter der Versicherung selbst Rechtsrat erteilen und Sie als Kunden darauf hinweisen, dass eine Klage nicht erforderlich sei, wenn Leistungen nur vorläufig abgelehnt würden. Fakt ist: Der Versicherer hat kein Interesse daran, seine Versicherten tatsächlich ernsthaft zu beraten – er schützt vor allem seine eigenen Interessen. Wenn die Versicherung die Zahlung der Versicherungsleistung endgültig abgelehnt hat, bleibt Ihnen nur der Gang zum Gericht.
Am einfachsten vermeiden Sie Streit um die Leistungspflicht jedoch durch einfache Ehrlichkeit. Sie sollten alle abgefragten Vorerkrankungen bei Personenversicherungen und Vorschäden bei Sachversicherungen angeben, nichts beschönigen oder Tatsachen zurechtbiegen und lieber einen Risikoaufschlag in Kauf nehmen, als später im Ernstfall ohne Versicherungsschutz dazustehen.