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Drückerkolonnen – die raffiniertesten legalen Betrüger im Versicherungsgeschäft Teil I

Die zweite große Vertriebsschiene vieler Versicherungs-Aktiengesellschaften sind Drückerkolonnen (auch Kloppertruppen genannt), die mit allen möglichen Psychotricks und vor allem mit der Ausnutzung persönlicher Beziehungen arbeiten. Mit Kleinanzeigen oder durch andere Kontakte werden Personen angeworben, die entweder nur als Adressbeschaffer eingesetzt werden und gegen Geld ihre Bekannten, Freunde und Verwandten an die Drücker verraten und verkaufen und dabei als Türöffner dienen. Oder sie erhalten von einem Drückerkolonnen-Chef selbst die – ungeschützten – Bezeichnungen Vermögens-, Finanz-, Wirtschafts- oder Unternehmensberater und werden höchstpersönlich auf ihre Bekannten, Freunde und Verwandten losgelassen, nachdem man ihnen in kurzen Schulungen vor allem die erforderlichen Psychotricks beigebracht hat, wie man nicht bedarfsgerechte und viel zu teure Versicherungen an den Mann oder die Frau bringt.

In Schulungsunterlagen wird den Drückern durch gezielte Fragen gezeigt, wen sie aufgrund persönlicher Beziehungen ansprechen können: Wen kenne ich von meinem alten Arbeitsplatz, von der Schule oder Universität, aufgrund meiner Hobbys oder vom Sport, weil ich ein eigenes Haus habe, aus meiner jetzigen und früheren Nachbarschaft, weil ich ein Auto fahre, durch meine täglichen Besorgungen, durch meine Kinder, durch meine Frau/meinen Mann, aufgrund meiner Mitgliedschaft in Clubs, Vereinen, Verbänden und Organisationen …? Es folgt eine Blanko-Adressenliste. Und nach dem Schulungsmaterial soll der Drücker dann das Gespräch wie folgt eröffnen: Hallo Heinz, ich habe eine wahnsinnige Sache kennen gelernt. Die muss ich dir unbedingt zeigen. – Musst du haben! – Ist eine Überraschung! – Wann passt es dir? – Oh, Augenblick Heinz, da muss ich erst auf meinen Kalender sehen, ob ich dich noch dazwischenschieben kann. Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass ich mit dieser wichtigen Angelegenheit viel unterwegs bin! Kein Wort von Versicherung!

Und dann werden Formulierungen für Verkaufsgespräche vorgegeben: Warum zahlen Sie nicht einmal an sich selbst? – Ihr Geld von Ihrem Konto von Ihrer Bank auf Ihr Konto bei unserer Bank. – Auf Fragen wie Kommen Sie von einer Versicherung?, soll mit einer Gegenfrage reagiert werden: Haben Sie etwas gegen Versicherungen? Und gleichgültig, ob der Kunde hier mit Ja oder Nein antwortet, soll der Drücker antworten: Darum wollte ich Sie aufsuchen. Wann passt es Ihnen besser … Für die Frage, von welcher Organisation der vermeintliche Berater kommt, sind den Werbestrategen die scheinheiligsten Antworten eingefallen, wie z.B.: Wir sind eine Organisation, die anderen Menschen hilft, Steuern zu sparen, und das interessiert Sie doch sicherlich, Herr …? Wieder kein Wort darüber, dass Versicherungen vermittelt werden.

Das ahnungslose Abschlussopfer lässt den Bekannten oder Menschen mit der wahnsinnigen Sache antanzen und schließt am Ende – mit Psychotricks überzeugt – eine Kapital-Lebens- oder private Rentenversicherung ab. Und er ist auch noch so leichtsinnig, Adressen weiterer Bekannter preiszugeben, zu denen der Drücker dann mit dem Spruch kommt: Wir haben einen gemeinsamen Bekannten, der mein Angebot ganz toll fand … – Ein Schneeballsystem ist in Gang gesetzt. Drücker gehören zu Vermittlungsorganisationen oder Strukturvertrieben, die meist in enger Beziehung zu großen Versicherungskonzernen stehen. Besonders schlimme Drückerkolonnen sind die Deutsche Vermögensberatung mit weit über 20000 Vermögensberatern (für Aachener & Münchener, Volksfürsorge), die HMI (für Hamburg- Mannheimer) mit etwa 20000 und die OVB mit etwa 10000 Drückern (für Deutscher Ring, Volksfürsorge, Hanse Merkur, Iduna/Nova).

Daneben gibt es viele andere aggressive Vertriebsorganisationen wie ZEUS (für Deutscher Ring, Continentale), AWD und Bonnfinanz (für Deutscher Herold, Deutsche Bank) mit Tausenden von Vermögens-, Finanz- oder Wirtschafts-Beratern und viele hundert andere unseriöse Vermittlertruppen – wie z.B. die BVB Quinz Holding, MLP, Proventus … Sie vermitteln ihre Verträge grundsätzlich an nicht empfehlenswerte Gesellschaften und Konzerne mit schlechten oder viel zu teuren Angeboten. Drücker kommen wie Hausierer ins Haus oder Büro, haben aber vorher meistens über eine persönliche Beziehung oder einen Mittelsmann das Vertrauen ihrer Opfer erschlichen. Dem Misstrauen gegenüber ihren Angeboten begegnen sie mit dem Hinweis, dass alles, was sie anbieten, staatlich beaufsichtigt sei.

Dieser Hinweis ist sogar richtig, wobei man allerdings wissen muss, dass die staatliche Versicherungsaufsicht weder die Prämienhöhe noch das bedarfsgerechte Anbieten von Versicherungen kontrolliert, dass also die Staatsaufsicht nicht gegen Wucher und legalen Betrug schützt. Und dann können manche Drücker auch noch auf das Bundesverdienstkreuz ihres Anführers hinweisen und Hochglanzfotos ihres Chefs mit prominenten Persönlichkeiten vorlegen. Selbst Bundeskanzler Kohl und etliche Politiker geben der schlimmsten Drückerkolonne den Anschein der Seriosität – so ein Artikel Helmut Kohl & Reinfried Pohl – ein Lehrstück über Geld & Moral aus der Mitgliederzeitung des Bundes der Versicherten im Jahre 1995:

Bundeskanzler Helmut Kohl spricht zur Deutschen Vermögensberatung (DVAG). Kohl wischt Kritiken beiseite, lobt, ermutigt, motiviert (so die Zeitschrift Cash).

Kohl: Der eine oder andere kann hier eine Anleihe nehmen, wie man’s macht Von solchen Männern und Frauen lebt die Zukunft unseres Landes.

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