02Versichertengeld wird nicht treuhänderisch verwaltet, es wird missbraucht und verschwindet in dunklen Kanälen.
Wenn Sie eine Kapital-Lebensversicherung besitzen oder abschließen wollen, dann interessiert Sie sicher, was Ihre Gesellschaft mit Ihrem Geld macht, das Sie jahrzehntelang zahlen. Bleiben wir einmal bei dem Beispiel mit den 1000 Euro Jahresbeitrag und den 30 Jahren Vertragsdauer. Sie zahlen die ersten 1000 Euro. Klar ist in diesem Augenblick nur, dass Hinterbliebene die Versicherungssumme von 32000 Euro erhalten, wenn der versicherten Person etwas passiert (noch einmal: das können Sie auch mit etwa fünf Prozent des Beitrages über eine Risikoversicherung erreichen). Bei der Kapitalversicherung dagegen ist völlig unklar, was mit Ihrem Geld geschieht.
Denn plötzlich gilt nicht mehr die interne Aufteilung der Prämie in 20 Prozent Kosten und Gewinn, 20 Prozent für den Versicherungsschutz und 60 Prozent als Sparanteil, sondern die Gesellschaft meint, die 1000 Euro zunächst einmal – wie ein Bäcker das Geld für die verkauften Brötchen – nach Belieben verwenden zu können. Wie schrieb die Nürnberger so schön in einem Gerichtsverfahren: Die Art und Weise der Verwendung der Prämie ist allein Sache des Versicherers. Der erste Jahresbeitrag geht bei fast allen Gesellschaften nahezu vollständig für die Abschlussprovision an den Vermittler weg. Und ein Teil verschwindet auf dem Verschiebebahnhof Konzern.
Das sind Mutter-,Tochter- und Schwestergesellschaften, an die über die so genannte Rück- oder Mitversicherung Teile der vereinnahmten Beiträge gehen. Die Gesellschaften lagern auch gewisse Funktionen (z. B. Werbung, Vertrieb, Grundstücksverwaltung usw.) auf andere Gesellschaften aus und erstatten diesen oft überhöhte Kostenrechnungen. Auch Allgemeinkosten (beispielsweise die Kosten von Geschäftsstellen) können nach falschen Kostenschlüsseln zu Lasten der Lebensversicherten aufgeteilt werden. So werden Versichertengelder dorthin verschoben, wo ein Konzern sie am besten gebrauchen kann, wo es vor allem den Ansprüchen der Versicherten auf Überschussbeteiligung entzogen ist.
So geht das Jahr für Jahr weiter: Mit den Beiträgen der ersten Jahre werden vor allem die hohen Vertriebskosten der Gesellschaft finanziert (denken Sie an die Devise: Der erfolgreiche Vertrieb schlägt das bessere Angebot). Für den Lebensversicherten werden also zunächst einmal nicht die kalkulierten 600 Euro pro Jahr angespart, sondern noch gar nichts, zumindest aber viel weniger. Deshalb würde der Versicherte bei vorzeitiger Kündigung auch nur einen Bruchteil seiner Beiträge ausgezahlt bekommen (es gibt ganz wenige Unternehmen, die sehr viel mehr zurückzahlen, z. B. die Hannoversche Leben).
Außerdem werden die Kostenkalkulationen überschritten, also mehr als die kalkulierten Kosten von 200 Euro pro Jahr verbraucht. In seiner Untersuchung Versicherungsmärkte ermittelte Professor Finsinger Durchschnittskosten von 27 Prozent der Prämieneinnahme bei Lebensversicherungen. Solche Kostenüberschreitungen sind für die Gesellschaften kein Problem. Es entstehen ja die oben beschriebenen Zins- und Risikoüberschüsse, mit denen diese Kostenüberschreitungen – voll zu Lasten der Versicherten – ausgeglichen (saldiert) werden können. Irgendwann legt Ihre Gesellschaft die Sparanteile Ihrer Beiträge und die restlichen Beitragsüberschüsse zusammen mit dem Geld der anderen Versicherten an – u. a. in Grundstücken, Wertpapieren und Beteiligungen an anderen Unternehmen. Das bringt zwar Erträge, aber – und das weiß kaum jemand – auch automatische Verluste.