Ein Denkmal hat die Versicherungswirtschaft ihm noch nicht gesetzt, dem Erfinder der Kapital-Lebensversicherung, doch sie sollte es tun. Schließlich hat seine Idee zum rasanten Wachstum der Branche geführt. Die Idee war genial: Eigentlich hat eine Versicherung nämlich nicht das geringste mit Sparen zu tun, auch wenn manche Versicherungswissenschaftler zur Freude der Branche gerne einmal eine Verbindung zu Vorsorge und Sparen herstellen. Durch die Verbindung der gewöhnlichen Risiko-Lebensversicherung mit einem Sparvorgang konnte die Branche die eher geringen Prämien nahezu unbegrenzt ausdehnen – schließlich bekommt der Versicherte ja das Geld irgendwie wieder zurück. Zugleich förderte der Staat das neue Produkt, indem er Steuerprivilegien gewährte. Das sogenannte Steuerprivileg der Lebensversicherung bedeutet vor allem, dass die Zinserträge nach einer Laufzeit von mindestens zwölf Jahren steuerfrei sind. Außerdem sind Lebensversicherungs-beiträge bis zu Höchstgrenzen vor der Ermittlung der Steuer vom Einkommen absetzbar. Allerdings sind bei Arbeitnehmern diese Höchstgrenzen meist schon durch Sozialabgaben aufgezehrt. Durch die Vermischung von Sparanteil und Risikoprämie sowie einen recht undurchsichtigen Wettbewerb mauserte sich die neue Sparte schnell zu einer der gewinnträchtigsten überhaupt.
Der Grund sind die hohen Kapitalanlagen, mit denen die Versicherer Zinsgewinne erzielen können, an denen die Kunden aber eine nur unzureichende Mindestbeteiligung haben. Die Kapital-Lebensversicherung (auch gemischte Lebensversicherung genannt) funktioniert so: Der Versicherte zahlt neben seinem Beitrag für die Risiko-Lebensversicherung einen sogenannten Sparanteil. Diesen Anteil legt die Versicherung für ihn an. Dafür gibt sie ein Rendite-Versprechen. Sie muss neben dem garantierten Rechnungszins (rechnungsmäßige Verzinsung) von 3,25 Prozent noch 1,5 Prozent als sogenannte Direktgutschrift aus den Überschüssen erreichen. Was an Überschüssen für die Versicherten darüber hinausgeht, kommt in die Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB). Die RfB ist der Sammeltopf für die Überschüsse, aus dem der Versicherte nach Gusto der Lebensversicherung eine sogenannte Überschussbeteiligung ausgezahlt bekommt. Die neuen liberalisierten Tarife seit 1995 arbeiteten zunächst mit 4 Prozent Rechnungszins, was aber am Grundprinzip nichts ändert. Bei gleicher Versicherungssumme wurden zwar die Beiträge geringer, doch die Ablaufleistung – auf den Beitrag gerechnet – bleibt gleich. Die Lebensversicherer sind dazu verpflichtet, mindestens 90 Prozent ihrer Gewinne an ihre Kunden weiterzugeben. Doch vorher werden alle denkbaren Kosten gedeckt und alle Tricks genutzt, um Kosten aus anderen Sparten in die Lebensversicherung zu verlagern. So wird zum Beispiel auf Kosten der Lebensversicherung eine riesige EDV-Anlage angeschafft, die nie für die Lebensversicherung genutzt wird. Von dem verbleibenden Rest geben gute Gesellschaften etwa 97 bis 99 Prozent weiter. Vor einigen Jahren musste das Bundesaufsichtsamt eine Reihe von Gesellschaften sogar zwingen, die damals stark angewachsenen RfB zu verteilen, und veranlaßte eine Sonderausschüttung. Seit Sommer 2 000 stellen die Lebensversicherer die Tarife um. Die meisten Lebensversicherer verzinsen die Sparanteile einer Kapital-Lebensversicherung nun mit 3,25 Prozent. Außerdem rechnen sie nach einer aktuellen Sterbetafel. Dadurch sinkt die Versicherungssumme bei gleichem Beitrag um 10 Prozent. Dies gilt natürlich nur im Todesfall, die Ablaufleistung bleibt gleich. Denn die über die garantierte Verzinsung hinausgehenden Überschüsse gingen vorher schon zum größten Teil an die Kunden. Als Tarifneuheiten bieten die Lebensversicherer immerhin mehr Flexibilität an: Einige Varianten erlauben den Kunden, die Versicherungssumme für den Todesfall während der Laufzeit zu ändern.
Bei Optionstarifen darf der Versicherte den Auszahlungszeitpunkt in den letzten fünf Jahren frei wählen. Und die Dauer der Beitragszahlung und die Laufzeit der Police müssen nicht mehr unbedingt übereinstimmen. Die mit viel Publicity gestarteten Nichtraucherpolicen dagegen sind meist Mogelpackungen: Auch Raucher können ihr Leben meist billiger versichern als bei diesen Anbietern – zum Beispiel bei einem Direktversicherer.
Kritik an der Kapital-Lebensversicherung
Keine Angabe des genauen Sparanteils. Die zu zahlende Prämie für die Kapital-Lebensversicherung teilt sich in den Verwaltungsanteil, den Risikoanteil für den Todesfallschutz und den Sparanteil, der verzinslich angelegt wird. Die jeweiligen Anteile werden also nicht offengelegt. Damit kann der Versicherte nur ahnen, welcher Anteil zur Kapitalanlage genutzt wird. Die Rendite der Kapital-Lebensversicherung ist daher nur schwer zu beurteilen. Der
Assekuranz-Marktforschungsdienst Map-Report hat im Frühjahr 2 000 erstmals den Schleier gelüftet. Ergebnis: Die vorgerechneten Gewinnzahlen, ausgedrückt in der Ablaufleistung, liegen nicht selten unter den bei Vertragsabschluss vorgerechneten Prognosewerten. Ursache dafür sind vor allem im Laufe der Zeit reduzierte Gewinnbeteiligungen, aber auch satte Kostenanteile für Vertrieb und Verwaltung. Im günstigsten Fall gehen 70 Prozent der Prämie auf das Konto für die Altersvorsorge (Sparanteil), im schlechtesten Fall nur 55 Prozent.
Kein Wettbewerb über die Beiträge. Das Bundesaufsichtsamt hat verbindliche Vorschriften für die Beitragskalkulation entworfen. Dadurch wird das Beitragsniveau der Lebensversicherer weitgehend untereinander angeglichen. Die Kalkulation ist äußerst vorsichtig mit niedrigem Rechnungszins, Sterbetafeln mit zu hoher Sterblichkeit und damit zu hohen Risikoprämien und üppigen Kostenzuschlägen. Ziel ist die Sicherung der dauernden Erfüllbarkeit der Verträge, auf Deutsch: dass der Versicherer am Ende der Laufzeit oder im Todesfall auch zahlt. Die Folge ist, dass kein Wettbewerb über die Beiträge stattfindet. Statt dessen soll er über die Überschussbeteiligung zustande kommen, denn die Beitragskalkulation führt wegen der höheren tatsächlichen Vermögensrendite, günstigeren Sterblichkeit und niedrigeren Verwaltungskosten zwangsläufig zu Überschüssen. Für die Wahl eines Versicherers muss daher die Gewinn- und Überschussbeteiligung entscheidend sein.
Kosten von Lebensversicherungen* | ||||
Unternehmen | Gesamtbeitrag pro Jahr (€) | Risikoanteil (%) | Kostenanteil (%) | Spar- anteil (%) |
Die Sparsamen | ||||
Deutsche Allgemeine | 1048 | 25,13 | 4,01 | 70,86 |
Optima | 1085 | 24,29 | 7,24 | 68,47 |
Cosmos Direkt | 1094 | 24,07 | 8,05 | 67,87 |
Ontos | 1096 | 24,04 | 8,17 | 67,78 |
Hannoversche Leben | 1098 | 23,98 | 8,40 | 67,61 |
HUK-Coburg | 1101 | 23,92 | 8,63 | 67,44 |
Die Teuren | ||||
Alte Leipziger | 1252 | 21,05 | 19,61 | 59,34 |
Basler | 1252 | 21,05 | 19,62 | 59,34 |
Winterthur | 1255 | 20,99 | 19,83 | 59,18 |
Gerling E & L | 1255 | 20,99 | 19,84 | 59,17 |
Neckura | 1325 | 19,88 | 24,08 | 56,04 |
Hamburg-Mannheimer | 1351 | 19,51 | 25,50 | 54,99 |
* gemischte Kapital-Lebensversicherung für einen Mann (35 Jahre, Raucher), Vertragsende: 63, 46 000 € Versicherungssumme, jährliche Beitragszahlung |
Quelle: map-report 422/2000; FSS
Keine garantierte Gewinnbeteiligung. Doch die Gewinn- und Überschussbeteiligung ist für die Versicherten völlig undurchschaubar: Die Lebensversicherer arbeiten zwar mit Beispielrechnungen zur Gewinnbeteiligung und der Höhe der Ablaufleistung. Sie sind aber nur unverbindliche Prognosen. Die Höhe der Überschussbeteiligung ist eine unternehmerische Entscheidung der Versicherung. Eine Garantie für sie gibt es nicht. Die Höhe der Ablaufleistung ist abhängig vom Sterblichkeits- und Kostenverlauf, aber vor allem von den Kapitalerträgen. In den Beispielrechnungen werden die zuletzt deklarierten Überschussanteile über die gesamte Versicherungsdauer hochgerechnet. Jeder Versicherer wählt natürlich einen möglichst günstigen Zeitraum für die Beispielrechnung, in der die Zinsen möglichst hoch waren. In Wirklichkeit aber ist die künftige Marktentwicklung entscheidend. Sie aber ist nicht in eine Beispielrechnung zu packen.
Tip: Das Eintrittsalter
Eine Kapital-Lebensversicherung bringt umso mehr Rendite, je früher sie abgeschlossen wird. Der Grund ist neben dem Zinseffekt vor allem der Risikoanteil für den Todesfall-schutz. Je älter der Versicherte, desto höher ist der Anteil und desto schlechter die Rendite. Bei gleichem Tarif beträgt der Unterschied zwischen einem 30- und einem 50jährigen meist mehr als 1 Prozentpunkt. Allerdings ist der Risikoschutz für den 50jährigen wegen der höheren Sterblichkeit auch mehr wert. Diesen Hinweis vergessen die meisten Vertreter, die den 25jährigen zum Abschluss drängen. Wer als älterer Versicherter nur auf die Rendite schaut, kann einen jüngeren Verwandten einsetzen. Allerdings ist dafür das schriftliche Einverständnis des Versicherten notwendig. Die meisten Tarife der Risiko-Lebensversicherung sehen eine Umwandlung in eine Kapital-Lebensversicherung während der ersten zehn Jahre oder sogar während der gesamten Laufzeit vor. Der Vorteil: Eine erneute Gesundheitsprüfung entfällt, der Tarif richtet sich aber nach dem neuen Eintrittsalter zu Beginn der Kapital-Lebensversicherung.
Fehlende Transparenz der Kapitalanlagen. Die Versicherten werden nicht systematisch an den Kapitalanlagen beteiligt, etwa parallel zu den Wertsteigerungen. Durch das Niederstwertprinzip der Bilanzierung werden Wertpapiere nur zu ihrem Anschaffungspreis oder dem niedrigsten Börsenkurs seit Kauf bilanziert. Die Differenz zum tatsächlichen Marktwert wird stille Reserve genannt. Das Niederstwertprinzip führt dazu, dass die Versicherungen erhebliche stille Reserven aus Versichertengeldern bilden können. An ihnen werden die Versicherten nicht beteiligt.
Kapital-Lebensversicherung:
Formen der Überschussbeteiligung Bonussystem. Aus den Überschussanteilen wird laufend eine weitere kleine beitragsfreie Versicherungssumme gebildet. Die Absicherung im Todesfall wird also höher. Zusätzlich werden teilweise Schlußgewinnanteile oder ein Erlebensfallbonus gewährt. Der Erlebensfallbonus wird nur bei Erleben des letzten Tags der Vertragsdauer gezahlt, der Schlußgewinnanteil auch bei Tod und Kündigung nach mehr als einem Drittel der Laufzeit – wenngleich stark reduziert. Verzinsliche Ansammlung. Dieses System schont die Rendite: Die Erträge werden angesammelt und verzinst. Ausgezahlt wird erst im Erlebensfall oder Todesfall. Sofortrabattsystem. Die Überschüsse reduzieren wie in der Risiko-Lebensversicherung direkt die Beiträge. Die finanzielle Belastung wird geringer. Dieses System ist aber weniger gebräuchlich.
Magere Rendite. Wer vor 30 Jahren eine Kapital-Lebensversicherung abgeschlossen und monatlich 100 € eingezahlt hat, erhält im Branchendurchschnitt rund 78 000 €. 50 Prozent der Summe stammen aus Prämienzahlungen, der Rest aus den Kapitalerträgen. Das angesparte Kapital hat sich also verdoppelt; die Rendite liegt bei 5,5 Prozent. Für eine faire Renditebewertung muss der zusätzliche Versicherungsschutz mitberechnet werden. Neben der reinen Risiko-Lebensversicherung kann eventuell eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit einbezogen werden. Sie ist als Zusatz zur Kapital- Lebensversicherung deutlich preiswerter. Zu berücksichtigen ist auch ein psychologischer Faktor: Der Abschluss einer Kapital-Lebensversicherung zwingt zum Sparen und damit zur Vermögensbildung. Allerdings erfüllen die von Banken oder Investmentfonds angebotenen Sparpläne den gleichen Zweck.
Tip: Wie Sie die Rendite steigern
Neben einem frühen Eintrittsalter gibt es vier Tips für eine höhere Rendite:
– Jährliche Zahlweise: Wer den Beitrag monatlich überweist, zahlt Zuschläge bis zu 5 Prozent des Jahresbeitrags. Zahlen Sie daher möglichst immer Jahresraten. Das erhöht die Rendite um rund 0,25 Prozentpunkte. Bis zur Fälligkeit können die Beiträge beispielsweise auf einem Sparbuch gesammelt werden.
– Hohe Versicherungssumme: Kleine Verträge sind ungünstig. Versicherungssummen von 5 000 € bringen meist weniger als fünf Prozent Rendite. Denn bei allen Verträgen kassieren die Versicherer Stückkosten, die unabhängig von der Versicherungssumme sind. Damit werden kleine Verträge relativ höher belastet. Sie eignen sich zudem weder zur Altersversorgung noch zur Absicherung der Hinterbliebenen. Ganz ungünstig sind Summen bis 10 000 €, ab 20 000 € beginnt der bessere Bereich.
– Keine Zusatzversicherungen: Auf doppelten Todesfallschutz und Unfallzusatzversicherung kann getrost verzichtet werden. Nur ein Berufsunfähigkeitszusatz kann sinnvoll sein, wenn das Risiko noch nicht gedeckt ist.
– Frauen: Frauen haben eine längere Lebenserwartung. Daher fallen die Sterblichkeitsgewinne höher aus. Die Rendite ist bis zu 0,3 Prozentpunkte höher.
Provisionssystem und Rückkaufswerte. Auch das übliche Provisionssystem bei Kapital-Lebensversicherungen benachteiligt den Versicherten. Die sogenannte Zillmerung – benannt nach dem deutschen Mathematiker August Zillmer, der sie 1863 erfand – deckt die Provisions- und Abschlusskosten aus den ersten drei Jahresbeiträgen. Die Nachteile für die Versicherten: Mit den ersten Beiträgen wird kein Kapital gebildet, das Zinsen trägt. Bei vorzeitiger Kündigung erhält der Kunde in den ersten Jahren nicht einmal seine gezahlten Beiträge zurück. Inzwischen bieten einige Versicherer auch nicht-gezillmerte Tarife an, bei denen die Abschlusskosten auf die gesamte Laufzeit verteilt werden. Dies ist für den Kunden weit günstiger: Er bildet von Anfang an hohe Guthaben. Damit ist die Höhe der Rückerstattung der Beiträge bei vorzeitiger Vertragsauflösung (Rückkaufswert) in den ersten Jahren größer, und zugleich erzielt er einen höheren Zinseszinseffekt. Auch wenn mancher Versicherte den Rückkaufswert für weniger wichtig halten mag: Die Zahl der Lebensversicherungsverträge, die nicht wie vereinbart durchgehalten und teilweise mit hohem Verlust geändert oder aufgehoben werden, ist hoch. Schätzungen von Verbraucherschützern reichen bis zu zwei Drittel aller Verträge.