Unwissenheit und Intransparenz haben auch zu Misstrauen, Resignation und Passivität bei den Verbrauchern geführt. Nach dem Ergebnis einer Umfrage aus dem Jahre 1996 glauben etwa drei Viertel der Befragten, Versicherungsgesellschaften würden die Verbraucher nur über den Tisch ziehen und Vertreter würden falsche Versicherungen anbieten. Doch genau diese unter den beschriebenen Umständen ganz natürliche Verbraucherhaltung haben die Versicherungs-Aktiengesellschaften in ihre Strategie einbezogen. Das Misstrauen brechen sie vor allem über persönliche Schienen. Alle möglichen Kontakte, die ein normaler Mensch hat, werden aus genutzt – über Vereine, Autoverkäufer, Angestellte von Banken bis hin zu Steuerberatern und Kollegen in Firmen, die alle – oft nebenbei – Versicherungen vermitteln. Meinungsumfragen bestätigen, dass die Bürger Versicherungsunternehmen und Vertreter so lange schlecht beurteilen, bis sie eine Versicherung abgeschlossen haben. Dann ändert sich ihre Einstellung total, weil sie danach – in Ermangelung anderer Kriterien – ihre Versicherung nach der Person des netten Vertreters oder guten Bekannten beurteilen, gegen den sie kein Misstrauen mehr hegen. Ihm haben sie ja mit der Unterschrift unter einen oder mehrere Anträge ihr Vertrauen geschenkt. So wird der im Grunde miserable und viel zu teure Versicherungsschutz über Jahre und Jahrzehnte für gut und günstig gehalten.
Passivität der Verbraucher wird durch einen aufwändigen aggressiven Vertrieb gebrochen
Die Passivität und die Informationsunlust der Verbraucher in Sachen Versicherungen hängen unmittelbar zusammen. Wer also – wie die Versicherungs-Aktiengesellschaften – für seine schlechten und zu teuren Angebote den uninformierten Bürger, seine Resignation und Informationsunlust braucht, muss auch seine Passivität in die Absatz-strategien einbeziehen. Das haben die Unternehmen getan, indem sie die abwartende Haltung fast aller Verbraucher durch aufwändige Vertriebssysteme brechen, mit denen die Gesellschaften bis in das Wohnzimmer der passiven Bürger Vordringen nach dem Motto: Der erfolgreiche Vertriebsweg entscheidet eher als das richtige Produkt oder der richtige Preis über den Erfolg. So die Feststellung des Präsidenten des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, die man auch als Ermunterung an seine Kollegen verstehen kann, kräftig in den Vertrieb zu investieren.
Eigentlich eine schlimme Aussage, weil sie die Richtigkeit der oben aufgestellten Behauptung beweist, dass die Aktiengesellschaften die Uninformiertheit der Verbraucher zu ihrer Geschäftsgrundlage gemacht haben. Denn schlechte und teure Angebote können nur dann erfolgreicher sein als richtige und günstige Angebote, wenn die Interessenten unwissend sind und der Wettbewerb nicht funktioniert. Eine Versicherungs-Aktiengesellschaft kann – wie wir gesehen haben – so viel Kosten verursachen, wie sie will. Ihre Gewinne sind dabei nicht-wie überall sonst in der Wirtschaft-bei niedrigen Kosten besonders hoch, sondern gerade umgekehrt: je aufwändiger das Vertriebssystem, desto höher der Gewinn. So kann man die Aussage des Präsidenten des Gesamtverbandes abwandeln in: Ein aufwändiger Vertrieb schlägt die besseren Angebote und bringt mehr Gewinn!
Verbraucher werden von der eigenen Information abgehalten
Es ist üblich, dass nicht der Kunde die Initiative zur Deckung seines Versicherungsbedarfs ergreift. Er hat sich vielmehr daran gewöhnt, zu Hause von einem Vermittler aufgesucht zu werden. So ist noch heute das Wissen des Verbrauchers um seine Versicherungen und das ganze Versicherungswesen im Allgemeinen auf die vier Wände seiner Wohnung beschränkt. Davon gehen auch Werbeslogans aus – wie z. B. Man vertraut uns oder Vertrauen Sie uns – und Ihrem Verstand (eine in sich widersinnige Werbung). Ebenso unsinnig ist eine Werbung der Deutschen Bank: Vertrauen ist der Anfang von allem. Richtig sollte es heißen: Information ist der Anfang von allem. Vertrauen ist dagegen der Anfang vom Ende der eigenen Entscheidungsfähigkeit.
Man merkt die Absicht dieser Werbung und Anzeigen – und ist verstimmt. Die Verbraucher werden uninformiert gelassen. Gleichzeitig wird ihnen aber auch ihre Hilflosigkeit vor Augen geführt und auf die rettende Möglichkeit verwiesen, sich einem Vertreter, einer Gesellschaft oder einer Bank anzuvertrauen. Die mangelnde Information des Bürgers über Versicherungen und seine bewusst geschürte, aber unbegründete Angst vor einer angeblichen Kompliziertheit der Materie, seine Resignation und Passivität lassen ihn zur leichten Beute für die Versicherungsvertreter werden. Und diese sind das wichtigste Instrument in der Strategie der großen und teuren Versicherungs- Aktiengesellschaften.