Warnung: Bedingungsfallen in der Berufsunfähigkeitsversicherung!
Durch die Deregulierung des Versicherungsbinnenmarktes und das damit verbundene Wegfallen der Staatsaufsicht haben die meisten Versicherungsgesellschaften im Laufe der Jahre 1994/1995 ihre alten Versicherungsbedingungen überarbeitet und neue Bedingungen für die BU eingeführt. Dies ist nicht immer zum Vorteil des Versicherungsnehmers.
Man sollte seinen Versicherungsvertreter nach den Unterschieden zwischen alten und neuen Bedingungen fragen. Weiß er dies nicht, sollte man sich nach einem neuen Berater umsehen.
Bislang hatten die deutschen Lebensversicherungsgesellschaften die Prämien der Berufsunfähigkeitsversicherung auf der Basis der Rechnungsgrundlagen aus den 30er Jahren kalkuliert. Dies wurde nun überarbeitet, so dass für jüngere Frauen der Versicherungsschutz nach der neuen Kalkulation bis 25% billiger wird. Frauen, die älter als 42 Jahre sind, müssen dagegen mehr Beiträge bezahlen. Männer bis zu einem Alter von 35 Jahren und über einem Alter von 50 Jahren müssen nach der neuen Berechnung ebenfalls mehr bezahlen.
Im Bedingungswerk hat sich an der Definition, wann die Berufsunfähigkeit vorliegt, nichts geändert.
Definition der Berufsunfähigkeit
Nach den alten und neuen Musterbedingungen liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
Aufgrund dieser Definition hat es in der Vergangenheit schon öfters wegen Verweisungsmöglichkeiten auf andere Berufe langwierige Prozesse zwischen den Versicherten und ihren Versicherungsgesellschaften gegeben.
Nun aber haben einige Versicherungsgesellschaften diese weite Definition der Berufsunfähigkeit noch erweitert, und zwar so, dass auf den ersten Blick keine wesentliche Änderung ersichtlich ist. Die Versicherungsgesellschaften haben die Begriffe Ausbildung und Erfahrung durch die Wörter Kenntnisse und Fähigkeiten ersetzt. Dies bedeutet für den Versicherten, dass schon dann ein anderer Beruf gefunden worden ist, wenn dafür die Kenntnisse und Fähigkeiten ausreichen. Mit dieser Klausel ist also grundsätzlich auch eine Verweisung auf so genannte Anlernberufe möglich. Dieser Anlernberuf muss dann nur noch der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entsprechen.
Nach Expertenmeinung handelt es sich durch die Begriffe Kenntnisse und Fähigkeiten zwar noch um eine BU-Versicherung, aber die Tendenz geht hin zu einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung.
Dies ist schlecht für jeden Versicherten, denn es besteht die Gefahr, dass die Versicherungsgesellschaften im Versicherungsfall sehr weit interpretieren. Es ist auch anzunehmen, dass die Gerichte diese Klausel, wenn sie nicht nach dem AGBG sogar unzulässig ist, zum Nachteil des Versicherten auslegen werden.
Ab wann kann der Versicherte die Leistung verlangen?
Wenn der Arzt nicht eine dauernde BU bestätigen kann, gilt nach den Normativbedingungen die Fortdauer dieses Zustandes als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit. Daraus resultiert, dass der Versicherte erst nach einer sechsmonatigen BU eine Rente erhalten kann. Der Versicherer hat hier nichts anderes als eine Karenzzeit gegenüber dem Versicherten. Die ersten sechs Monate muss er mit eigenen Mitteln überbrücken. Wenige Versicherer leisten dagegen auch rückwirkend zum Zeitpunkt des Monats, in dem die BU eingetreten ist.
Einige Gesellschaften haben den Begriff der Fortdauer gestrichen und eingefugt, dass dieser Zustand ab Beginn zu einer BU-Rente berechtigt. Dies ist für den Versicherungsnehmer sehr positiv, da er von Anfang an seine Rente bekommt.
Versäumnis der Anmeldefrist
Versäumt der Versicherte, die Berufsunfähigkeit rechtzeitig dem Versicherer anzuzeigen, so entsteht der Anspruch auf die Versicherungsleistung erst mit dem Beginn des Monats der Mitteilung. Rechtzeitig heißt, innerhalb von drei Monaten nach dem Eintritt der BU, und zwar schriftlich.
Nur wenige Versicherer verzichten komplett auf diesen Passus und leisten rückwirkend, selbst bei verspäteter Meldung.
Stundung der Leistungspflicht
Bis zur endgültigen Entscheidung über die Leistungspflicht müssen die Beiträge zum Versicherungsvertrag weiter gezahlt werden. Aber gerade in dieser Zeit können finanzielle Engpässe entstehen. Im Falle der Leistungspflicht werden die Beiträge zurückgezahlt. Dass hier die meisten Versicherungen auf eine Beitragsweiterzahlung bestehen, ist schon mehr als unglücklich.
Einige Gesellschaften verzichten darauf und stunden dem Versicherten die Beiträge bis zur Entscheidung der Leistungspflicht zinslos.
Ab wann leisten die Versicherer?
Die meistverwendete Vereinbarung ist die 50-%- Regelung. Sie besagt, dass der Versicherer ab einer ärztlich festgestellten Berufsunfähigkeit von 50% zur Rente bzw. Beitragsbefreiung verpflichtet ist (in der Regel bis Laufzeitende des Versicherungsvertrages).
Nur wenige Versicherer bieten eine Staffelregelung an, die bereits bei einer Berufsunfähigkeit ab 25% bis 75% eintritt. Die Leistung des Versicherers richtet sich nach dem BU-Grad.
In Verbindung mit einer KLV (Versicherungssumme 100 000€) wird eine 24%ige BU-Zusatzversicherung vereinbart Bei einer 40%igen BU erhält der Versicherte nach der 50-%-Regelung nichts, während er bei der Staffelregelung bereits 40% der vereinbarten Rente (= 800€) bekommt und auch 40% weniger Beiträge für den Versicherungsvertrag zahlen muss.
Wie schon erwähnt, zählt bei dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht nur der Preis, sondern auch die Versicherungsbedingungen. Wenige Versicherungen weichen von den Normativbedingungen ab und definieren die BU etwas anders. Sie verzichten auf den Passus voraussichtlich dauernd außerstande ist und ersetzen ihn durch die Worte voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen.
Diese Definition ist verbraucherfreundlicher, da sie eine zeitliche Eingrenzung beinhaltet (sechs Monate).
Die Leistungszusage
Nach der Rechtsprechung ist eine zeitliche Begrenzung nach den alten BU-Bedingungen ohne die Zustimmung des Versicherungsnehmers nicht möglich.
Ausschlüsse
Gemäß den Normativbedingungen sind viele Ausschlüsse bei der Berufsunfähigkeitsversicherung definiert. Es wird nicht geleistet, wenn die BU verursacht ist
• unmittelbar oder mittelbar durch Kriegsereignisse oder innere Unruhen, sofern der Versicherte auf Seiten der Unruhestifter teilgenommen hat;
• durch vorsätzliche Ausführung oder strafbaren Versuch eines Verbrechens oder Vergehens des Versicherten;
• durch die absichtliche Herbeiführung von Krankheit oder Kräfteverfall, absichtliche Selbstverletzung oder versuchte Selbsttötung. Geleistet wird jedoch, wenn der Versicherte diese Handlung in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat;
• durch eine widerrechtliche Handlung, mit der der Versicherungsnehmer vorsätzlich die BU herbeifuhrt;
• durch Beteiligungen an Fahrveranstaltungen mit Kraftfahrzeugen, bei denen es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt und den dazugehörigen Ubungsfahrten;
• durch energiereiche Strahlen mit einer Härte von mindestens 100 Elektronen-Volt, durch Neutronen jeder Energie, durch Laser- oder Maserstrahlen und durch künstlich erzeugte ultraviolette Strahlen. Wenn eine Bestrahlung für Heilzwecke durch den Arzt oder unter ärztlicher Aufsicht erfolgt, wird geleistet.
• Bei Luftfahrten wird eine Zahlung nur geleistet, wenn die BU bei einer Reise oder Rundflügen als Fluggast in einem Propeller- oder Strahlflugzeug oder in einem Hubschrauber verursacht wird. Fluggäste sind, mit der Ausnahme der Besatzungsmitglieder, die Insassen, denen das Luft-fahrzeug ausschließlich zur Beförderung dient.
Wie in den vorangegangenen Punkten machen auch hierbei einige wenige Versicherungsgesellschaften gegenüber den Normativbedingungen Ausnahmen und bemühen sich, ihre Bedingungen verbraucherfreundlicher zu gestalten.
Berufszuschläge:
Für einzelne Berufe verlangen die Versicherungs-gesellschaften Berufszuschläge bis zu 100% des normalen Beitrages. Diese Zuschläge können von Gesellschaft zu Gesellschaft sehr unterschiedlich sein. Bevor man einen Berufszuschlag akzeptiert, sollten unbedingt andere Angebote eingeholt werden.
Die Pflegebedürftigkeit
Ganz neu hinzugekommen ist, dass das Pflegefallrisiko mitversichert ist. Beträgt der Berufsunfähigkeitsgrad weniger als 50%, entfallt die Verpflichtung zur Beitragszahlung (sofern es sich tun eine BU-Zusatzversicherung handelt) für die BU-Versicherung und den Hauptvertrag. Der Versicherte erhält die versicherte BU-Rente in Höhe von
• 100% bei der Pflegestufe III
• 70% bei der Pflegestufe II und
• 40% bei der Pflegestufe I.
Die Pflegestufen hängen von der persönlichen Hilfe ab, auf die der Versicherte täglich angewiesen ist. Der Maßstab hierfür ist eine so genannte Punktetabelle. Mit jeweils einem Punkt wird bewertet, wenn der Versicherte bei folgenden Tätigkeiten täglich Pflege oder Unterstützung benötigt:
• Aufstehen und Zubettgehen
• An- und Auskleiden
• Waschen, Kämmen und Rasieren
• Einnehmen von Mahlzeiten und Getränken
• Stuhlgang
• Wasserlassen
Von den sechs möglichen Punkten müssen erreicht sein:
in der Pflegestufe HI: sechs Punkte
in der Pflegestufe II: vier Punkte
in der Pflegestufe I: drei Punkte
In den neuen Bedingungen haben jedoch einige Gesellschaften eine kleine Änderung vorgenommen, in der Pflegestufe III: sechs Punkte
in der Pflegestufe II: fünf Punkte
in der Pflegestufe I: vier Punkte
Statt bei drei Punkten erhält der Versicherte also erst bei vier Punkten 40% der BU-Rente, ein Nachteil für den Versicherungsnehmer. Es gibt jedoch auch Gesellschaften, die einen Katalog von 7 Pflegepunkten haben, allerdings erhält der Versicherte bereits bei 4 Pflegepunkten die ganze Rente.
Kündigung der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung
Nach den Normativbedingungen kann die BU-Zusatzversicherung für sich alleine jederzeit gekündigt werden, mit Ausnahme der letzten fünf Versicherungsjahre, in denen die BUZ nur in Verbindung mit der Hauptversicherung gekündigt werden kann. Dies ist eine eindeutige Benachteiligung des Versicherten, denn wollte er innerhalb dieser Frist die BUZ kündigen, weil er keinen BU-Schutz mehr benötigt, würde ebenfalls die Hauptversicherung zur Auszahlung kommen. Da die Laufzeit des Hauptvertrages nicht eingehalten wurde, verliert der Versicherte in der Regel die Schlussgewinnanteile des Vertrages. Meines Wissens hat lediglich eine Versicherungsgesellschaft diesen Passus nicht.
Meine persönliche Meinung:
Die Absicherung vor den finanziellen und sozialen Folgen einer Berufsunfähigkeit ist prinzipiell ein Muss für jeden. Im Gegensatz zu fast allen anderen Versicherungsformen sollte man im Vergleich hier nicht unbedingt auf den Preis achten. Die Leistungen, also die Versicherungsbedingungen, spielen hier eine wesentliche Rolle, übrigens wie auch bei der privaten Krankenversicherung.
Dieses Artikel entstand mit der maßgeblichen Hilfe der Firma LOGOS Wirtschaftsberatungsgesellschaft mbH (Karl-Halle-Str. 82, 58097 Hagen), die sich auf BU-Versicherungen spezialisiert hat.