Pflegeversicherung in Deutschland
Über zwei Millionen Pflegebedürftige erhalten inzwischen Leistungen aus der Pflegeversicherung. Allein das zeigt die ungeheure Notwendigkeit dieser sozialen Absicherung. Schnell vergessen wurden von manchem Kritiker die zwischenmenschlichen Aspekte der Pflege, denn eine Institution lässt persönliche Verantwortung auch immer ein Stück zur Aufgabe der Bürokratie werden. Und dennoch ist und bleibt Pflege immer ein Dienst am Nächsten. Fast immer sind es die Angehörigen, die sich erst einmal um den Pflegefall kümmern müssen und somit auch der Gesellschaft dienen. So manch ein Politiker fordert inzwischen die Abschaffung der Pflegeversicherung, dabei sind die Leistungen für die Betroffenen fast unverzichtbar und auch kein Almosen oder überflüssige Unterstützung, sondern notwendige Flankierung einer Aufgabe, die eigentlich unbezahlbar ist: Hilfe für den und Pflege des Nächsten.
Dabei ist das Versicherungsartikel Pflegeversicherung auch nicht nur ein Ruhmesblatt der Sozialgeschichte: So manche Fehlentscheidung wurde getroffen, wie sich anhand von erst vor Gericht durchgesetzten Ansprüchen überdeutlich zeigt. Und nichts geht ohne Bürokratie: Mehr als eine Million mal im Jahr überprüfen Gutachter bei Menschen mit Hilfebedarf, ob sie wirklich Ansprüche auf Leistungen im Sinne der Pflegeversicherung haben. Viele Bedürftige und Angehörige sind aber mit den Verfahren schlichtweg überfordert. So ist es denn auch kein Wunder, dass ein Drittel der Anträge abgelehnt wird. Ein Skandal, denn später, bei den Gerichtsverfahren, bekommt wieder ein Drittel der Kläger Recht. Dies zeigt zum einen, wie komplex das Thema Pflegeversicherung ist, zum ändern, dass viele Grundinformationen bei den Betroffenen nicht in der Weise vorhanden sind, um Ansprüche sachgerecht anzumelden. Außerdem sind viele zu Pflegende schlicht nicht richtig vorbereitet auf die Gutachtersituation.
Jede Beschäftigung mit der Pflegeversicherung muss sich auch mit den menschlichen Aspekten der Pflege beschäftigen und sich so mit dem Altern auseinandersetzen. Alt werden, ein Pflegefall werden, ist kein Thema in einer Gesellschaft, die sich an vielen Stellen über das Jung- und Gesundsein definiert. Alte werden oft genug diskret in abgeschlossene Einrichtungen abgeschoben. Dabei sind die demografischen Zahlen unbestechlich, da nützen keine Gefühlsduseleien und kein Wegsehen: Im Jahre 2030 werden 40 Prozent der Menschen über 60 Jahre alt sein. Ein jeder und eine jede kann sich ausmalen, was das heißt. Zu glauben, es könne einfach so weitergehen wie bisher, der Staat könne den nötigen Service schon irgendwie finanzieren, und wenn nicht, dann hätten alle ja immer noch Versicherungen und private Vorsorge, das ist unrealistisch. Es ist nie zu früh, mit Blick auf das eigene Alter vorzusorgen und sich auch an die Ideen der Selbsthilfe zu erinnern.
Genau da will dieses Buch helfen: den Betroffenen Aufklärung über die Rechte bieten, Hilfestellung bei den Anträgen und Besuchen leisten, aber auch Ratgeber für den praktischen Alltag sein. Trotzdem bleiben Lücken, das liegt in der Natur der Einzelfälle. Keiner der Betroffenen, nicht der zu Pflegende, nicht die Angehörigen, aber auch nicht die professionellen Helfer, die Gutachter und auch Richter sollten dabei vergessen: Pflege ist immer mehr als bloß eine reine Dienstleistung.