Der Lockruf: In der PKV ist alles billiger, kehrt sich im Alter um, aber auch schon bei der Familiengründung, wenn die Ehefrau ihre Berufstätigkeit aufgibt und für sie und die Kinder Beiträge fällig werden. Das Schlimme und Hinterhältige ist, dass die PKV-Branche und ihre Vertreter auf diese Nachteile nicht hinweisen, sie bewusst verschweigen und darüber sogar noch falsch informiert und irreführend geworben haben – obwohl sie wussten und wissen, dass es nach dem Überwechsel in die PKV grundsätzlich kein Zurück gibt. Im Jahre 1994 wurde eine neue Vorschrift über die Verbraucherinformation in das Versicherungsvertragsgesetz eingefügt. Danach hätten die privaten Krankenversicherer die Interessenten über Vor- und Nachteile bei* Privatversicherung informieren müssen. Sie taten es aber nicht, sodass den Unternehmen erst durch eine Ergänzung des Gesetzes (§ 10a Absatz la Versicherungsaufsichtsgesetz) aufgegeben werden musste, jedem Interessenten ein vom Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen verfasstes amtliches
Informationsblatt auszuhändigen, das folgenden Wortlaut hat:
Informationsblatt des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen gemäß § 10a Absatz 1 a VAG: In der Presse und in der Öffentlichkeit werden im Zusammenhang mit der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung Begriffe gebraucht, die erklärungsbedürftig sind. Dieses Informationsblatt will Ihnen die Prinzipien der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung kurz erläutern.
Prinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung
In der gesetzlichen Krankenversicherung besteht das Solidaritätsprinzip. Dies bedeutet, dass die Höhe des Beitrages nicht in erster Linie vom im Wesentlichen gesetzlich festgelegten Leistungsumfang, sondern von der nach bestimmten Pauschalregeln ermittelten individuellen Leistungsfähigkeit des versicherten Mitglieds abhängt. Die Beiträge werden regelmäßig als Prozentsatz des Einkommens bemessen.
Weiterhin wird das Versicherungsentgelt im Umlageverfahren erhoben. Dies bedeutet, dass alle Aufwendungen im Kalenderjahr durch die in diesem Jahr eingehenden Beiträge gedeckt werden. Außer einer gesetzlichen Rücklage werden keine weiteren Rückstellungen gebildet. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Ehegatten und Kinder beitragsfrei mitversichert
Prinzipien der privaten Krankenversicherung
In der privaten Krankenversicherung ist für jede versicherte Person ein eigener Beitrag zu zahlen. Die Höhe des Beitrages richtet sich nach dem Alter, Geschlecht und nach dem Gesundheitszustand der versicherten Person bei Vertragsabschluss sowie nach dem abgeschlossenen Tarif. Es werden nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechnete risikogerechte Beiträge erhoben. Die altersbedingte höhere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen wird durch eine Alterungsrückstellung berücksichtigt. Bei der Kalkulation wird unterstellt, dass sich die Kosten im Gesundheitswesen nicht erhöhen und die Beiträge nicht allein wegen des Älterwerdens des Versicherten steigen. Dieses Kalkulationsverfahren bezeichnet man als Anwartschaftsdeckungsverfahren oder Kapitaldeckungsverfahren.
Ein Wechsel des privaten Krankenversicherungsunternehmens ist in der Regel zum Ablauf des Versicherungsjahres möglich. Dabei ist zu beachten, dass für die Krankenversicherer keine Annahmeverpflichtung besteht, der neue Versicherer wiederum eine Gesundheitsprüfung durchführt und die Beiträge zum dann erreichten Alter erhoben werden. Die Alterungsrückstellung verbleibt beim bisherigen Versichertenkollektiv. Eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung ist in der Regel, insbesondere im Alter, ausgeschlossen. Diesem Informationsblatt sind leider keine Warnhinweise zu entnehmen. So werden weiterhin Rentner überrascht sein, wenn die Beiträge im Alter extrem ansteigen.
Fraglich ist, ob Singles erkennen, welche Gefahr im Übertritt zur PKV liegen, wenn sie später heiraten und Kinder haben wollen. Bisher haben sie das nicht erkannt und keiner hat ihnen das gesagt – so die Zuschrift eines Betroffenen an den Bund der Versicherten: Als Alleinstehender war es damals kostengünstiger, Mitglied der DKV zu sein gegenüber freiwilliger Mitgliedschaft in der Krankenkasse. Doch leider muss ich feststellen, dass ich damals auf die Werbung Ein Vergleich lohnt sich hereingefallen bin; denn ich habe die beitragsfreie Familienversicherung verloren. Darauf hat mich damals niemand aufmerksam gemacht. Wäre ich zu jener Zeit Mitglied der Krankenkasse geblieben, wären meine Frau und unsere drei Kinder kostenlos mitversichert.
Nach der Geburt unseres dritten Kindes sind die Beiträge zur Privatversicherung zu hoch geworden, dass ich nach neuen Wegen suche. Doch mein Bemühen, freiwilliges Mitglied einer Krankenkasse zu werden, wird immer wieder abgelehnt, weil ich Mitglied einer Privatversicherung bin. Da es sich hier um einen Arbeitnehmer handelt, kommt hinzu, dass er den größten Teil seiner Prämien zur privaten Krankenversicherung aus eigener Tasche bezahlen muss, weil sich der Arbeitgeber nur bis zur Hälfte des Höchstbetrages der GKV an dem wesentlich höheren PKV-Beitrag beteiligt.
Für eine Familie mit Kindern liegt der monatliche Aufwand für einen
PKV-Komfortschutz in der Regel höher als der GKV-Höchstbeitrag, wenn die Ehefrau nicht berufstätig ist. Der Arbeitgeber zahlt den Arbeitgeberzuschuss zum Beitrag sowohl beim Privatversicherten als auch beim freiwillig GKV-Versicherten. Der Arbeitgeberzuschuss beträgt in 2001 höchstens 455 Euro, aber nicht mehr als die Hälfte des tatsächlichen Beitrages. Der PKV-Versicherte mit Familie muss also für seinen Komfortschutz oft ein paar hundert Euro mehr aus eigener Tasche zuzahlen als der freiwillig GKV-Versicherte.
Zum Problem der hohen PKV-Beiträge im Alterfragt H.B. aus L*den seinerzeit für die private Krankenversicherung zuständigen Minister Waigel: Was wollen Sie schnellstens an wirksamen Maßnahmen ergreifen, damit sich nicht Tausende Rentner aufhängen müssen, weil sie ihre private Krankenversicherung nicht mehr bezahlen können, die teilweise schon bis zu 50 Prozent der Rente betragen kann? – Als Beispiel die Beitragsentwicklung von einem Rentner mit 2500 Mark Rente: Monatsbeitrag 586,44 Mark (1991), 657,16 Mark (6/1992), 880,72 Mark (10/1992), 1254,53 Mark (1994). Dazu kommt noch eine Selbstbeteiligung!-Diesem alten PKV-Versicherten helfen alle Neuerungen nicht mehr – außer einem Absturz in billigere abgespeckte Tarife. Aus Zuschriften des Jahres 1996 an den Bund der Versicherten: Der Einzelne hat keine Chance, gegen diese mörderische und menschenverachtende Entwicklung anzugehen.
Wer lange lebt, muss bluten! – Muss ich zähneknirschend und ohnmächtig diesem immer unverschämteren Abzocken zuschauen?-Aus Leserbriefen an die WELT am SONNTAG, die über Bezahlbarkeitsprobleme der PKV berichtet hatte: Einige wenige Jahre mit preiswerten Beiträgen muss man später doppelt und dreifach bezahlen.-Von den in jungen Jahren günstigen Tarifen sollte man sich nicht blenden lassen. Das dicke Ende kommt im Alter, wenn man nicht mehr wechseln kann. – Mein Beitrag zur PKV für den einfachen Tarif stieg in den letzten drei Jahren um 92 Prozent. Nun könnte man allen Privatversicherten, die sich über hohe PKV- Beiträge beklagen, entgegnen, sie hätten in jungen Jahren Geld gespart.
Dieses Argument erkennen sie auch an, aber sie sind auf die dargestellten Nachteile der PKV nie hingewiesen worden, so Zuschriften an den Bund der Versicherten: Vom Vertreter wurde nur der (momentane) Spareffekt in den Vordergrund gestellt. Kostenrelationen im Alter waren nie ein Thema. Ähnlich im oben zitierten Brief des Familienvaters: Ich habe die beitragsfreie Familienversicherung verloren. Darauf hat mich damals niemand aufmerksam gemacht. Das ist der Hauptvorwurf gegen die PKV-Branche: Sie und ihre Vertreter haben bisher junge Menschen aus den Krankenkassen herausgelockt, ohne sie auf die hohen Beiträge für Familien und ständige Beitragserhöhungen im Alter hinzuweisen.
Das amtliche Informationsblatt des BAV wird daran nichts ändern, vor allem nicht hinsichtlich der Altersproblematik. Viele Rentner-Ehepaare bringen derzeit für ihren komfortablen Privatversicherungsschutz – einschließlich Selbstbeteiligungen – zwischen 700 und 1200 Euro im Monat auf, manchmal bis zu 50 Prozent ihres Alterseinkommens. Aus der Rentenversicherung wird zwar ein Zuschuss zur Rente gezahlt. Trotzdem bleibt neben der Miete oft nur wenig Geld zum Leben. Ehepaare, die eine Rente von 1500 Euro beziehen, kommen in finanzielle Not. Sie können und müssen häufig ihren Komfortschutz abspecken und auf Billigtarife mit geringeren Leistungen-umsteigen, deren Beiträge aber auch noch relativ hoch sind und – auf niedrigerem Niveau – ebenfalls weiter steigen.
Eine PKV-Versicherte ist auf einen Billigtarif umgestiegen, der sich nach neun Monaten um 53,25 Prozent erhöhte. Sie schrieb an den Bund der Versicherten: Ich kann den Zeitpunkt absehen, an dem ich bei jetzt eingeschränkten Leistungen wieder auf dem früheren Beitrag von 800 Mark bin.
Capital: Der über 80-jährigen Gerta B. teilte die Gesellschaft im Herbst mit, ab Oktober brauche sie im Rahmen eines Programms zur Beitragsermäßigung für Senioren nur noch 659 statt zuvor 715 Mark zu zahlen. Der Hammer kam sechs Monate später. Ab April beläuft sich ihre Beitragsrechnung auf 807 Mark, sie zahlt also 148 Mark mehr. Capital-Fazit: Es ist viel faul in der privaten Krankenversicherung. Die Senioren sind die Dummen.
Der PKV-Verband hat sich nie ernsthaft um eine Lösung des Problems bemüht. Sein Geschäftsführer, Christoph Uleer, hat für die in Schwierigkeiten geratenen alten Privatversicherten nur zynische Ratschläge parat: Wenn die PKV unbezahlbar wird, können sie ja kündigen, sogar fristlos! – Wenn es partout nicht mehr geht, dann muss das soziale Auffangnetz herhalten, das wir eben in der Sozialhilfe haben – so tragisch das für viele Leute ist. PKV-Verbandsgeschäftsführer Christoph Uleer scheint auch der Hauptverantwortliche zu sein für eine irreführende Werbekampagne der PKV, die man nur als Volksverdummung bezeichnen kann. Als die PKV vor wenigen Jahren kaum noch Zuwachs hatte, desinformierte die Branche mit doppelseitigen Anzeigen zunächst unter dem Titel Hoher Beitrag im Alter?
Problem erkannt, Problem gelöst. Das war eine glatte Lüge, die deshalb auch ebenso glatt auf Antrag des Bundes der Versicherten von einem Gericht verboten wurde.
Der PKV-Verband hatte sich anstandslos dem Verbot unterworfen, änderte die Anzeigentexte etwas ab und desinformierte die Öffentlichkeit noch einmal unter dem Titel Hoher Beitrag im Alter? Problem erkannt – Sicherung eingebaut. Auf Antrag des Bundes der Versicherten wurde auch die zweite Anzeigenkampagne ebenso verboten wie eine PKV-Informationsbroschüre, die die Kampagnen begleitete unter dem Titel Bleibt Ihre private Krankenversicherung im Alter bezahlbar?.
Die Bezahlbarkeit der Krankenversicherung (ob PKV oder GKV) im Alter war erklärtes Thema der Anzeigenkampagne! Irreführend ist dann aber (wie in den Anzeigen geschehen), die Alterungsrückstellungen als eine Problemlösung darzustellen. Sie sollen nur Beitragserhöhungen durch zunehmende Erkrankungen im Alter verhindern. Für die Inflationierung des angesammelten Kapitals und der Kosten im Gesundheitswesen, für Kostensteigerungen durch den medizinischen Fortschritt und die längere Lebenserwartung werden eben keine Rückstellungen gebildet, sondern – vor allem für ältere Versicherte – ganz einfach die Beiträge ständig erhöht.
Für die Zeit der Erwerbstätigkeit mag die Aussage der PKV stimmen, dass die Beitragszahlungen eines privat versicherten Single oder für zwei erwerbstätige Eheleute in der Vergangenheit niedriger waren als die Höchstbeiträge eines Kassenmitglieds. Für eine Familie mit mehreren Kindern und vor allem für die Zeit nach der Erwerbstätigkeit stimmte diese Behauptung in der Vergangenheit jedenfalls nicht. Sie kann vielleicht durch die Neuerungen in der PKV für junge Menschen zutreffen. Ein Vergleich des PKV-Beitrages mit dem Krankenkassen-Höchstbei- trag ist unzulässig und irreführend, weil Rentner – wegen ihres im Alter geringeren Einkommens – den Höchstbeitrag nicht mehr zahlen.
Wer als Rentner ausnahmsweise den GKV-Höchstbeitrag zu entrichten hat, der hat kein Problem mit der Bezahlbarkeit, weil dieser Höchstbeitrag nur dann zu zahlen ist, wenn neben der Rente erhebliche Nebeneinnahmen von mehreren tausend Euro vorhanden sind. Wer dagegen als PKV-Versicherter im Rentenalter wenig Einkommen hat, kommt in große Schwierigkeiten, weil die PKV ihre Beiträge im Alter ständig und dramatisch erhöht – ohne Rücksicht auf das niedrigere Einkommen der Versicherten.