In Deutschland kennt man die duale Berufsausbildung (lat. Duo = zwei). Man bezeichnet die Form der Berufsausbildung als dual, weil sie an zwei Lernorten, dem Ausbildungsbetrieb und der Berufsschule, stattfindet. Der Betrieb bildet dabei vor allem betriebspraktisch, auf das jeweilige Unternehmen bezogen, aus. Parallel dazu ist die Berufsschule als Pflichtschule für die Auszubildenden zu besuchen. Wenn heute über die Qualität des Wirtschaftsstandortes Deutschland nachgedacht wird, so hört man immer wieder das Argument, dass vor allem die besonders gute berufliche Aus- und Weiterbildung der Facharbeiter und Angestellten Wettbewerbs- Nachteile gegenüber anderen Ländern der EU und außerhalb Europas ausgleicht.
►Duales Ausbildungssystem und Berufsbildungsgesetz
Seit 1969 ist das heutige System der dualen Berufsausbildung grundsätzlich und bundeseinheitlich (trotz der Kulturhoheit der Bundesländer) im Berufsbildungsgesetz geregelt.
Unter der dualen Berufsausbildung versteht man die Ausbildung an den zwei Lernorten Betrieb und Berufsschule.
Die einheitliche und geordnete Berufsausbildung in einem Beruf setzt voraus, dass dieser durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Soziales oder dem sonst zuständigen Ministerium im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung staatlich anerkannt ist und eine Ausbildungsordnung erlassen wurde.
In der Ausbildungsordnung sind neben der Bezeichnung des Ausbildungsberufes insbesondere festgelegt:
• die Ausbildungsdauer
• das Ausbildungsberufsbild (berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die Gegenstand der Berufsausbildung sind),
• der Ausbildungsrahmenplan (sachliche und zeitliche Gliederung der Vermittlung der beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten),
• die Prüfungsanforderungen.
a) Lernort Betrieb
Nach dem Berufsbildungsgesetz darf nicht jeder Betrieb nach Wunsch ausbilden. Nur derjenige Betrieb, der sachlich für eine bestimmte Ausbildung geeignet ist und auch einen persönlich und fachlich geeigneten Ausbilder dafür einsetzen kann, erhält die Erlaubnis zur Berufsausbildung im dualen System. Die Entscheidung darüber trifft die zuständige Stelle, die Industrie- und Handelskammer (IHK). Um die betriebliche Ausbildung zu fördern, bieten die Kammern interessierten Angestellten Lehrgänge an, die mit der Ausbildereignungsprüfung abgeschlossen werden können. Heute dürfen im Allgemeinen nur solche Personen ausbilden, die eine Ausbildereignungsprüfung, eine Meisterprüfung oder ein entsprechendes Examen an einer Hochschule oder Berufsakademie abgelegt haben.
b) Lernort Berufsschule
In Deutschland besitzen die Länder nach dem Grundgesetz die Kulturhoheit; auch die beruflich bildenden Schulen sind damit den Kultusministerien unterstellt. Deshalb können sich bei den Zielsetzungen, der Organisation, Verwaltung und Durchführung des Unterrichts in den einzelnen Bundesländern trotz einheitlicher Berufsbilder große Unterschiede zeigen. Jedes Bundesland entwickelt in der Regel besondere Lehrpläne für den berufsbezogenen Unterricht und bemüht sich, eigene Vorstellungen von Bildung und Erziehung einzubringen. Um eine Auseinanderentwicklung möglichst zu begrenzen, haben sich die Bundesländer auf folgende Beschreibung der Aufgaben der Berufsschule als Lernort im dualen Ausbildungssystem verständigt: Berufsschulen vermitteln dem Schüler allgemeine und berufsbezogene Lerninhalte für die Berufsausbildung, die Berufsausübung und im Hinblick auf die berufliche Weiterbildung. Allgemeine und berufsbezogene Lerninhalte zielen auf die Bildung und Erziehung für berufliche und außerberufliche Situationen.
►Berufsausbildungsvertrag
Auszubildender im kaufmännischen Beruf ist, wer im Geschäftsbetrieb eines kaufmännischen Unternehmens zur Erlernung kaufmännischer Dienste tätig ist. Kein Auszubildender im kaufmännischen Beruf ist, wer z. B. im Büro eines Rechtsanwaltes ausgebildet wird (Ausbildender ist kein Kaufmann), oder wer zum Kellner im Hotel- und Gaststättengewerbe ausgebildet wird (keine kaufmännische Tätigkeit).
a) Abschluss des Berufsausbildungsvertrages
Der Ausbildungsvertrag wird zwischen dem Ausbildenden einerseits und dem Auszubildenden (und ggf. seinen gesetzlichen Vertretern) andererseits abgeschlossen und von diesen vor Beginn der Ausbildung unterzeichnet. Empfehlenswert ist die Verwendung von Vordrucken mit bundeseinheitlichem Rahmentext, denen ein Berufsbild beigefügt ist. Zur Genehmigung und Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse ist der Berufsausbildungsvertrag vom Ausbildenden unmittelbar nach Abschluss der IHK vorzulegen. Nur wer in dieses Verzeichnis eingetragen ist, wird zur Zwischen- und Abschlussprüfung der IHK zugelassen. Folgende Besonderheit gilt für den Abschluss eines Ausbildungsvertrages: Er kann formfrei (z. B. mündlich) zwischen den Parteien geschlossen werden, muss aber dem Auszubildenden und ggf. den gesetzlichen Vertretern vor Beginn der Ausbildung zwecks Unterschriftsleistung in Schriftform zugehen.
b) Pflichten des Ausbildenden (Rechte des Auszubildenden)
– Ausbildung
Der Ausbildende hat den Auszubildenden in allen beim Betrieb des Geschäftes vorkommenden kaufmännischen Arbeiten selbst oder durch einen ausdrücklich damit beauftragten, persönlich und fachlich geeigneten Vertreter (Ausbilder) zu unterweisen. Die Ausbildung hat, planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert, die theoretischen Kenntnisse, praktischen Fertigkeiten und personale Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) zu vermitteln, die zum Erreichen des Ausbildungszieles erforderlich sind. Die Ausbildung kann auch in geeigneten Einrichtungen außerhalb der Ausbildungsstätte durchgeführt werden. Der Ausbildende hat dem Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel zur Verfügung zu stellen, ihn zum Besuch der Berufsschule und zum Führen eines Ausbildungsnachweises anzuhalten und diesen durchzusehen. Für den Besuch der Berufsschule und für die Teilnahme an Prüfungen müssen die Auszubildenden freigestellt werden.
►Fürsorge
Der Ausbildende muss dem Auszubildenden eine angemessene, mindestens jährlich ansteigende Vergütung zahlen, ihm den vertraglich bzw. gesetzlich zustehenden Urlaub i [gewähren und ihn zur Sozialversicherung anmelden sowie die Beiträge dafür entrichten. Er hat dafür zu sorgen, dass der Auszubildende charakterlich gefördert sowie gesundheitlich und sittlich nicht gefährdet wird.
►Zeugnis
Bei Beendigung der Ausbildung hat der Ausbildende ein Zeugnis über Art, Dauer und Ziel der Ausbildung sowie die erworbenen Fertigkeiten und Kenntnisse (einfaches Zeugnis) auszustellen. Auf Verlangen des Auszubildenden ist es auch auf Führung, Leistung und besondere fachliche Fähigkeiten zu erweitern (qualifiziertes Zeugnis).
c) Pflichten des Auszubildenden (Rechte des Ausbildenden)
►Bemühung
Der Auszubildende hat sich zu bemühen, die Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben, die erforderlich sind, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Deshalb muss er den ihm im Rahmen der Berufsausbildung erteilten Weisungen folgen und die ihm übertragenen Verrichtungen sorgfältig ausführen. Insbesondere hat er die Berufsschule regelmäßig und pünktlich zu besuchen und seinen Ausbildungsnachweis laufend zu führen.
►Treue und Verschwiegenheit
Der Auszubadende hat die Betriebsordnung zu beachten, die Vorteile des Geschäftes wahr- zunehmen und über Geschäftsgeheimnisse (versicherte Personen, Provisionen, Gehälter, usw.) Stillschweigen zu wahren. Ohne Einwilligung des Ausbildenden darf er weder ein eigenes Handelsgeschäft betreiben (Handelsverbot) noch im Geschäftszweig des Ausbildenden Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung machen (Wettbewerbsverbot).
►Ausbildungsdauer
Sie soll nicht mehr als drei und nicht weniger als zwei Jahre betragen. Bei älteren oder besonders begabten Auszubildenden kann sie auf Antrag durch die IHK verkürzt werden.
Eine verkürzte Ausbildungszeit ist allgemein üblich bei Auszubildenden, die das Zeugnis der Fach. Fachhochschul oder Hochschulreife besitzen. Die Ausbildungszeit beginnt mit einer Probezeit, die mindestens einen Monat und höchstens vier Monate dauert. Während dieser Zeit soll der Ausbildende feststellen, ob sich der Auszubildende körperlich, geistig und charakterlich für den gewählten Beruf eignet, und der Auszubildende, ob ihm Beruf und Ausbildungsstätte Zusagen. Beide haben die Möglichkeit, während der Probezeit das Ausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhüllung einer Kündigungsfrist zu kündigen.
►Urlaub
Der Mindesturlaub ist in gesetzlichen Vorschriften (Bundesurlaubsgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz geregelt. Positiv abweichende Urlaubszeiten können im Tarifvertrag vorgesehen sein.
► Beendigung des Ausbildungsverhältnisses
Uns .Ausbildungsverhältnis endet
• mit Ablauf der Ausbildungszeit,
• vor Ablauf der Ausbildungszeit mit Bestehen der Abschlussprüfung,
• durch schriftliche Kündigung
(1) von beiden Vertragspartnern aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist (fristlose Kündigung), aber innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der zur Kündigung berechtigenden Tatsachen,
(2) vom Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will. Der Kündigungsgrund ist anzugeben. Wer die vorzeitige Auflösung des Ausbildungsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit verschuldet, ist schadenersatzpflichtig. Das gilt nicht für die unter (2) genannte Kündigung des Auszubildenden.
Beispiele:
• Der Ausbildende kommt seiner Ausbildungspflicht nicht nach. Der Auszubildende
löst den Vertrag; schadenersatzpflichtig ist der Ausbildende.
• Der Auszubildende verlässt mehrfach unbefugt seine Ausbildungsstelle .Der Ausbildende löst den Vertrag und kann Schadenersatz fordern.
Wird der Auszubildende im Anschluss an das Ausbildungsverhältnis ohne vorherige ausdrückliche Vereinbarung weiterbeschäftigt, so gilt ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet. Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.