Gesetzliche Grundlagen
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und Handelsgesetzbuch (HGB)
- a) Bürgerliches Gesetzbuch
Im BGB selbst sind nur wenige spezielle versicherungsrechtliche Bestimmungen enthalten, u. a.:
- Auslegungsregeln bei Lebensversicherungs- oder Leibrentenvertrag;
- Leistung nach Todesfall;
- Änderung durch Verfügung von Todes wegen bei Vorbehalt;
- Versicherungspflicht des Nießbrauchers;
- Nießbrauch an der Versicherungsforderung;
- Erstreckung der Hypothek auf die Versicherungsforderung bei Gebäudeversicherungen, bei sonstigen Schadenversicherungen und Wiederherstellungsklauseln.
Die Vorschriften des BGB finden immer dann Anwendung, wenn das Versicherungsvertragsgesetz (siehe weiter unten) keine Sonderregelung getroffen hat oder auf das BGB verwiesen wird.
Beispiele
- Ein 16-Jähriger schließt einen Versicherungsvertrag ab. Da das WG keine Regelung über die Geschäftsfähigkeit enthält, gelten die Bestimmungen des BGB.
- ln § 4 VVG wird auf § 808 BGB im Zusammenhang mit der Ausstellung eines Versicherungsscheins auf den Inhaber verwiesen.
b)Handelsgesetzbuch (HG6)
Die Vorschriften des HGB über beiderseitige Handelsgeschäfte greifen ein, sofern der VR in der Rechtsform einer AG oder eines großen WaG auftritt und auch für den VN der Versicherungsvertrag ein Handelsgeschäft darstellt.
Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
Durch das Versicherungsvertragsgesetz sind speziell auf den Versicherungsvertrag abgestimmte Regelungen geschaffen worden, die als spezielles Recht dem generellen Kocht des Bürgerlichen Gesetzbuches bzw. Handelsgesetzbuches Vorgehen.
Hinweis: VVG-Reform
Das erste VVG stammt aus dem Jahr 1908. Da es zwischenzeitlich den Bedürfnissen eines Verbraucherschutzes nicht mehr vollständig gerecht wird, ist eine Gesetzesreform eingeleitet worden, die zu einem neuen WG geführt hat, das am 1. Januar 2008 m Kraft getreten ist.
Es gilt für Neuverträge ab diesem Termin und ab 1. Januar 2009 auch für alle bestehenden Verträge (sog. Altverträge). Für diese Altverträge bleiben Bestimmungen des bisherigen VVG (jetzt: VVG a. F.) noch bis Ende 2008 gültig.
Im Jahr 2008 gelten danach das WG und das WG a. F. nebeneinander.
In den nachstehenden Ausführungen sind deshalb das WG und das VVG a. F. angesprochen.
a) Geltungsbereich
Das VVG gilt für alle Zweige der Versicherung, mit Ausnahme der Seeversicherung und der Rückversicherung.
Bei den letztgenannten Versicherungen hielt der Gesetzgeber den Schutzgedanken, der das VVG wie ein roter Faden zum Schutz des VN durchzieht, für nicht erforderlich, weil sich hier Kaufleute (bei der Seeversicherung) oder Versicherungsfachkräfte (bei der Rückversicherung) gegenüberstehen.
b)Beschränkungen der Vertragsfreiheit
Sowohl das 2. Buch des BGB (Recht der Schuldverhältnisse) als auch das VVG gehen i machst grundsätzlich von der Vertragsfreiheit der Parteien aus. Man kann durch vertragliche Regelungen (Bedingungen usw.) von den gesetzlichen Bestimmungen abweichen. Insbesondere zum Schutz unerfahrener Vertragspartner kennt man jedoch gewisse Einschränkungen der Vertragsfreiheit.
Im VVG wird der VN durch zwingende Vorschriften, die nicht abgeändert werden dürfen, und halbzwingende Vorschriften, die nur zum Vorteil des VN geändert werden können, geschützt. Alle übrigen Normen des VVG, die anderslautend vereinbart werden können, bezeichnet man als abdingbare Normen.
Zwingende Vorschriften
Vertragliche Abweichungen von der gesetzlichen Vorschrift sind weder zum Vorteil noch zum Nachteil des Versicherungsnehmers möglich.
Beispiel für eine zwingende WG-Vorschrift:
Ein VR möchte die Schadenregulierungskosten senken und hat deshalb seine Mitarbeiter aufgefordert, Vorschläge zu entwickeln. Ein Mitarbeiter macht folgenden Vorschlag: Bei Schäden bis 2 000,00 € soll zukünftig keine Prüfung mehr stattfinden, ob Unterversicherung besteht. Die VN sollen im Gegenzug auf eine evtl. Verzinsung der Schadenersatzforderung verzichten, wenn es zu Verspätungen bei der Schadenregulierung aus anderen Gründen kommt.
Eine Vereinbarung, wonach der VR von der Zahlung von Verzugszinsen befreit wird, ist unwirksam; denn die zitierte Regelung ist eine zwingende Vorschrift. Sie kann vertraglich nicht anderslautend vereinbart werden.
Man erkennt zwingende Vorschriften im VVG an Werten: …ist unwirksam, … ist nichtig, …kann nicht, ist erforderlich, …ist insoweit nichtig.
Bei Verstößen sieht das Gesetz vor, dass entweder – wegen der Schwere des Verstoßes – der ganze Vertrag nichtig ist oder nur die Vereinbarung nichtig ist.
Halbzwingende Vorschriften
Vertragliche Abweichungen von der gesetzlichen Vorschrift sind nur zum Vorteil des Versicherungsnehmers möglich, nicht aber zum Nachteil.
Beispiel für eine halbzwingende WG-Vorschrift:
Nach §3 Abs. 4 WG (§ 3 Abs. 3 WG a. F.) kann der VN jederzeit Abschriften von Erklärungen Im (lern. Vereinbart ein VR mit seinem VN, dass dieser auf Abschriften aus Gründen der Rationalisierung verzichtet, so ist diese Vereinbarung zwar möglich. Da §3 Abs 4 WG (§ 3 Abs. 3 WG a. F.) nach § 18 WG (§ 15 a WG a. F.) halbzwingend ist, kann sich der VR jedoch nicht auf diese Vereinbarung, die zum Nachteil des Versicherungsnehmers ist, berufen. Es gilt somit die gesetzliche Regelung. Der VN kann jederzeit Abschriften von Erklärungen fordern.
Die als halbzwingend geltenden Vorschriften sind in der Regel am Ende eines Titels (beim bisherigen WG) bzw. Abschnitts (beim neuen WG) explizit genannt.
Eine abweichende Vereinbarung ist unwirksam und es gilt dann die entsprechende Vorschrift im WG.
Die halbzwingenden Vorschriften gelten nicht für die Versicherung von Großrisiken und für die laufende Versicherung. In einer laufenden Versicherung sind ständig wechselnde Einzelrisiken (z. B. Transport verschiedener Güter bei einer Spedition) versichert.
Abdingbare Vorschriften
Anstelle der gesetzlichen Vorschrift kann eine vertragliche Vereinbarung geschlossen werden, die den VN besser oder schlechter stellt.
Beispiel für eine abdingbare WG-Vorschrift:
Der VR hat den Vorschlag des Mitarbeiters, auf die Prüfung der Unterversicherung bei Schäden bis 2000,00 € aus Kostengründen zu verzichten, als sinnvoll erachtet.
Damit alle VN gleich behandelt werden, soll folgende Regelung in die Versicherungsbedingungen aufgenommen werden.
Bei Schäden bis 2000,00 € verzichtet der VR auf die Einrede der Unterversicherung.
Eine solche Regelung ist möglich,- denn § 75 VVG (§ 56 VVG a. F.) ist weder eine zwingende Vorschrift noch eine halbzwingende Vorschrift (siehe hierfür §87 VVG bzw. § 68 a VVG a. R). Die Vorschrift ist abdingbar und hiervon wird zum Beispiel in den VGB 2005 unter den dort genannten Voraussetzungen auch Gebrauch gemacht.
Sonstige Gesetze
Neben dem VVG sind das Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) und die Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung (Kfz-PfIVV) von Bedeutung:
a)Pflichtversicherungsgesetz
Das Pflichtversicherungsgesetz regelt insbesondere die Versicherungspflicht für Kraftfahrzeuge und Anhänger, wenn diese auf öffentlichen Wegen oder Plätzen in Gebrauch sind, die Pflichten der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer (z.B. Auskunftsstelle) und die Entschädigung von bestimmten Inlands- und Auslandsunfällen durch den Entschädigungsfonds bzw. die Entschädigungsstelle. Die früher auch im PflVG enthaltenen Sozialvorschriften zur Rechtsstellung des geschädigten Dritten sind jetzt im VVG (§§ 113 ff.) geregelt.
b)Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung (KfzPflVV)
Die KfzPflVV enthält insbesondere Bestimmungen zum Leistungsstandard der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, damit das sog. Verkehrsopfer geschützt ist.