Die Bedeutung der Rechtsschutzversicherung wird meist überschätzt, ihr Sinn oft missverstanden. So war auch der Werbefilm eines Versicherungsunternehmens irreführend, in dem ein Versicherter strahlend das Gericht verlässt, nachdem er – angeblich dank einer Rechtsschutzversicherung – einen Prozess gewonnen hatte. Er brauchte im Grunde keine Rechtsschutzversicherung. Denn wer einen Prozess gewinnt, hat keine Kosten (außer bei Arbeitsgerichtsverfahren in der ersten Instanz). Nur wer aussichtslose Prozesse führt und verliert, könnte eine Rechtsschutzversicherung gebrauchen. Allerdings würde die Rechtsschutzversicherung nur ein- treten, wenn zuvor die Erfolgsaussichten geprüft worden sind. Bei gewonnenen Prozessen hat die Rechtsschutzversicherung im Grunde nur die Funktion, Vorschüsse für den Anwalt und das Gericht zu verauslagen.
Bei den sehr begrenzten Streitigkeiten, die von der Rechtsschutzversicherung gedeckt sind, lässt sich fast immer mit Sicherheit ein Erfolg oder zumindest ein Teilerfolg Vorhersagen – wenn der Anwalt sich sorgfältig mit der Sache befasst. In Zweifelsfällen sollte man sich dann bei einer Verbraucherzentrale, beim Mieterverein, beim Bund der Versicherten oder bei anderen Verbänden (z. B. Gewerkschaften) informieren, die auf den jeweiligen Gebieten kompetent sind. Das erspart oft den Ärger eines aussichtslos begonnenen oder schlecht geführten Prozesses. Die Gefahr, einen Prozess zu verlieren, kommt nicht unvorhergesehen auf einen zu. Und das abschätzbare Verlustrisiko für die wenigen unsicheren Prozesse um hohe Summen und die vielen Ausschlüsse (z. B. Bauvorhaben, Scheidung, Familien- und Erbsachen usw.) ist nicht die über 200 Euro Jahresbeitrag wert, die eine umfassende Rechtsschutzversicherung kostet. Vor allem gibt es wichtigere Versicherungen (z. B. für den Fall der Berufsunfähigkeit oder zur Hinterbliebenenversorgung), für die man das Geld aufwenden sollte.
Es gibt im Grunde nur einen vernünftigen Grund, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen: für Rechtsstreitigkeiten, bei denen es um hohe Summen geht, deren Höhe schwer abzuschätzen sind. Das sind vor allem Gutachterstreitigkeiten um Personen- und Sachschäden. Soll ein Verletzter z.B. 50000 oder 100000 Euro als Schmerzensgeld einklagen? Hat ein Versicherter einen Anspruch auf eine Rente aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung oder nicht? Hier kann im Voraus nicht gesagt werden, wie die Gutachter den Fall beurteilen werden und wie – den Gutachtern folgend – das Gericht entscheiden wird. Wer nicht klagt, verliert seinen Anspruch. Wer zu wenig einklagt und gewinnt, hat möglicherweise eine weitergehende Forderung verloren (möglicherweise Zehntausende von Euro).
Wer zu viel einklagt und den Prozess teilweise verliert, hat einen Teil der gesamten Prozesskosten zu tragen, also auch Geld verloren (möglicherweise Tausende von Euro). Das sind Fälle, an die man beim Abschluss einer Rechtsschutzversicherung denken sollte, nicht aber an die Verfahren um Bußgeldbescheide oder Streitigkeiten mit Mietern oder Vermietern. Sinnvoll ist also nur eine Rechtsschutzversicherung, die wenig Beitrag kostet und das Risiko abdeckt, einen Prozess um hohe Summen zu verlieren. Und genau eine solche Rechtsschutzversicherung hat der Bund der Versicherten zusammen mit der Medien-Versicherung als Gruppenversicherung entwickelt. Bei einer Selbstbeteiligung von 500 Euro, die keinen von der Führung eines Prozesses um hohe Summen ab- schrecken dürfte, kostet der Familien-/Privat-/Berufs-/Steuer- und Verkehrs-Rechtsschutz nur 50 Euro im Jahr.
Durch die Selbstbeteiligung von 500 Euro werden außerdem die Prozesshansel gebremst. Leider bieten die deutschen Versicherer solche sinnvollen Vertragsgestaltungen (noch) nicht an. Grund: Der Beitrag würde vermutlich statt über 200 Euro weit unter 80 Euro pro Jahr liegen. Und solche geringen Beiträge sind für die großen Gesellschaften und ihre Vertreter weniger interessant (obwohl die Prozesslawine erheblich eingeschränkt würde).
Alles in allem: Die Rechtsschutzversicherung ist eine der weniger wichtigen Versicherungen und sollte auf der Abschlussliste weiter unten stehen.