Das Versicherungs(un)wesen ist mit seinen Versicherungs-Aktiengesellschaften derzeit eine Branche jenseits von Recht und Wettbewerb. Was vor allen Dingen geändert werden muss, ist klar – so Professor Krycha in einer gutachterlichen Stellungnahme: Es ist zu fordern, dass die interne Kalkulation der Versicherungsprämie (Verwaltungskostenanteil/Risikoanteil/Sparanteil) auch nach außen offen gelegt wird, damit der Verbraucher die Leistung eines Versicherungs-Dienstleistungsbetriebs beurteilen kann. Versicherungsgesellschaften müssen ihre Kalkulation auch in Form einer Preisangabe offen legen und diese auch einhalten. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass Kostenüberschreitungen nicht zu Lasten der Gelder der Versicherten gehen oder/und Verlust- und Gewinnverschiebungen nicht zu Lasten der Versichertengelder vorgenommen werden.
So ist die Lösung der Lebensversicherungsprobleme ganz einfach: Aufteilung der Prämie in einen Beitrag der Versicherten (für Zahlungen im Todesfall und für das Sparen) und in einen Preis für die Dienstleistungen der Unternehmen und Vermittler.
Im Bereich der Kfz-Versicherung wären die Gesellschaften nicht mehr an den Überschüssen aus dem Schadensausgleich interessiert, weil – wie z. B. in Japan – die Schäden über einen Pool abgerechnet würden, es also jeder Gesellschaft gleichgültig wäre, ob sie viele oder wenige Ausländer oder Fahranfänger, Beamte oder Nichtbeamte im Bestand hat. Gleich gute Fahrer aus unterschiedlichen Gruppen könnten gleich behandelt werden. Und die Unternehmen könnten nur noch im Verwaltungs- und Dienstleistungsbereich Gewinne erzielen. So wären gerechte Autoversicherungstarife möglich. Und privat Krankenversicherte könnten erkennen, wie viel Geld ihr Unternehmen für ihr Alter zurücklegt – ausreichend oder nicht ausreichend. Und sie könnten problemloser zu einer anderen Gesellschaft wechseln, weil ihre in einem Gemeinschaftspool angesparten Alterungsrückstellungen allen Gesellschaften zur Verfügung stehen würden.
Eigentlich unvorstellbar, dass die Branche bis vor kurzem verhindern konnte, dass diese Fragen untersucht wurden. Erst in den Jahren 1998 und 1999 haben sich Bundeskanzler und Regierungspolitiker dahingehend geäußert, dass unser Versicherungsrecht reformiert werden müsste. Dafür wurde eine Regierungskommission eingesetzt, die ihre Arbeiten wohl erst in den Jahren 2002 oder 2003 abschließen und Vorschläge für eine Reform machen wird. Nach den bisherigen Anzeichen wird aber wohl nicht viel dabei herauskommen, weil die Branchenlobby die Kommission zu dirigieren scheint.
Es ist nur allzu verständlich, dass die Gesellschaften sich bis zuletzt dagegen wehren, dass man ihnen mit einer Prämienaufteilung die Möglichkeit nimmt, beliebig über ihnen anvertraute Gelder verfügen und diese sogar (objektiv) veruntreuen zu können. So behaupten sie scheinheilig, die Aufteilung der Prämie würde dem Verbraucher nichts bringen, verschweigen aber, dass dann in den Bilanzen Unternehmens und Versichertengelder getrennt wären, was Übergriffe verhindern würde. So schrieb der Platow Brief, dass die Ablehnung einer Prämienaufteilung geradezu dümmlich sei, weil man in einer aufgeklärten Gesellschaft nicht mit dem Einwand argumentieren kann, eine solche Aufteilung würde den Kunden überfordern. Zu viele Politiker, Beamte, Richter und auch Medien sind jahrzehntelang auf die Branche, ihre Lobby und Wissenschaftler hereingefallen.
Der Bund der Versicherten (BdV) führt seit Jahren eine Reihe von Musterprozessen und Verfassungsbeschwerden um die ungeregelten Vertrags- und Vermögensverhältnisse, um die unzulänglichen Regelungen und Informationen zur Überschussbeteiligung und über die Folgen einer vorzeitigen Kündigung (Rückkauf) im Bereich der Kapital-Lebensversicherung und gegen die Autoversicherungstarife nach diskriminierenden Gruppen-Statistiken. Ein Protagonist der Versicherungswissenschaft, Professor Reimer Schmidt, und andere Wissenschaftler haben gegen Ende des letzten Jahrhunderts anerkannt, dass diese Aktivitäten des BdV die Reformdiskussion ausgelöst habe.
Nur der Gesetzgeber oder das Bundesverfassungsgericht können die Ausbeutung der Versicherten mit überteuerten Prämien und durch undurchsichtige Sparvorgänge stoppen. Und die Medien müssten in Zusammenarbeit mit Verbraucherexperten die Verbraucher wachrütteln und dazu bringen, sich mehr über das Thema Geld und Versicherung zu informieren.
Zum Schluss soll die Lobby zu Worte kommen mit einem Artikel Aktenzeichen XY unerhört aus der Branchenzeitschrift Versicherungswirtschaft: Das Recht der persönlichen Ehre ist doch wahrhaftig schwer genug attackiert, wenn einer ganzen Branche eine Art von organisiertem Bandenraub vorgeworfen wird. Gerade auch noch einer Branche, die wie keine andere zum sozialen Frieden in unserem Lande beiträgt. Jeder Mitarbeiter der Lebensversicherungsunternehmen kann stolz darauf sein, sich einem hohen sozialen Auftrag verschrieben – und ihn nach besten Kräften erfüllt zu haben. Können Millionen Menschen eigentlich so kurzsichtig sein, sozusagen einer staatlich abgesegneten Mafia ins Messer zu laufen? Auch der Staat – besser: der Gesetzgeber – steht ja mit der Formulierung vom legalen Betrug in der Schusslinie, er wird eindeutig der Komplizenschaft zu einem anrüchigen Gewerbe bezichtigt. Der Bund der Versicherten wirft dem Staat, hier vertreten durch das Bundesaufsichtsamt, Beihilfe zu einem gigantischen Betrug vor.
Bleibt am Ende die Frage: Ist Versicherung durch Aktiengesellschaften ein gigantischer Betrug oder ein humanitäres und karitatives Gewerbe?