Widerspruch abgelehnt – was nun, Höherstufungsantrag?
Zwei Möglichkeiten bleiben dann noch:
1. Ein erneutes Schreiben, dass der Widerspruch aufrechterhalten wird. In diesem Fall geht das Gutachten an die Schiedsstelle der Pflegeversicherung. Das führt zu einer ziemlichen Verzögerung, die Aussichten sind statistisch nicht zu benennen. Je weiter eine Begutachtung jedoch zurückliegt, desto schlechter werden die Aussichten für Variante 2.
2. Die Klage vor dem Sozialgericht. Das ist an sich problemlos. Man benötigt bis zur mittleren Instanz noch nicht einmal einen Anwalt. Die Kosten sind wesentlich geringer als bei einem sonstigen Zivil- oder Strafverfahren. Verfahrenskosten entstehen dem Kläger nämlich nicht. Der eigene Anwalt muss nur bezahlt werden, wenn man den Prozess verliert oder einem Vergleich zustimmt, in dem üblicherweise festgehalten wird, dass jede Seite ihre Anstrengungen selbst bezahlt (verklausuliert in der Formel: „Damit sind alle gegenseitigen Forderungen abgegolten“ oder Ähnliches). Allerdings können Senioren mit geringem Einkommen Prozesskostenhilfe beantragen und damit erreichen, dass der Anwalt von Vater Staat bezahlt wird. Jedoch empfiehlt es sich, in jedem Fall einen Anwalt hinzuzuziehen, möglichst einen Fachanwalt, denn die Materie ist kompliziert und nicht ohne Tücken.
Bedenken Sie dabei aber:
Aus der Erfahrung heraus ist es wahrscheinlich richtig, eine recht hohe Erfolgsaussicht für den klagenden Versicherten zu bescheinigen, sicher ist ein Sieg jedoch ganz und gar nicht. Dies hängt ganz wesentlich von den Beweisen ab, die der Versicherte selbst vorlegen kann. Dabei ist die zeitliche Nähe der Beweise zur Begutachtung von sehr großer Bedeutung. Es nützt relativ wenig, ein Pflegetagebuch vorzulegen, welches auf Daten beruht, die erst mehrere Monate nach der Begutachtung erhoben wurden. Ein Pflegetagebuch, welches nur wenige Wochen von der Begutachtung entfernt ist, wird dagegen einen hohen Stellenwert einnehmen.
Sehr oft enden solche Verfahren nach längerem Hin und Her mit einem Vergleich, den man dann wahlweise als Sieg oder Niederlage interpretieren darf.
123Vesicherung rät: Widerspruchsverfahren dauern lange. Wenn Sie sich anschließend zu einem Gerichtsverfahren entschließen, werden Sie feststellen, dass dieses noch sehr viel länger dauert. Das Ende ist ungewiss. Kommt es zu einem Vergleich, weil die Monate der Ungewissheit allzu zermürbend verlaufen sind, beginnt das Rechnen, ob sich die Sache wirklich gelohnt hat. Daher sollten Sie sich eine Alternative eröffnen, die zwar auch Geld kostet, aber deutlich weniger Nerven, nämlich einen Antrag auf Höherstufung.
Der Höherstufungsantrag
Nach negativ verlaufenem Widerspruch sind nach dem Zeitpunkt der Begutachtung meist zwischen drei und sechs Monate vergangen. Alte, pflegebedürftige Menschen benötigen mit den Jahren immer mehr Hilfe, sodass die Pflegestufe so oder so nach einiger Zeit nicht mehr ausreicht. Die allermeisten Menschen verbleiben nicht bis zu ihrem Tod in der einmal festgestellten Pflegestufe, weil sie natürlich mit zunehmen-dem Alter immobiler und kranker werden. Der logische Schritt ist demnach, nach einiger Zeit einen neuen Antrag zu stellen, mit der formlosen Begründung, der Zustand habe sich verschlechtert. Ein derartiger Antrag hat meist bessere Chancen als ein Gerichtsverfahren.
Sie verlieren zwar drei bis sechs Monate in einer höheren Pflegestufe, gewinnen aber die übrige Zeit, in der Sie bei einem Verfahren immer noch auf Ihr Geld warten müssten und immer noch nicht wüssten, ob Sie denn überhaupt gewinnen. Die Realität setzt hier Zwänge, off in Gestalt eines beauftragten Pflegedienstes, der im Laufe der Monate schon mal einige tausend Euro in Rechnung stellt, die durch die bisherige Pflegestufe nicht abgedeckt sind.
Und wenn Sie ganz auf Nummer Sicher gehen wollen, dann klagen Sie und beantragen gleichzeitig eine Höherstufung. Korrekt formuliert schreiben Sie dann: „Ungeachtet des laufenden Verfahrens beantrage ich hilfsweise und vorsorglich eine Höherstufung ab dem heutigen Datum.“ Je nach Ausgang dieser Höherstufung können Sie ja dann noch einmal neu überlegen.