Von Zeit zu Zeit sehe ich den Alten gern. (Goethe, Faust)
Seit 1995 zahlt die staatliche Pflegeversicherung die ersten Leistungen aus. Doch damit wurde die private Absicherung des Pflegerisikos noch lange nicht überflüssig. Der Platz in einem Pflegeheim kostet durchschnittlich 5 000 € im Monat. Wer ambulant gepflegt werden muss, verursacht noch mehr Kosten. Die staatliche Pflegeversicherung zahlt aber nur maximal 3 300 € für stationäre Pflege ohne Unterkunft und Verpflegung, 3 750 € für ambulante Pflege und 1 300 € für Pflege durch Angehörige. Es bleibt also eine Pflegelücke, die aus Rente und Vermögen gedeckt werden muss. Das Pflegefallrisiko wird in den nächsten Jahren mit höherer Lebenserwartung und wachsender Zahl der Einpersonenhaushalte weiter steigen. Lediglich eine Pflegebedürftigkeit während des Erwerbslebens ist oft schon durch eine Berufsunfähigkeits- oder private Unfallversicherung abgedeckt. Die private Versicherungswirtschaft bietet seit 1985 eine private Pflegeversicherung an. Heute gibt es drei Tarifarten, von denen keine ohne Nachteile ist. Da den privaten Versicherern Erfahrungswerte fehlen, sind die Beiträge immer noch sehr vorsichtig und teuer kalkuliert.
Pflegetagegeld-Versicherung. Der Versicherte kann zwischen Tagessätzen von 10 bis 100 € wählen mit entsprechenden Beiträgen von 300 bis 450 € monatlich. Das Pflegetagegeld wird pauschal gezahlt, ein Kostennachweis ist nicht notwendig. Allerdings richtet sich die Versicherungsleistung nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit. Er wird bei den meisten Versicherern mittels eines Punktesystems ermittelt. Jeweils einen Punkt gibt es, wenn Hilfe für eine der folgenden Verrichtungen notwendig ist: Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Waschen und Kämmen (Rasieren), Essen und Trinken, Wasserlassen, Stuhlgang. Die Pflegestufe 1 beginnt bei drei Punkten. Zwischen 3 und 5 Punkten (Pflegestufe 1 bis 3) wird ein Prozentsatz des Tagegeldes gezahlt, den vollständigen Satz gibt es erst bei 6 Punkten (Pflegestufe 4). Die Pflegebedürftigkeit muss durch ein ärztliches Gutachten belegt werden.
Die Leistungsunterschiede sind jedoch groß: Einige Versicherer zahlen nicht, wenn der Versicherte zu Hause von Angehörigen, Nachbarn oder Freunden betreut wird, andere zahlen für stationäre Pflege bei Pflegestufe 3 nur 60 oder 70 Prozent des Tagegelds, wieder andere zahlen bei Pflegestufe 1 gar nicht. Daher darf der Kunde nicht nur auf den Preis schauen. Die Pflegetagegeld-Versicherung kostet für 100 € am Tag oder 3 000 € im Monat bei einem Eintrittsalter von 40 Jahren 40 € je Person und Monat, bei 50 Jahren rund 60 € und bei 60 Jahren rund 100 €. Nachteilig ist der Verzicht auf die Dynamisierung: Das Pflegegeld kann nicht an steigende Pflegekosten angepaßt werden. Die einzige Möglichkeit ist die Erhöhung des Tagessatzes, wobei allerdings für die Erhöhung das aktuelle Alter gilt. Außerdem kann eine zweite Gesundheitsprüfung verlangt werden. Günstige Versicherungen sind Süddeutsche und Alte Oldenburger
Pflegekostenversicherung. Diese Versicherung zahlt einen bestimmten Prozentsatz (bis zu 80 Prozent) der nachgewiesenen Aufwendungen für medizinisch notwendige Pflege bis zur festgelegten Jahreshöchstgrenze von meist 60 000 €. Damit paßt sie sich automatisch der Kostenentwicklung bis zur Höchstgrenze an. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung muss der Versicherte jedoch selbst tragen. Bei einem Altenpflegeheim werden also nur die Kosten für die Pflege getragen, die normalen Kosten muss der Versicherte zahlen. Fast alle Versicherer zahlen außerdem nur bis zu bestimmten Höchstbeträgen im Jahr. Die Leistungen sind wie bei der privaten Krankenversicherung sehr unterschiedlich. Die Pflegekosten-Versicherung knüpft an die Pflichtversicherung an und legt bestenfalls noch einmal die gleiche Leistung oben drauf, also 100 Prozent der Pflichtversicherung. Andere Anbieter übernehmen den größten Teil der Restkosten, die von der Pflichtversicherung nicht abgedeckt sind. Allerdings gibt es auch bei der Pflegekosten-Versicherung häufig drei Jahre Wartezeit; lediglich Mannheimer und AXA-Colonia verzichten vollständig darauf. Letztere verzichtet sogar im Pflegefall auf die Beitragsweiterzahlung bis zum Beginn der Altersrente. Die Berlin-Kölnische Speziale zahlt sogar, wenn Sie von der Pflichtversicherung nicht als Pflegefall eingestuft worden sind. Dann werden 50 Prozent der Kosten erstattet.
Wenn Laien oder Angehörige die Pflege übernehmen, wird meist ein Pflegetagegeld gezahlt. Die Höhe kann vereinbart werden und richtet sich nach der Pflegestufe. Außerdem übernehmen viele Versicherer die Sachkosten für Hilfsmittel zur Pflege. Die Beiträge der Pflegekrankenversicherung richten sich nach Alter und Leistungen der Versicherung. Frauen zahlen wegen ihrer höheren Lebenserwartung mehr als Männer. Günstige Anbieter sind AXA Colonia, Mannheimer und Berlin-Kölnische Speziale. Die Beiträge für einen 40 Jahren alten Mann bewegen sich zwischen 35 und 50 € pro Monat, für eine gleichaltrige Frau zwischen 40 € und 60 €. Der Vorteil der Pflegekostenversicherung ist der Verzicht auf die komplizierte Stufen- und Punkteregelung (außer beim Tagegeld), über die es fast immer Streit gibt. Der Versicherungsgesellschaft reicht neben dem dreimonatigen ärztlichen Gutachten der Nachweis der Kosten. Versicherte sollten eine Kostenerstattung von 80 Prozent wählen, einen Jahreshöchstbetrag von 60 000 € anstreben, ein Tagegeld bei Pflege durch Angehörige vereinbaren und auf die Leistung von Sachkosten achten.
Die Pflegerentenversicherung
Diese Variante funktioniert ähnlich wie eine Lebensversicherung und wird auch von den Lebensversicherern angeboten: Die Beiträge können monatlich, aber auch einmalig bezahlt werden. Dafür bekommt der Versicherte im Pflegefall eine Rente. Beispiel: Eine fällige Lebensversicherung über 45 000 € wird mit 60 Jahren als Einmalbeitrag verwendet. Die monatliche Pflegerente beträgt 1 500 €. Allerdings lohnt die Police für viele erst ab 100 € Pflegerente pro Tag, also 3 000 € pro Monat. Dazu müsste die Hauptversicherung, also die Kapital-Lebensversicherung oder Privatrente, aber schon ziemlich hoch versichert und damit teuer sein. Grund: Die Pflegerente darf höchstens 36 Prozent der Hauptversicherung ausmachen. Für 3000 € Pflegerente im Monat sind also mindestens 100 000 € garantierte Versicherungssumme im Vertrag der Lebensversicherung nötig. Wartezeiten gibt es nicht. Auf Beitragsweiterzahlung im Pflegefall wird bei der Pflegerentenversicherung generell verzichtet; spätestens zum Ende der Hauptversicherung ist ohnehin Schluß mit den Zahlungen. Die Zahlung der Rente beginnt sechs Monate nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit, die ärztlich attestiert werden muss. Die Versicherung zahlt auch, wenn der Versicherte von Angehörigen oder Nachbarn gepflegt wird. Die Höhe der Leistung richtet sich nach einem ähnlichen Punktesystem wie in der Pflegekrankenversicherung. Pflegestufe 1 mit 3 Punkten bedeutet 40 Prozent der Rente, Pflegestufe 2 mit 4 und 5 Punkten entspricht 70 Prozent der Rente, und Pflegestufe 3 mit 6 Punkten entspricht der vollen Rente. Die Beiträge der Pflegerente sind höher als bei der Pflegetagegeld-Versicherung, obwohl die Leistungen ähnlich sind.
Die Beitragsunterschiede zwischen den Versicherern sind enorm. Der Grund ist die unterschiedliche Kalkulation. Die Pflegerente wird wie eine Kapital-Lebensversicherung berechnet: Die Kalkulation ist übervorsichtig, und es gibt noch keine Erfahrungswerte für das Risiko. Außerdem gibt es einige Zusatzleistungen: Die Versicherten werden an den Überschüssen beteiligt, indem die monatliehe Rente erhöht wird. Im Versicherungsfall müssen keine Beiträge gezahlt werden. Im Todesfall bekommen die Erben zwischen 2 und 3 Jahresrenten, wobei allerdings geleistete Rentenzahlungen abgezogen werden. Der Versicherte selbst erhält in jedem Fall ab einem Alter von 85 Jahren die volle Rente. Einige Versicherer bieten dies gegen Zuschlag schon ab dem 81. Lebensjahr an. Das Modell der Lebensversicherer ist dennoch zu teuer und mit überflüssigem Schutz versehen. Weder die Altersrente noch das Sterbegeld für die Hinterbliebenen sind notwendig. Außerdem fehlt die Möglichkeit der Dynamik. Unter dem Strich erscheint als das derzeit beste aller unzureichenden Angebote die Pflegekostenversicherung. Entscheidend für die richtige Absicherung des Risikos ist die individuelle Lebenssituation und -planung. Wer Angehörige hat, die ihn pflegen würden, braucht weniger Schutz. Allerdings kann es sein, dass die Pflegeperson ihren Beruf aufgeben muss und somit einen Einkommensverlust erleidet. Wer Vermögen hat (Beispiel Eigenheim), braucht ebenfalls weniger Pflegeschutz. Übrigens: Für alle, die 1958 und später geboren sind, gewährt das Finanzamt einen zusätzlichen Sonderausgabenbetrag von bis zu 360 € im Jahr. Damit können Beiträge für Pflege-Zusatz-Policen bis zu dieser Summe von der Einkommensteuer abgesetzt werden.