Die zahlreichen gesamtwirtschaftlichen Aufgaben des Wirtschaften im Versicherungsunternehmen bringen es mit sich, dass der Gesetzgeber ein vitales Interesse an wirtschaftlich soliden und auf dauerhafte Erhaltung ausgerichteten Versicherungsunternehmen hat. Aus diesem Grund hat die Versicherungsaufsicht in Deutschland im Laufe der Zeit einen relativ strengen rechtlichen Rahmen für Versicherungsunternehmen geschaffen. Hauptquelle dieser Vorgaben ist das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), in dem sich alle rechtlichen Regelungen über das Wirtschaften in Versicherungsunternehmen finden, die über die allgemeinen Bestimmungen des Handelsgesetzbuches (HGB) oder Aktiengesetzes (AktG) hinausgehen.
Die auffälligsten Regelungen sind das Verbot versicherungsfremder Geschäfte und das Spartentrennungsgebot, die beide letztlich darauf abzielen, etwaige schädliche Einflüsse anderer Geschäfte vom Versicherungsgeschäft fernzuhalten. Beide Regelungen beschränken Versicherungsunternehmen im Kern darauf, nur eine Versicherungssparte zu betreiben; Quersubventionierungen anderer Geschäfte wird damit vorgebeugt. Um dennoch Versicherungsprodukte anderer Sparten oder gar versicherungsfremde Produkte vertreiben zu können, muss ein Versicherungsunternehmen Konzernstrukturen bilden.
Mit der Schaffung eines Verantwortlichen Aktuars und eines unabhängigen Treuhänders hat die Versicherungsaufsicht im Zuge der Deregulierung 1994 weitere Kontrollorgane innerhalb bzw. außerhalb des Versicherungsunternehmens installiert, die die Kontrolltätigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterstützen. Beide Organe sollen nach dem Willen der Versicherungsaufsicht ein hohes Maß an Eigenständigkeit bei der Kontrolle der Versicherungsunternehmen entwickeln, was in der betrieblichen Praxis vor allem beim Verantwortlichen Aktuar zu Interessenkonflikten führen kann.
Weitere zentrale Vorgaben der Versicherungsaufsicht betreffen die Kontrolle der Inhaber bedeutender Beteiligungen, den Gleichbehandlungsgrundsatz (vor allem bei VVaG), Vorschriften bei der Rechnungslegung, eine Reihe von Offenlegungspflichten und einige Sonderregelungen zur privaten Krankenversicherung. Die ebenfalls relevanten Einschränkungen bei der Rechtsformwahl und die daraus folgenden Implikationen für die Führungsstrukturen in Versicherungsunternehmen werden in diesem Versicherung-Artikel gesondert besprochen.
Verbot versicherungsfremder Geschäfte
Nach §7(2) VAG dürfen Versicherungsunternehmen „neben Versicherungsgeschäften nur solche Geschäfte betreiben, die hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Aus diesem Verbot versicherungsfremder Geschäfte ergibt sich, dass Versicherungsunternehmen stets als reine Anbieter von Versicherungsdienstleistungen, nicht aber als Produzenten von Konsumgütern oder versicherungsfremden Dienstleistungen auf dem Markt auftreten dürfen, wozu auch Bankgeschäfte zählen. Hintergrund dieser Forderung ist das Ziel des Gesetzgebers, die Interessen der Versicherungsnehmer nicht durch Vermischung des Versicherungsgeschäftes mit anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten zu gefährden.
Beispiel: Gäbe es kein Verbot versicherungsfremder Geschäfte, könnte ein Lebensversicherungsunternehmen im Zuge seiner Gewinnziele auch Autoreifen und andere Autoteile produzieren und vertreiben. Käme es nun auf dem Automobilmarkt zu Absatzproblemen, könnte dieser Versicherer in eine Situation geraten , wo er auf Reserven aus dem Versicherungsgeschäft zurückgreifen möchte oder gar müsste, um sein defizitäres Geschäft mit Autoteilen zu stützen. Im Extremfall könnte ein Konkurs des Unternehmens bestehende Rentenansprüche von Versicherungsnehmern gefährden. Der Begriff „versicherungsfremde Geschäfte“ wird dabei vom Gesetzestext nicht näher definiert, was eine Abgrenzung in der Praxis erschwert. Beispielsweise investieren Versicherungsunternehmen die nicht für Schadenregulierung und Deckung eigener Kosten benötigten Beitragsanteile nach den Vorgaben des §54 VAG auf den Kapitalmärkten, ohne damit ein versicherungsfremdes Geschäft zu betreiben. Da die Kapitalanlage zu den zentralen einzelwirtschaftlichen Aufgaben eines Versicherungsunternehmens zählt, sieht der Gesetzgeber das Verbot versicherungsfremder Geschäfte hierdurch nicht verletzt.
Möchte ein Lebensversicherer hingegen fondsgebundene Versicherungen vertreiben, benötigt er für die Kapitalanlage eine Kapitalanlagegesellschaft, um die Vorgaben des §54 VAG nicht zu verletzen (Anwendung des §54b VAG und Schaffung eines treuhänderisch verwalteten Anlagestocks). Wichtig ist, dass der Versicherer in diesem Falle nicht selbst als Kapitalanleger auftritt, das Anlagerisiko vielmehr beim Versicherungsnehmer verbleibt. Um trotz des Verbotes versicherungsfremder Geschäfte eben solche versicherungsfremden Geschäfte wenigstens indirekt betreiben zu können, müssen Versicherungsunternehmen Konzerne bilden, also zum Beispiel geeignete Tochtergesellschaften gründen. Die dabei entstehenden Beteiligungen gelten nicht automatisch als versicherungsfremde Geschäfte, allerdings dürfen die Kapitalanlagevorschriften des § 54 VAG nicht verletzt werden. Ebenso muss aus Sicht der Aufsicht ausgeschlossen werden können, dass von der Beteiligung eine Gefährdung des Versicherungsunternehmens ausgeht (§ 82 VAG).
Spartentrennungsgebot
Das Sparten trennungsgebot des §8(1 a) VAG weist gewisse Ähnlichkeiten zum Verbot versicherungsfremder Geschäfte auf und zielt ebenso darauf ab, Versicherungsbestände vor negativen bestandsfremden Einflüssen zu schützen. Konkret legt § 8 (1 a) VAG hierzu fest, dass die „ Erlaubnis zum Betrieb der Lebensversicherung und die Erlaubnis zum Betrieb anderer Versicherungssparten“ einander ausschließen, ein analoger Passus findet sich für die substitutive Krankenversicherung. Ein Versicherer kann folglich immer nur als Lebens- oder Kranken- oder Schaden- und Unfallversicherer auftreten, eine Vermischung dieser Sparten in einem Versicherungsunternehmen ist untersagt. Die Separierung der Sparten Leben und Kranken voneinander und von anderen Sparten ergibt sich aus der sozialpolitischen Bedeutung dieser Sparten. Beispielsweise soll vermieden werden, dass ein Versicherungsunternehmen gezwungen sein könnte, privaten Rentenversicherungsbeständen die Überschussbeteiligung oder gar garantierte Leistungen zu kürzen (Letzteres ist streng genommen gar nicht möglich), um ein defizitäres Kfz-Versicherungsgeschäft zu erhalten. Insofern unterstreicht der Gesetzgeber mit dem Spartentrennungsgebot die Bedeutung speziell der Lebens- und Krankenversicherung für Gesellschaft und Volkswirtschaft.
Die Rechtsschutzversicherung darf nach §8a(l) VAG zwar zusammen mit anderen Versicherungssparten angeboten werden (Ausnahmen: Leben und Kranken), dabei muss aber sichergestellt sein, dass die Schadenregulierung einem anderen Unternehmen übertragen wird. Mit dieser Forderung beugt die Versicherungsaufsicht etwaigen Interessenkonflikten innerhalb eines Versicherungsunternehmens vor. Diese könnten beispielsweise entstehen, wenn ein Versicherungsnehmer in der Hausratversicherung gegen seinen Versicherer klagen und zu diesem Zweck die im gleichen Haus abgeschlossene Rechtsschutzversicherung heranziehen möchte. Bis 1990 durfte die Rechtsschutzversicherung ebenso wie die Kredit- und Kautionsversicherung daher nur in eigenständigen Versicherungsunternehmen angeboten werden, die teilweise bis heute fortbestehen.
Die Spartentrennung ist eine entscheidende Ursache für das Entstehen von Versicherungskonzernen, die Versicherungsunternehmen unterschiedlicher Sparten unter einem Dach zusammenführen. Nur durch eine Konzernbildung ist es möglich, das gesamte Spektrum der üblichen Erst- und Rückversicherungsprodukte anzubieten, Versicherungskonzerne werden daher auch als „verhinderte Allspartenversicherer“ bezeichnet. Innerhalb eines solchen Konzerns existieren zumeist die klassischen Sparten Lebens-, Kranken-, Schaden- und Unfallversicherung als rechtlich selbstständige Unternehmen mit separatem Eigenkapital, eigenem Jahresabschluss und damit auch wirtschaftlich voneinander unabhängigen Versicherungsbeständen.
Neben der allgemeinen Spartentrennung gibt es noch das faktische Prinzip der kleinen Spartentrennung (auch Spartenautarkieprinzip), wonach innerhalb der Kompositversicherung keinerlei Quersubventionierung zwischen den einzelnen Versicherungszweigen stattfinden soll. Gesetzliche fixierte Regeln zur kleinen Spartentrennung existieren nicht. Ziel ist denn auch nur die Vermeidung einer langfristigen Verschiebung von Finanzmitteln zwischen einzelnen Versicherungszweigen, gelegentlich anfallende Zufallsgewinne oder -Verluste sind hiervon nicht betroffen.