Nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) müssen die Lebensversicherer vor Vertragsabschluss in einer Verbraucherinformation – schriftlich, eindeutig formuliert, übersichtlich gegliedert und verständlich – über die für das Versicherungsverhältnis maßgeblichen Tatsachen, also auch über die vielen Nachteile Kapital bildender Versicherungen informieren: über die hohen Verluste bei Kündigung und darüber, dass Lebensversicherer einseitig die Höhe der von ihnen geschuldeten Leistungen bestimmen können, dass sie den Umfang dieser Leistungen durch Kostenverschwendungen und das Verschwindenlassen von Versichertengeld in stillen Reserven oder im Konzern dezimieren können …
Die Verbraucherinformation soll vor Abschluss des Versicherungsvertrages erteilt werden und klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der Angebote enthalten, insbesondere Angaben zu Einzelheiten der Vertragsbeendigung (Anhang IIA a 6 zu Art 31 der EU-Richtlinie 92/96), sowie die notwendigen Informationen liefern, dass jeder Einzelne den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auswählen kann (Erwägungsgrund 23 der o. a. Richtlinie). Sie soll eine ausführliche Unterrichtung vor Vertragsabschluss ermöglichen, um dem Verbraucher eine sachgerechte Entscheidung – auch im Hinblick auf andere Vorsorgemöglichkeiten – zu erlauben (Bundestags-Drucksache 12/6959, Begründung S. 45 und 100). Sie soll so abgefasst sein, dass sich ein durchschnittlich gebildeter Versicherungsnehmer ein zutreffendes Bild vom Vertragsinhalt machen kann (Grundsätze des Bundesaufsichtsamtes, VerBAV 8/1995, S. 283 ff.).
Sie soll sich auf entscheidungsrelevante Sachverhalte beschränken und nicht einfach nur auf die Versicherungsbedingungen verweisen, sondern deren unverständliche Formulierungen erklären (Reich, VuR 1/93, S. 22; Schwintowski, VersWissStud Bd. 2, S. 21). Kein Versicherer weist auf die oben beschriebenen Nachteile Kapital bildender Versicherungen hin; der Bundesgerichtshof hat dies im Jahre 2001 auch zu drei Klauseln in den Versicherungsbedingungen bestätigt, die fast alle deutschen Lebensversicherer verwenden. Deshalb können fast alle Versicherten in Deutschland bis zu zwölf Monate nach Zahlung des ersten Beitrages ihren Lebens- und Rentenversicherungen widersprechen (§ 5a WG).
Wenn Sie in den letzten zwölf Monaten den ersten Beitrag zu einer Lebens- oder Rentenversicherung gezahlt haben, schreiben Sie an das Versicherungsunternehmen:
Ich widerspreche dem Vertragsabschluss gemäß § 5a des Versicherungsvertragsgesetzes (WG),weil Ihre Verbraucherinformation nicht dem § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) entspricht. Das ergibt sich auch aus den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 9. Mai 2001 (IV ZR 138/99 und IV ZR 121/00). Außerdem widerrufe ich die Ihnen erteilte Einzugsermächtigung auf mein Konto. Bitte zahlen Sie alle eingezahlten Beiträge plus sieben Prozent Zinsen zurück, sonst wende ich mich wegen einer Klage an den Bund der Versicherten. Zu einem Riester-Vertrag lautet der Text etwas anders.
Durch den Widerspruch wird der geschlossene Vertrag ab Beginn aufgehoben. Der Versicherer ist also ungerechtfertigt bereichert und muss neben den Beiträgen auch die Erträge, die er aus den gezahlten Beiträgen erlangt hat, herausgeben (§818 Bürgerliches Gesetzbuch). Sieben Prozent ist in etwa die Nettokapitalanlagerendite, die Versicherungsunternehmen aus Geldanlagen erzielen. Die Versicherer schreiben nach einem Widerspruch oft, dass sie diesen nur als Kündigung anerkennen und dass der Versicherte keinen Anspruch auf Rückzahlung der Beiträge habe. Wegen dieser Spielchen ist der letzte Halbsatz im Widerspruch-Schreiben mit dem Hinweis auf den Bund der Versicherten sehr wichtig. Die Versicherer erkennen daran, dass sich der Versicherte im Falle einer Weigerung an den BdV wenden wird, der in solchen Fällen die sofortige Klagerhebung empfiehlt.
Zur mangelhaften Verbraucherinformation gibt es leider keine positiven Gerichtsurteile für die Versicherten, da die Versicherer bisher in allen vom Bund der Versicherten geführten Prozessen nach Klagerhebung oder in der mündlichen Verhandlung vor Gericht oder auch noch danach alle Beiträge plus Zinsen an den Versicherten zurück-zahlen und damit für die Verbraucher positive Gerichtsurteile verhindert haben. So ist in einem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Bonn vom 25. Juli 2001 (5 S 14/01) zu lesen, dass der Versicherer auf Anraten der Kammer den Anspruch auf Rückzahlung aller Beiträge anerkannt hat. Gleiches und sogar eine Bar-geldzahlung im Gerichtssaal geschah in zwei – ebenfalls vom Bund der Versicherten geführten – Prozessen vor dem Landgericht Berlin.
Probleme ergeben sich nach den Erfahrungen der Verbraucherorganisationen beim Widerspruch, wenn der Versicherer meint, seine Verbraucherinformation entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Das ist aber nach den Erfahrungen aller Verbraucherorganisationen bei keinem deutschen Lebensversicherer der Fall. Durch Hinweise in der Verbraucherinformation auf die Versicherungsbedingungen erfuhr ein Interessent allenfalls, dass Rückkaufswerte, Abschlusskosten und Überschussbeteiligung nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik, nach aufsichtsrechtlich geregelten Verfahren, nach Gesetzen und Rechtsverordnungen berechnet und dass alle Versicherer staatlich überwacht werden. Im Vertrauen darauf glaubten die Verbraucher, dass bei Kapital bildenden Versicherungen alles gesetzlich geregelt und staatlich überwacht sei und dass es keine großen Unterschiede zwischen den Anbietern gebe. Sie haben weder einen Vergleich mit anderen Alternativen (Risiko-Lebensversicherung zu fünf Prozent des Beitrages plus eigener Geldanlage der restlichen 95 Prozent) noch mit Angeboten anderer Versicherer vorgenommen.
Nur so sind die zwei Phänomene zu erklären, dass – im Gegensatz zu anderen Ländern – in Deutschland überhaupt noch Kapital bildende Versicherungen abgeschlossen werden und dass dies auch noch zu 90 Prozent bei nicht empfehlenswerten Versicherern geschieht, wie der geringe Marktanteil von zehn Prozent der sehr guten und guten Anbieter beweist.