Beispiel: Seit der Frontalkollision von Alberto G. sind mehrere Jahre vergangen. Mittlerweile erhält er Renten der IV und der Unfallversicherung. Und da ist noch die Insassendeckung in seiner Motorfahrzeughaftpflicht-versicherung. Eigentlich hatte er diese schon lange kündigen wollen, weil er ja als Erwerbstätiger obligatorisch gegen Unfall versichert war. Dass er dazu nie Zeit fand, kommt ihm jetzt zugute. Alberto G. erhält aus der Insassenversicherung unerwartet ein zusätzliches Invaliditätskapital von 50000 Franken.
Auf privat finanzierte Versicherungen finden die Sozialversicherungsgesetze keine Anwendung; sie gehören alle in den Bereich des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Der zentrale Unterschied: Es gilt die Vertragsfreiheit.
Kein Obligaterem: Der Abschluss ist nicht nur für Sie als Versicherte freiwillig, sondern auch für den Versicherer. Stuft dieser die War Scheußlichkeit, dass Sie irgendwann einmal nach einem Unfall Leistungen brauchen werden, als zu hoch ein, darf er Sie ablehnen. Sie sind – in der Versicherungssprache – ein schlechtes Risiko. Wer beispielsweise an Osteoporose leidet, wird nur schwer einen Versicherer finden, weil das Risiko für einen komplizierten Knochenbruch stark erhöht ist. Ebenso haben Personen, die aufgrund eines früheren Unfalls als eventuell vorgeschädigt eingestuft werden, zuweilen Mühe, sich noch privat zu versichern (etwa bei Schleudertrauma). Das ist stoßend, aber aufgrund der Vertragsfreiheit zulässig.
Keine gesetzlich definierten Leistungen: Das Gesetz enthält nur grobe Rahmenvorschriften; inhaltlich bestehen kaum Restriktionen. Maßgebend für die Leistungen ist das, was im einzelnen Versicherungsvertrag vereinbart wurde. Keine gesetzlich geregelten Prämien: Auch in der Prämienfestsetzung sind die Versicherer weitgehend frei. Sie legen die Prämien risikogerecht fest. Wer in der Vergangenheit zum Beispiel bei riskanten Sportarten mehrere Unfälle hatte oder einen unfallträchtigen Beruf ausübt (etwa Eishockeyprofi, wird, wenn überhaupt, nur zu hohen Prämien versichert.
Für das Unfallrisiko gibt es verschiedenste Versicherungsprodukte, Leistungsvarianten und Prämiengestaltungen. Oft muss nicht einmal eine separate Police abgeschlossen werden, sondern die Unfalldeckung lässt sich in einer anderen Hauptpolice mit versichern. Ein typisches Beispiel ist die Insassenversicherung bei Motorfahrzeugen: Diese können Sie in der Haftpflicht- oder der Kaskopolice Ihres Autos als zusätzlich versichertes Risiko einschließen. Verbreitet sind auch Unfalldeckungen im Rahmen der 3. Säule. Diese sehen nicht nur Leistungen für das Alter, sondern auch im Invaliditäts- oder Todesfall vor (daher auch der Aus- druck Lebensversicherung).
Tipp: Prüfen Sie immer Produkte von verschiedenen Anbietern. Überlegen Sie sich, welche Risiken Sie abdecken möchten und wo Sie auf Versicherungsschutz verzichten können. Achten Sie darauf dass Sie keine Risiken versichern, die bereits durch eine andere Police gedeckt sind.
Achtung beim Kleingedruckten
Bei den Sozialversicherungen sind die Leistungen und die Bedingungen dafür durch Gesetze klar geregelt. Nicht so bei den Privatversicherungen. Wollen Sie wissen, was gilt, müssen Sie nicht ein Gesetz, sondern die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) – das berühmte Kleingedruckte – studieren. Dort reiht sich meist über unzählige Seiten hinweg Bestimmung an Bestimmung: Wo, wann und für wen gilt die Versicherung? Was genau ist versichert und was gerade nicht? Wann können Leistungen gekürzt, wann ganz, verweigert werden? Wie lange dauert der Vertrag, wann und unter welchen Umständen kann er gekündigt werden? Und so weiter und so weiter. Daneben gibt es Bestimmungen über die Schadensmeldung und Gerichtsstands Bestimmungen für den Streitfall… Im ganzen Sammelsurium findet sich ab und zu auch Originelles, etwa die Regelung, dass die Versicherung nicht für Schäden aufkommt, die durch abstürzende Luft- und Raumfahrzeuge oder Teile davon verursacht werden.
Nicht nur Versicherungslaien sind mit den AVB überfordert. Trotz ihrer Wichtigkeit liest sie daher fast niemand wirklich durch. Und wer sie doch liest, hat große Mühe, das Versicherungschinesisch zu verstehen.
Tipp: Guter Rat muss nicht teuer sein – lassen Sie sich ehrlich und kompetent beraten. Die Beratung soll einerseits Deckungslücken in Ihrem Versicherungsschutz orten und Ihnen andererseits helfen, unnötige Überversicherungen zu vermeiden (mehr zur Zusammenarbeit mit Versicherungsfachleuten finden Sie auf unserem Versicherung-Ratgeber).
Schadens- oder Summenversicherung: ein Unterschied mit Folgen
Der Unterschied zwischen der Schadens- und der Summenversicherung ist nicht ganz einfach zu verstehen – und auch die Gerichte tun sich bisweilen schwer mit der Abgrenzung. Die Auswirkungen aber sind entscheidend:
• Bei der Schadensversicherung müssen Sie nachweisen, dass effektiv ein Schaden eingetreten ist und welche Höhe er erreicht. Die Versicherung bezahlt dann für diesen Schaden bis maximal zum versicherten Betrag.
• Anders bei der Summenversicherung. Hier reicht es, dass der versicherte Schadenfall eingetreten ist – dass Sie also einen Unfall hatten damit die Versicherung die ganze vereinbarte Summe bezahlen muss.
Beispiel: Luzia B. stürzt beim Aussteigen aus dem Tram so unglücklich, dass sie anschließend zwei Monate arbeitsunfähig ist. Sie meldet den Schaden bei ihrer privaten Unfallzusatzversicherung an. Diese wendet ein, dass die Heilungskosten von der obligatorischen Unfallversicherung vergütet worden seien und der Arbeitgeber den Lohn voll weiterbezahle. Es sei Frau B. also kein finanzieller Schaden entstanden. Weil es sich bei ihrer privaten Zusatzpolice um eine Schadensversicherung handle, habe sie keine Leistungen zugut. Luzia B. ist überversichert. Sie hat für das gleiche Risiko zwei Versicherungen, ohne dass bei einem Unfall beide bezahlen müssten.
Anders wäre es, wenn Frau B. eine Summenversicherung abgeschlossen hätte. Dann müsste der private Unfallversicherer das vereinbarte Taggeld auf jeden Fall zahlen, und zwar unabhängig davon, wie viele andere Versicherungen für das gleiche Ereignis bereits Leistungen erbringen.
Policen nicht vergessen!
Gerade nach einem Unfall mit schwereren gesundheitlichen Folgen steht begreiflicherweise die Sorge um die Zukunft im Vordergrund. Oft gehen dann die vor Jahren einmal abgeschlossenen privaten Versicherungen für Unfall vergessen. Doch der beste Versicherungsschutz nützt nichts, wenn man ihn nicht beansprucht! Schauen Sie deshalb sobald wie möglich in Ihren Unterlagen nach, ob nicht in irgendeiner Police das Unfallrisiko eingeschlossen ist. Falls ja, melden Sie den Unfall sofort beim Versicherer an. Häufig finden Sie bei der Police die nötigen Formulare dazu. Oder Sie können sich telefonisch beim Versicherer melden. Entweder wird Ihr Fall dann gleich aufgenommen oder Sie erhalten ein Formular zugeschickt. Viele Versicherungsgesellschaften bieten heute auch die Möglichkeit, im Internet online ein Unfallformular auszufüllen und abzusenden. Oft sind die Allgemeinen Versicherungsbestimmungen so unklar formuliert, dass beide Interpretationen möglich sind. Die Gerichte aber neigen in jüngerer Zeit dazu, die Verträge als Schadensversicherungen auszulegen. Ist nicht ausdrücklich erwähnt, dass es sich um eine Summenversicherung handelt, gehen sie also eher vom für die Versicherten ungünstigeren Fall aus. Tipp: Fragen Sie vor dein Abschluss einer privaten Versicherung nach, ob es sich um eine Schadens- oder um eine Summenversicherung handelt. Lassen Sie die Antwort unmissverständlich festhalten.