Nun also zum vermeintlichen Hauptthema bei der IV, zur Rente. Nochmals: Der Weg dorthin ist beschwerlich. Zuerst kommen die Abklärungen und Eingliederungsmaßnahmen, die oft ein Jahr oder länger in Anspruch nehmen. Erst wenn eine volle Eingliederung ins Erwerbsleben aus medizinischen, invaliditätsbedingten Gründen aussichtslos ist, wird die Rentenfrage geprüft.
Beispiel: Die Krankenschwester Maria A. wird in Ungarn in eine Massen-karambolage auf der Autobahn verwickelt. Ihr Mann wird lebensgefährlich, sie selbst glücklicherweise nur leicht verletzt. Das Unfallereignis und das Durcheinander auf der Unfallstelle lösen bei Frau A. jedoch einen Schock aus. Dazu kommen die traumatischen Erlebnisse im überfüllten Krankenhaus in Budapest: Arzte und Personal sind mit den vielen Verletzten überfordert, niemand spricht ihre Sprache und sie hat Angst um ihren Mann, den man im Spital auf dem Flur abgestellt hat.
Schließlich kann sie den Rücktransport mit der Rega organisieren. Nach Hause zurückgekehrt, bricht Frau A. psychisch zusammen und wird arbeitsunfähig. Posttraumatischer Belastungsstörung lautet die medizinische Diagnose. Der Arzt meldet sie bei der IV an, die als Erstes die Möglichkeiten zur beruflichen Wiedereingliederung prüft. Die Eingliederungsmaßnahmen verlaufen ein Stück weit erfolgreich. Zwar ist Maria A. der Belastung einer Tätigkeit im Krankenhaus nicht mehr gewachsen. Sie kann aber auf Vermittlung der IV eine Stelle in einem Behindertenheim antreten. Auch in dieser weniger belastenden Tätigkeit ist sie – so die Beurteilung der Arzte – nur zu 30 Prozent arbeitsfähig.
Weil Frau A. früher im Spital in leitender Stellung voll erwerbstätig war und jetzt nur noch zu 30 Prozent in einer weniger verantwortungsvollen Position arbeiten kann, hat sie trotz erfolgreicher Wiedereingliederung einen Erwerbsausfall. Sechs Jahre nach dem Unfall spricht ihr die IV schließlich eine Rente zu.
Wie hoch aber ist die IV-Rente? Die Berechnung basiert auf drei Faktoren:
• Der Invaliditätsgrad drückt in Prozent aus, wie hoch die Hinkommens Busse ist. Andres als bei der Unfallversicherung entspricht die IV-Rente nicht direkt dem Invaliditätsgrad. Die IV kennt nur vier Stufen (siehe Kasten).
• Von den eingezahlten Beiträgen hängt es ab, ob jemand eine Maximal oder eine Minimalrente erhält.
• Die Anzahl der Beitragsjahre schließlich bestimmt darüber, ob eine Voll- oder eine Teilrente zugesprochen wird.
Basis der Berechnung: der Invaliditätsgrad
Wie bei der Unfallversicherung wird das Validen einkommen (Einkommen ohne Unfall) mit dem noch erzielten oder als erzielbar angesehenen Invalideneinkommen (Einkommen mit Unfall) verglichen (mehr dazu auf unserem Versicherung-Ratgeber).
Beispiel: Stefan F. aus dem Beispiel auf unserem Versicherung-Ratgeber hat nach den Eingliederung Maßnahmen der IV einen Invaliditätsgrad von 28,57 Prozent. Für eine Viertels Rente brauchte es aber mindestens 40 Prozent. Deshalb erhält Herr F. von der IV nichts. Gut, hat er eine Unfallversicherung; wenigstens dort wird ihm die Einkommenseinbusse entschädigt.
Invaliditätsgrad bei Nichterwerbstätigen
Für Nichterwerbstätige ist die Invalidenrente ungleich wichtiger; sie haben ja keine Unfallversicherung. Weil sich die Berechnung des Invaliditätsgrads nicht auf ein Erwerbseinkommen als Referenz Größe abstützen kann, wird die Einschränkung in ihrem bisherigen Aufgabenbereich angesehen.
Abstufung der IV-Rente nach dem Invaliditätsgrad
• Invaliditätsgrad mindestens 40% Viertels Rente
• Invaliditätsgrad mindestens 50% Halbe Rente
• Invaliditätsgrad mindestens 60% Dreiviertels Rente
• Invaliditätsgrad mindestens 70% Ganze Rente
Bei einem Invaliditätsgrad unter 40 Prozent gibt es von der IV keine Rente.
Wird beispielsweise eine Hausfrau invalid, kommt eine IV-Sach- Bearbeiterin zu ihr nach Hause und macht sich ein genaues Bild, wie weit sie die gesundheitlichen Probleme bei der Haushaltsarbeit beeinträchtigen. Abgeklärt werden folgende Punkte:
• gesundheitliche Situation der Betroffenen
• berufliche Situation (wäre die Frau ohne Invalidität einem Erwerb nachgegangen?)
• Anzahl der im Haushalt lebenden Personen
• Wohnverhältnisse (Größe der Wohnung, vorhandene technische Geräte, Garten etc.)
• Mithilfe der anderen Familienmitglieder im Haushalt
• örtliche Verhältnisse (Anschluss an öffentlichen Verkehr, Distanz zu Einkaufsmöglichkeiten)
Tipp: Viele Betroffene haben das Bedürfnis, sich und den eigenen Haushalt im besten Licht zu präsentieren. Das ist verständlich. Doch wenn Sie vor dem Besuch der IV-Sachbearbeiterin die Wohnung unter Aufbietung sämtlicher eigener und fremder Kräfte auf Hochglanz bringen, tun Sie sich keinen Gefallen. Der gute Eindruck kann die Sachbearbeiterin leicht zum Schluss verleiten, es liege keine wesentliche Behinderung vor. Selbstverständlich sollen Sie auch nicht absichtlich möglichst viel Schmutz und Unordnung präsentieren. Zeigen Sie sowohl den Haushalt als auch Ihre eigene Befindlichkeit so realitätsnah wie möglich.
Der Invaliditätsgrad bei Teilzeiterwerbstätigen
Teilzeitarbeit wird heute meist von Frauen ausgeübt. In der Regel besorgen sie daneben den Haushalt und übernehmen den Hauptteil der Kindererziehung. Die Unfallversicherung berücksichtigt diesen Teil der Arbeit nicht, die IV aber ist auch für die Einschränkung in der Haushaltsführung zuständig. Bei Teilzeitlern werden deshalb die Bereiche Erwerbstätigkeit und Haushalt separat beurteilt. Der Invaliditätsgrad aus beiden Bereichen wird dann – entsprechend ihrem Anteil – zusammengezählt.
Beispiel: Petra C. hat vor ihrem Unfall 30 Prozent im Gastgewerbe gearbeitet und sich in der restlichen Zeit um ihre beiden Kinder und den Haushalt gekümmert. Vom Unfall trägt sie ein schweres Schleudertrauma davon und ist seither arbeitsunfähig. Nach verschiedenen Abklärungen spricht ihr die IV eine Rente zu. Im Erwerbsleben ist Frau C. gemäß den Abklärungen zu 40 Prozent eingeschränkt, im Haushalt zu 40 Prozent. Das ergibt insgesamt folgende
Invalidität grad:
Erwerbsleben: 30% x 50% 15%
Haushalt: 70 % x 40 % 28%
Invaliditätsgrad total 43%
Damit hat Frau C. Anspruch auf eine Viertels Rente der IV.
Die Höhe der Beiträge und die Anzahl Beitragsjahre
Wie bei jeder Versicherung richten sich die Leistungen der IV grundsätzlich nach den Prämien (Beiträgen), die bezahlt wurden. Diese setzen sich bei der IV – wie bei der AHV – zusammen aus: den IV-Beiträgen, die auf Ihrem Einkommen erhoben werden (bei Nichterwerbstätigen auf dem Vermögen) den Erziehungsgutschriften, die Ihnen für jedes Jahr angerechnet werden, in dem Sie Kinder unter 16 Jahren betreuen. Diese werden wie ein fiktives Einkommen dem individuellen Konto der Eltern gutgeschrieben, den Betreuungsgutschriften, die Sie erhalten, wenn Sie nahe Verwandte im gleichen Haushalt betreuen.
Alle Beiträge und Gutschriften zusammen ergeben das maßgebliche Durchschnittseinkommen. Von dessen Höhe hängt es ab, ob Sie eine Minimal- oder eine Maximalrente erhalten (siehe Kasten nebenan).
Hinweis: Sind ein IV-Rentner und eine IV-Rentnerin verheiratet, kommt es – abgesehen von wenigen Ausnahmen – zur sogenannten Plafonierung. Ehepaare haben wie bei der AHV nicht einfach Anspruch auf zwei Renten: Ihr Anspruch wird auf 150 Prozent der maximalen Ein-Maximal- und
Minimalrente der IV (Stand 2007)
Ganze | Dreivier- | Halbe | Viertels- | |
Rente | telsrente | Rente | rente | |
Minimalrente | Fr. 1105.- | Fr. 829.- | Fr. 553.- | Fr. 277.- |
Maximalrente | Fr. 2210.- | Fr. 1658.- | Fr. 1105.- | Fr. 553.- |
Minimale Kinderrente | Fr. 442.- | Fr. 332.- | Fr. 221.- | Fr. 111.- |
Maximale Kinderrente | Fr. 884.- | Fr. 663.- | Fr. 442.- | Fr. 221.- |
zeltende gekürzt. Sie erhalten also, auch wenn beide eigentlich eine Maximalrente zugut hatten, zusammen statt 4420 höchstens 3315 Franken. Ausbezahlt wird jeder Seite die Fällte dieses Betrags, also aufgerundet 1658 Franken. Auch die Kinderrenten werden in die Plafonierung einbezogen.
Volle Rente oder Teilrente – eine Frage der Beitragsjahre
Als dritter Faktor in der Rentenberechnung wird berücksichtigt, ob die Beiträge lückenlos bezahlt wurden. Dabei wendet die IV das gleiche System an wrie die AHV: Lückenlos ist Ihre Beitragsdauer, wenn Sie seit dem 20. Altersjahr jedes fahr mindestens den Minimalbetrag bezahlt haben (oder bei Verheirateten: wenn der Ehepartner die Beitragspflicht erfüllt hat). Dann haben Sie eine volle Rente zugut.
Achtung: Die volle Rente ist nicht zu verwechseln mit der Maximalrente. Diese erhalten Sie nur, wenn das Einkommen, auf dem Sie während Ihrer lückenlosen Beitragszeit Beiträge abgeliefert haben, hoch genug war.
Fehlen Ihnen, verglichen mit gleichaltrigen Versicherten, Beitragsjahre, besteht nur Anspruch auf eine Teilrente. Die Kürzung wird prozentual berechnet und kann erheblich sein – gerade bei jüngeren Leuten, die nach wenigen Beitragsjahren invalid werden, fe kürzer die Soll-Beitragsdauer, desto mehr wirkt sich ein fehlendes Beitragsjahr aus. Es lohnt sich also, Beitragslücken zu vermeiden oder sie wenn möglich nachzuzahlen.
Kinderrenten
Anders als die Unfallversicherung richtet die IV auch Kinderrenten aus. Das bedeutet eine erhebliche Besserstellung von invaliden Familienvätern und -müttern. Kinderrenten gibt es für alle Kinder, bis sie 18 sind, oder bis zum Ende der Ausbildung, höchstens bis zum 25. Geburtstag. Die IV verlangt jeweils in regelmäßigen Abständen eine Bestätigung, dass die Ausbildung noch weitergeführt wird.
Die Kinderrente beträgt 40 Prozent der Hauptrente – pro Kind. Wenn eine Invalidere drei oder vier Kind haben, gibt das einen wesentlichen Zuschuss. Manchmal übersteigt das Total sogar das bisherige Einkommen des Verunfallten. Dann kann die IV wegen Überentschädigung kürzen – auf den Betrag, den der Betroffene in seiner bisherigen Berufslaufbahn durchschnittlich verdiente.
Revision – die Rente wird überprüft
Die IV-Rente wird ausgerichtet, bis der oder die Versicherte das AHV- Alter erreicht hat. Dann wird sie automatisch in eine AHV-Rente umgewandelt. Dabei gilt die Besitzstandswahrung: Ist die IV-Rente höher als der AHV-Anspruch, wird als AHV-Rente der bisherige Betrag ausbezahlt.
Allerdings laufen die Zahlungen nicht jahrelang einfach weiter. Die IV führt regelmäßig sogenannte Rentenrevisionen durch: Alle zwei bis drei Jahre wird überprüft, ob sich die Grundlagen der Rente geändert haben. Die IV – Bezüger erhalten dazu ein Formular, das sie ausfüllen müssen. Dabei geht es vor allem um Veränderungen beim Gesundheitszustand oder bei der Erwerbstätigkeit.
Sofern Ihnen selbst eine Veränderung der Grundlagen der Rente bewusst ist, müssen Sie das von sich aus der IV melden – auch wenn sich Ihre Rente dadurch verschlechtert. Ansonsten laufen Sie Gefahr, dass die IV die zu viel bezahlten Leistungen von Ihnen zurückfordert. Umgekehrt haben Sie selbst ein Interesse an der Meldung, wenn Sie beispielsweise bisher noch 50 Prozent erwerbstätig waren und sich Ihr Gesundheitszustand so sehr verschlechtert, dass dies nicht mehr möglich ist. Zögern Sie nicht, der IV solchen Veränderungen mitzuteilen.
Hinweis: Wenn sich ein Versicherter weigert, einer Eingliederungsmaßnahme oder Abklärung der IV Folge zu leisten, kann die Rente auch suspendiert oder gar ganz entzogen werden. Die IV muss dem Betroffenen aber zuerst eine Mahnung schicken, ihm darin die Sanktionen (Suspendierung oder Entzug der Rente) androhen und eine Frist ansetzen, um bei der Maßnahme doch noch mitzumachen.
Ergänzungsleistungen: wenn die IV-Rente nicht reicht
Wer keine Unfallversicherung hat und von der IV-Rente allein leben muss, kommt oft nicht über die Runden. Das ist vor allem bei Viertels Renten der Fall, die im besten Fall gerade mal 553 Franken pro Monat betragen. Selbst wenn die Betroffenen eine Teilzeitstelle haben, reicht das Geld oft einfach nirgends hin. Hier kommen die Ergänzungsleistungen (EL) zum Zug. Auf diese Zusatzzahlungen haben alle IV-Rentnerinnen und AHV-Rentner einen gesetzlichen Anspruch, wenn ihr Einkommen den Lebensunterhalt nicht deckt.
Wie der Name sagt, ergänzen die Erganzungshleistungen das vorhandene Einkommen auf den Betrag, der für einen angemessenen Lebensunterhalt nötig ist. Berechnet werden sie folgendermaßen:
• Zuerst werden alle Einnahmen addiert: das Erwerbseinkommen, die Renten sowie ein Anteil vom noch vorhandenen Vermögen.
• Von diesem Einkommen abgezogen werden die anerkannten Ausgaben: der Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf (abhängig von der familiären Situation), Krankenkassenprämien, AHV-Beiträge vom Erwerbs- Einkommen, Bruttomietzins etc.
• Ist das Resultat negativ, wird dieser Betrag als Ergänzungsleistung ausgezahlt.
Tipp: Die ganze Berechnung hängt sehr von Ihrer finanziellen und familiären Situation ab. Am besten machen Sie selbst die Probe aufs Exempel und gehen auf die Folgetage der AFFV (ahv*ch ->Ergänzungsleistungen). Dort finden Sie ein Formular, in das Sie Ihre Zahlen einfüllen und Ihren EL-Anspruch provisorisch ausrechnen können.