Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten des einzelnen Arbeitnehmers
Einzelne oder mehrere Arbeitnehmer können an Entscheidungen ohne die Einschaltung des Betriebsrates beteiligt werden.
►Mitwirkung
Im Betriebsverfassungsgesetz sind die Individualrechte des einzelnen Arbeitnehmers gesetzlich festgelegt. Es handelt sich hierbei um Unterrichtungs-, Anhörungs- und Erörterungsrechte, die den einzelnen Arbeitnehmer und seinen Arbeitsplatz betreffen.
Beispiel:
Wenn ein Versicherungsbetrieb neue Computerprogramme einsetzt und festgestellt wird, dass die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten des Arbeitnehmers zu deren Nutzung nicht ausreichen, muss der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer erörtern, wie dessen berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten den künftigen Anforderungen angepasst werden können.
►Mitbestimmung (betreffend Arbeitsplatz)
Diese Arbeitsplatzmitbestimmung wird von der betrieblichen Seite gefördert. Man will damit eine aktive Beteiligung der Mitarbeiter an Entscheidungen erreichen, die ihren Arbeitsplatz betreffen. Dies dient der Motivation der Arbeitnehmer und kann zur Leistungssteigerung im Betrieb führen.
Beispiel:
Ein Angestellter beschwert sich über die langen Informationswege. Auf seinen Vorschlag hin erhält jeder Angestellte eine E-Mail-Adresse, an die die Informationen gesendet werden.
Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates
Um das Interesse der Arbeitnehmer an ihrem Betrieb zu steigern, um ihnen Gelegenheit zu geben, am innerbetrieblichen Geschehen mitzuwirken, ja eventuell mitzubestimmen, und um ihre Stellung gegenüber dem Arbeitgeber durch eine gemeinsame Vertretung zu festigen, wurden im Betriebsverfassungsgesetz die Wahl und die Aufgaben eines Betriebsrates einheitlich geregelt. Ein Zwang zur Wahl eines Betriebsrates besteht jedoch nicht, wenn die Arbeitnehmer von ihrem Recht keinen Gebrauch machen wollen. Sie verlieren damit aber die Chance, gesetzlich verankerte innerbetriebliche Mitbestimmung zu praktizieren. Neben dieser betriebsinternen Mitbestimmung gibt es noch die Mitbestimmung im Aufsichtsrat und Vorstand. Hier geht es um die Frage, inwieweit Vertreter der Arbeitnehmer in die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens eingebunden werden sollen. Man könnte von der unternehmerischen Mitbestimmung sprechen.
a) Wahl des Betriebsrates
In allen Betrieben mit mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern wird in geheimer und unmittelbarer Wahl ein Betriebsrat auf vier Jahre gewählt. Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Wählbar sind alle Arbeitnehmer, die mindestens ein halbes Jahr dem Betrieb angehören. Arbeiter und Angestellte wählen ihre Vertreter gemeinsam. Die Zahl der Betriebsratsmitglieder richtet sich nach der Zahl der Arbeitnehmer. In Betrieben mit über 200 Beschäftigten ist eine bestimmte Anzahl der Mitglieder von der Berufstätigkeit freizustellen. Der Betriebsrat soll sich möglichst aus Arbeitnehmern der einzelnen Organisationsbereiche und der verschiedenen Beschäftigungsarten der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer zusammensetzen. Das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, muss mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser aus mindestens drei Mitgliedern besteht. In Unternehmen mit EU-weit mindestens 1000 Arbeitnehmern (davon in zwei Mitgliedsstaaten jeweils mindestens 150 Mitarbeiter) muss ein Europäischer Betriebsrat gewählt werden. Europäische Betriebsräte sind nicht etwa ein Ersatz nationaler Betriebsräte, sondern Arbeitnehmervertretungen auf europäischer Unternehmensebene. Im Europäischen Betriebsrat geht es um Information und Anhörung, nicht um Mitbestimmung.
b) Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat
Arbeitgeber und Betriebsrat sollen mindestens einmal im Monat zusammentreten und bei strittigen Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten machen. Der Betriebsrat muss einmal in jedem Kalendervierteljahr in einer Betriebsversammlung, zu der alle Arbeitnehmer einzuladen sind, einen Bericht über seine Tätigkeit geben. Für einzelne Betriebsteile können auch Abteilungsversammlungen stattfinden. Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber, z.B. bei Verweigerung der Zustimmung zu betrieblichen Maßnahmen, wird eine Einigungsstelle gebildet. Sie besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden und aus Beisitzern, die je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Betriebsrat bestellt werden. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Gegen diesen Spruch kann beim Arbeitsgericht Klage erhoben werden. Rund 75% aller Verfahren können ohne Einschaltung der Arbeitsgerichte durch die Einigungsstellen beigelegt werden. *
c) Allgemeine Aufgaben des Betriebsrats
• Er hat die betrieblichen Interessen der Beschäftigten zu vertreten. Insbesondere hat er darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden.
• Er hat die Belange von schwerbehinderten Menschen, Jugendlichen, älteren und ausländischen Arbeitnehmern zu fördern.
• Außerdem hat sich der Betriebsrat mit Fragen der Frauenförderung zu befassen und in diesem Bereich für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen.
►Rechte des Betriebsrats
• Mitbestimmung
Betriebliche Maßnahmen werden erst mit seiner Zustimmung wirksam.
Beispiele:
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen, Urlaubsplan, Lohngestaltung, Einführung von Arbeitszeiterfassungsgeräten, Telefondatenerfassung, betriebliche Regelungen über den Gesundheits- und Unfallschutz, Erhöhung der täglichen Arbeitszeit über 8 Stunden hinaus und die damit verbundene Festlegung des Ausgleichszeitraumes, Einführung von Personalfragebogen, Grundsätze für die Durchführung von Gruppenarbeit.
►Mitwirkung
Der Betriebsrat kann aus bestimmten Gründen betrieblichen Maßnahmen widersprechen bzw. die Zustimmung verweigern. Diese werden dadurch jedoch nicht unwirksam, sondern das Arbeitsgericht oder die Einigungsstelle entscheidet.
Beispiele:
Kündigungen; Änderung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufes oder der Arbeitsumgebung; Einstellung, Eingruppierung und Versetzungen in Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern.
►Beratung
Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat unterrichten und sich mit ihm beraten.
Beispiele:
Planung von Bauten, technischen Anlagen, neuen Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufen; Einführung neuer Techniken (der Arbeitgeber muss hier auch mit dem einzelnen Arbeitnehmer über Weiterbildungsmaßnahmen beraten); Personalplanung; Berufsbildung; Einschränkung, Stilllegung und Verlegung des Betriebs oder von Betriebsteilen (Aufstellung eines Sozialplanes, um nachteilige Folgen für die Arbeitnehmer zu verhindern).
►Information
Der Betriebsrat oder der Wirtschaftsausschuss kann verlangen, dass er über betriebliche Vorgänge unterrichtet wird oder ihm die erforderlichen Unterlagen unterbreitet werden.
Beispiele:
Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses über wirtschaftliche Angelegenheiten, Unterrichtung des Betriebsrats bei der Einstellung leitender Angestellter.
Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Jugend- und Auszubiidendenvertretung
In Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern unter 18 Jahren oder mit Personen, die sich in Ausbildung befinden und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden Jugend- und Auszubildendenvertretungen gewählt. Mitglieder dieser Vertretung können nicht gleichzeitig Mitglieder des Betriebsrates sein. Eine wichtige Aufgabe dieser Vertretung ist die Förderung von Maßnahmen der Berufsausbildung und die Überwachung der Einhaltung von Bestimmungen zugunsten der oben genannten Personen (Jugendschutzgesetz, Tarifvertrag). Die Jugend- und Auszubildendenvertretung kann zu allen Sitzungen des Betriebsrates einen Vertreter entsenden. Bei Tagesordnungspunkten, die Jugendliche oder Auszubildende betreffen, hat die gesamte Jugend- und Auszubildendenvertretung Teilnahme- und Stimmrecht.
►Betriebsvereinbarung
Neben gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen, die überbetriebliche Geltung besitzen, können auch innerhalb des Betriebes Vereinbarungen zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber getroffen werden.
In Betriebsvereinbarungen werden die Arbeitsbedingungen zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber eines bestimmten Unternehmens geregelt.
Sie dürfen den Bestimmungen des Tarifvertrages nicht entgegenstehen, sondern sollen diese ergänzen, erläutern und den besonderen Verhältnissen des Betriebes anpassen. Ihr Inhalt regelt die Entgelt- und Arbeitsbedingungen, den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen, den Zeitpunkt der Entgeltzahlung, die Aufstellung eines Urlaubsplanes, die Maßnahmen zur Verhütung von Betriebsunfällen und Gesundheitsschädigungen, die Errichtung von Sozialeinrichtungen, das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb, z.B. Rauchen, Kantinenbesuch, Telefon- und Parkplatzbenutzung. Durch Betriebsvereinbarungen werden insbesondere Betriebsordnungen und Dienstordnungen aufgestellt. Sie müssen an geeigneter Stelle im Betrieb ausgehängt oder den Betriebsangehörigen beim Eintritt in den Betrieb ausgehändigt werden. Neuerdings erlauben Betriebsvereinbarungen, von tariflichen Leistungen abzugehen, um im Gegenzug Arbeits- und Ausbildungsplätze zu sichern (Öffnungsklausel in Flächentarifverträgen). Nicht tarifgebundene Unternehmen gehen vermehrt dazu über, Einzelvereinbarungen zum Arbeitsverdienst und zur Arbeitszeit mit dem Betriebsrat zu treffen, um sich nicht mehr an tarifliche Abmachungen anzulehnen. Betriebsvereinbarungen haben im Zuge der Flexibilisierung der Arbeitszeit zusätzliche Bedeutung gewonnen. Zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung wird dabei ein Arbeitszeitrahmen vereinbart, in dem keine Mehrarbeitszuschläge anfallen, auch nicht für Samstagsarbeit. Die Mitarbeiter erhalten ein Zeitkonto. Dieses können die Mitarbeiter in Abhängigkeit vom anfallenden Arbeitsumfang mit Stunden auffüllen oder unterschreiten, ohne eine Ober- oder Untergrenze einhalten zu müssen; erst zum Jahresende sollte das Zeitkonto ausgeglichen werden. Auf diese Weise sollen im Rahmen der Verbetrieblichung der Tarifpolitik betriebliche Anforderungen, Kundeninteresse und persönliches Interesse der Mitarbeiter in Einklang gebracht werden.
Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
Für die Arbeitnehmer in Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist die Mitbestimmung im Aufsichtsrat des Unternehmens eine Möglichkeit, an der Führung des Unternehmens teilzuhaben. Zielsetzung für ihre Tätigkeit ist, auf einen Ausgleich der Interessen zwischen Kapitalgebern und Arbeitnehmern hinzuwirken. Dies geschieht im Rahmen der Kontrolle des Vorstandes und der Mitbestimmung bei unternehmenspolitischen Entscheidungen durch den Aufsichtsrat. Ihr Einfluss hängt von der Verteilung der Aufsichtsratssitze ab. Während die Gewerkschaften die paritätische (gleichberechtigte) Besetzung des Aufsichtsrates fordern, versuchen die Kapitalgeber, dies in der Gesetzgebung zu verhindern.
• Der Aufsichtsrat einer AG oder GmbH, die mehr als 2 000 Arbeitnehmer beschäftigen, muss je zur Hälfte aus Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer gebildet werden. In diesen Unternehmen wird ein Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Mitglied des Vorstandes bzw. der Geschäftsführung bestellt.
• In einer AG oder GmbH, die mindestens 500, aber nicht mehr als 2 000 Arbeitnehmer beschäftigt, muss ein Aufsichtsrat gebildet werden, der zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer besteht.