Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. So heißt es in Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes. Zusammen mit dem Schutz der Menschenwürde (Art. 1) und der sozialen Gleichheit (Art. 3) folgt daraus die Verpflichtung des Staates, den sozial Schwächeren zu helfen. Die Änderung des Artikel 20 ist durch Artikel 79 Abs. 3 grundsätzlich ausgeschlossen. Selbst die größten Versicherungsmuffel unter den Arbeitern und Angestellten kommen um sie nicht herum: die Sozialversicherung. Im Auftrag des Staates hält der Arbeitgeber für diese Leistungen jeden Monat einen recht üppigen – und tendenziell eher wachsenden -Teil ein und gibt ihn zusammen mit seinem Anteil an die Sozialversicherung weiter. Die Sozialversicherung entstand in der Folge der Industrialisierung aus der Idee der genossenschaftlichen Selbsthilfe. Im 19. Jahrhundert bildeten sich nach dem Vorbild von Brüderläden oder Knappschaftskassen aus dem Bergbau oder Handwerkskassen immer mehr Versicherungsgemeinschaften der verschiedensten Berufe. Zugleich entstand die Arbeiterbewegung. Der Staat griff diese Bestrebungen auf und bündelte sie zur Sozialversicherung. Die entscheidenden Merkmale der Sozialversicherung sind der Versicherungszwang und die gesetzlich gestaffelten Beiträge, die sich nach der Leistungsfähigkeit der Versicherten richten. 1883 wurde die gesetzliche Krankenversicherung eingeführt, 1884 die gesetzliche Unfallversicherung, 1889 die Invaliden- und Altersrentenversicherung und 1927 die Arbeitslosenversicherung. 1995 kam die Pflegeversicherung hinzu.
Das Sozialgesetzbuch
§ 1 Allgemeiner Teil, Absatz 1:
Das Recht des Sozialgesetzbuchs soll zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen gestalten. Es soll dazu beitragen, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen, zu schaffen, die Familie zu schützen und zu fördern, den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und besondere Belastungen des Lebens, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe, abzuwenden oder auszugleichen.
§ 4 Allgemeiner Teil
(1) Jeder hat im Rahmen dieses Gesetzbuchs ein Recht auf Zugang zur Sozialversicherung.
(2) Wer in der Sozialversicherung versichert ist, hat im Rahmen der gesetzlichen
Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Altershilfe für Landwirte ein Recht auf
1. die notwendigen Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit und
2. wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit, Mutterschaft, Minderung der Erwerbsfähigkeit und Alter.
Ein Recht auf wirtschaftliche Sicherung haben auch die Hinterbliebenen eines Versicherten.
Die gesetzliche Krankenversicherung
In der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es zwei Gruppen von Versicherten, die Pflichtversicherten und die freiwillig Versicherten. Die Versicherungspflicht gilt für alle Personen, die gegen Entgelt oder zur Berufsausbildung beschäftigt werden. Das sind Arbeiter wie Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Seeleute unabhängig von der Höhe des Verdienstes, Angestellte mit einem regelmäßigen Jahresarbeitsverdienst bis zu 75 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (2 000 im Westen 77 400 € im Jahr oder 6 450 € im Monat; im Osten 63 900 € oder 5 325 € im Monat), selbständige Künstler und Publizisten, verschiedene Selbständige wie Haus-gewerbetreibende oder Erzieher, soweit sie keine Angestellten beschäftigen, Auszubildende oder Studenten, Bezieher von Übergangsgeld wegen berufsfördernder Maßnahmen, Empfänger von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Übergangsgeld, Rentner. Freiwillig versichern können sich Angestellte oder versicherungspflichtige Selbständige, die die Jahresarbeitsverdienstgrenze überschreiten. Das gilt auch für Angestellte, deren Beschäftigungsverhältnis endet und die eine selbständige Tätigkeit aufnehmen wollen, sofern sie in den vorangegangenen 5 Jahren mindestens 12 Monate oder unmittelbar vorher 6 Monate gesetzlich versichert waren.
Mitversicherte. Versichert ist neben dem zahlenden Mitglied der unterhaltsberechtigte Ehegatte; unterhaltsberechtigte Kinder bis zum 18. Lebensjahr, bei Berufsausbildung bis zum 25. Lebensjahr; behinderte Kinder, die sich nicht selbst unterhalten können, ohne Altersgrenze; Stiefkinder und Enkel, die vom Mitglied vorwiegend unterhalten werden, und unter bestimmten Voraussetzungen Pflegekinder, Verwandte und Verschwägerte.
Beiträge. Die Beiträge werden abhängig vom Lohn erhoben und je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Versicherten gezahlt. Auch Rentner müssen sich mindestens zur Hälfte an ihren Krankenversicherungsbeiträgen beteiligen. Die Beitragssätze sind je nach Kasse verschieden. 2 000 lagen sie zwischen 11,5 und 15 Prozent, im Durchschnitt bei rund 13,5 Prozent. Keine Beiträge zu zahlen brauchen Versicherte, die weniger als 630 € monatlich als Arbeitsentgelt verdienen (geringfügig Beschäftigte), Versicherte, die ein soziales Jahr leisten, und Empfänger von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld. Freiwillig Versicherte und im allgemeinen auch pflichtversicherte Selbständige tragen ihre Beiträge allein.
Leistungen. Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung werden durch Gesetz festgelegt. Sie umfassen die ärztliche und zahnärztliche Behandlung mit freier Wahl unter den zugelassenen Ärzten, Arznei- und Hilfsmittel, Krankenhausbehandlung, Operationen und Krankenpflege, Zahnersatz und kieferorthopädische Behandlung, Krankengeld, häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, Krankheitsfrüherkennung und -Vorbeugung, Mutterschaftshilfe, Reise- und Transportkosten, Kuren und Rehabilitation, Sterbegeld. Durch die Gesundheitsreformen seit 1989 sind diese Leistungen allerdings erheblich eingeschränkt worden.
Träger. Die Träger der gesetzlichen Krankenkassen sind Pflichtkrankenkassen und sogenannte Ersatzkassen, die statt der Pflichtkasse gewählt werden können. Zu den Pflichtkrankenkassen zählen die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK), die Betriebs-, die Innungs-, die Seekrankenkasse sowie landwirtschaftliche Krankenkasse und Bundesknappschaft für Bergleute. Ersatzkassen sind zum Beispiel die Barmer Ersatzkasse, die Deutsche Angestelltenkrankenkasse, die Techniker Krankenkasse oder die Kaufmännische Krankenkasse. Die Betriebskrankenkassen können von einem Arbeitgeber für seinen Betrieb eingerichtet werden, wenn er mindestens 450 versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt. Die Innungskrankenkassen können von einer oder mehreren Innungen errichtet werden, wenn in den Handwerksbetrieben ihrer Mitglieder mindestens 450 versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt werden.
Tip: Die freie Kassenwahl nutzen
Wer mit seiner Kasse unzufrieden ist oder Beitrag sparen will, sollte einfach wechseln. Keine Angst: Wenn die neue Kasse auch nicht toll ist, können Sie nach zwölf Monaten wieder zurückkehren – oder in die nächste Kasse wechseln. Die Kassen dürfen niemanden abweisen (außer Privatversicherten). Erstaunlicherweise wird das Angebot erst von wenigen der rund 50 Millionen gesetzlich Versicherten genutzt. Also: Bleiben Sie nicht in Ihrer teuren AOK!
Der Wechsel ist einfach:
– Für freiwillig Versicherte gilt eine Kündigungsfrist zum 1. des drittnächsten Monats: Wer im Januar kündigt, darf zum 1. April wechseln.
– Pflichtversicherte haben jeweils ein Wahlrecht zum nächsten Jahresbeginn. Sie müssen aber bis zum 30. September des Vorjahres gekündigt haben. Beispiel: Wer am 1. Januar 2 002 wechseln will, muss bis zum 30. September 2 001 formlos kündigen. Ein Wechsel ist also nur alle 12 Monate möglich. Nur bei einem Jobwechsel dürfen Sie bis zum Eintrittstermin ins neue Unternehmen die Krankenkasse wechseln.
– Wer seinen Job wechselt, eine Lehre beginnt, arbeitslos wird oder in Rente geht, kann innerhalb von zwei Wochen nach Beginn eine neue Kasse wählen. Da heißt es schnell handeln. Sonst kann erst zum nächsten regulären Termin gekündigt werden.
Einen wichtigen Unterschied zwischen freiwillig und Pflichtversicherten gibt es jedoch im Procedere: Das Pflichtmitglied kann zwar formlos kündigen, muss sich aber von seiner neuen Kasse eine Mitgliedsbescheinigung besorgen und seinem Arbeitgeber übergeben. Erst wenn ihn seine Firma offiziell ummeldet, wird die Kündigung wirksam. Freiwillig Versicherte dagegen haben schon wirksam gekündigt, wenn ihr Schreiben bei der alten Kasse eingeht. Sie müssen darauf achten, dass keine Versicherungslücke entsteht. Das Angebot besteht aus 55 Betriebs-, 20 Orts- und 14 Ersatzkassen. Allerdings darf sich ein Münchener nicht bei der AOK Hamburg versichern; die AOK bleiben an ihren Zuständigkeitsbezirk gebunden. Auch viele Betriebs- oder Innungskrankenkassen bleiben außenstehenden Wechselwilligen verschlossen: Sie dürfen selbst entscheiden, ob sie sich für Betriebs- oder Branchenfremde öffnen. Mehr als 60 stehen aber bereits offen.
Die Leistungen sind bei allen Kassen praktisch gleich, denn sie werden vom Gesetzgeber festgelegt. Unterschiede gibt es höchstens bei der Bewilligung von Psychotherapien, Naturheilverfahren, Kuren und beim Angebot von Kursen für Nichtraucher, Rückenkranke, usw. Die Beitragsunterschiede sind erheblich: Einige AOKs kassieren mehr als 15 Prozent Beitrag. Am günstigsten sind einige Betriebskrankenkassen, die oft weniger als 12 Prozent verlangen. Das bedeutet, dass ein Wechsel im Extremfall bis zu 80 oder 90 € im Monat sparen kann. Beispiel: Ein Arbeitnehmer verdient 5 000 € und zahlt darauf bei einem Beitragssatz von 15 Prozent 750 € monatlich. Wechselt er in eine günstige Kasse mit einem Satz von 12 Prozent, zahlt er nur noch 600 €. Die gesparten 150 € muss er sich allerdings mit seinem Arbeitgeber teilen. Es bleiben 75 € für ihn oder 900 € im Jahr – netto. Günstige Kassen sind beispielsweise die BKK Zollern-Alb (Beitragssatz 2000 11,9 Prozent,T. 01803/32211567) oder die BKK für Heilberufe (0800/0800111). Aktuelle Auskünfte gibt der Bundesverband der Betriebskrankenkassen (Kronprinzenstr. 6, 45128 Essen, T. 0201/179-01, Fax 179-1000). Tip: Die Stiftung Warentest bietet unter der Nummer 01905/100108639 einen Fax-Abrufdienst mit den aktuellen Beitragssätzen Wer kein Fax besitzt, kann die Liste auch per Post bestellen. Adresse: Stiftung Warentest, 10773 Berlin (aber nur gegen einen mit 3 € frankierten Rückumschlag).