Der Bund der Versicherten (BdV) hat mit finanzieller Unterstützung der EU-Kommission in den Jahren 1999 und 2000 eine umfangreiche internationale Untersuchung über die Kfz-Haftpflichtversicherungstarife durchgeführt. Ein Ergebnis war, dass die schadenfreien Autofahrer in Deutschland im europäischen Vergleich die mit Abstand höchsten Prämien zahlen müssen, wenn sie Tarifmerkmale von Gruppen aufweisen, die einen hohen Schadenaufwand haben. Die Prämie für einen schadenfreien Fahrer mit allen negativen Tarifmerkmalen (Groß-städter, jung, kein Beamter, keine Garage, großes, altes Auto usw.) kann theoretisch um 25000 Prozent – also 250-mal – höher liegen als für einen Fahrzeughalter mit allen positiven Merkmalen (älterer Beamter in der Provinz, Garage, neues, kleines Auto usw.).
Der Autofahrer mit positiven Merkmalen kann sogar Schäden verursacht haben. In einigen anderen Ländern ist die Prämienspreizung nur 1:10. Während ein junger Mensch in Deutschland über 20 Jahre schadenfrei fahren muss, um den niedrigsten Beitragssatz von 30 Prozent zu erreichen, ist die Zeitspanne in anderen Ländern wesentlich kürzer (beginnend mit drei Jahren). Als Ursache für diese Diskriminierung kritisiert der BdV die Beurteilung des Einzelnen nach seiner Zugehörigkeit zu Gruppen und deren Schadenaufwand. So zahlen schadenfreie Leipziger und andere Großstädter über Jahre Tausende von Euro mehr als z. B. ein Autofahrer in Goslar mit Schäden. Würde man versicherungstechnische und statistische Regeln richtig anwenden und das individuelle Fahrverhalten berücksichtigen, müsste es genau umgekehrt sein.
Bei der Tarifgestaltung dürften nur Merkmale Berücksichtigung finden, die Einfluss auf die Entstehung und den Umfang eines Kfz-Haftpflichtschadens haben und die bei allen Autofahrern feststellbar sind – wie die Fahrvergangenheit (schadenfrei und auch nach dem Verhalten im Straßenverkehr, das sich aus Schadenakten und Verkehrsstrafen er-gibt), das Fahrgebiet (statt Wohnort), die Fahrleistung (in Kilometer) und die Verkehrssicherheit des Fahrzeugtyps.
Millionen gute Autofahrer werden durch eine falsche Gruppenzuordnung ungleich behandelt. Und das verstößt bei einer gesetzlichen Pflichtversicherung nach Meinung des Bundes der Versicherten gegen das Grundgesetz. Der Gesetzgeber hat dem BdV schon in einem Punkt Recht gegeben: Auch wenn eine Gruppenstatistik einen höheren Schadenaufwand für Ausländer nachweist, dürfen nicht alle Ausländer mit höheren Beiträgen belegt werden (§ 81 e VAG). In den USA hat eine Untersuchung ergeben, dass in der Gruppe der jungen Menschen die größte Zahl der guten und aufmerksamen Fahrer ist, aber eben auch die größte Zahl der unvernünftigen (Nachts nach Disco-Besuch gegen Baum).
Warum sollen dann aber die guten jungen Fahrer (die die langjährig Schadenfreien früher auch einmal gewesen sind) für die Raser mitbezahlen? Nur weil sie jung sind? – In England hat man sogar herausgefunden, dass Fahrer roter Wagen mehr Unfälle bauen als andere. Die Autofarbe wurde zum Tarifmerkmal erhoben. Ähnliches galt auch für das Merkmal Sternzeichen. Hierzu hat der Autor dieses Buches in DIEWOCHE vom 1. 10. 1999 über die Ungereimtheiten bei der Kfz-Haftpflichtversicherung einen Artikel unter dem Titel Rabatt für Stiere geschrieben: Löwen fahren wie die Sau-zumindest in England. Denn dort, so haben britische Versicherungsunternehmen herausgefunden, verursachen Löwen 15 Prozent mehr Autounfälle als der Durchschnitt, Stiere hingegen 30 Prozent weniger. Gemeint sind allerdings nicht die Tiere, sondern die unter diesem Sternzeichen geborenen Autofahrer.
Erstaunlicherweise kommen deutsche Statistiker zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Diese Forschungen zeigen in kaum zu überbietender Deutlichkeit den Unsinn unserer Kfz-Versicherungstarife. Hierzulande zahlt kaum noch Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung, wer mittelalt ist, ein neues Auto fährt, eine Garage besitzt, überwiegend im Büro arbeitet und auf dem Lande wohnt. Das heißt andererseits: Wer jung ist, einen Gebrauchtwagen fährt, in einer Großstadtwohnung ohne Garage lebt und kein Bürohengst ist, muss zehn- bis zwölfmal höhere Prämien bezahlen. Ist das gerecht, wenn beide den gleichen Wagentyp fahren und beide noch keinen Unfall verursacht haben?
Die individuelle Gerechtigkeit interessiert die Versicherungsunternehmen indes wenig. Sie denken nur in Gruppen: Sollen doch die jungen Leute oder die Großstädter ihre Schäden allein bezahlen! Vor Jahren hieß es sogar: Sollen doch die Ausländer ihre Schäden selbst bezahlen, die – statistisch erwiesen – bis zu 50 Prozent höher liegen als die der Deutschen! Wie bereits beschrieben, musste der Gesetzgeber daraufhin die Staatsangehörigkeit als so genanntes Tarifmerkmal verbieten. Jetzt müssten eigentlich die Stiere brüllen: Sollen doch die Löwen ihre Schäden allein bezahlen! Sippenhaft ist angesagt. Die Ungerechtigkeit wird durch Statistiken herbeigeführt, die Durchschnittsergebnisse irgendwelcher Gruppen auf den Einzelnen übertragen.
Sie können aus dem besten Autofahrer der Welt, nur weil er jung und Großstädter ist, einen Verkehrsrowdy machen. Eine Ungerechtigkeit, der man zwar nicht entkommen, aus der man aber das Beste machen kann. Denn die meisten Verträge laufen zum I. Januar aus. Dann werden sich bei vielen die Prämien erhöhen und sie können innerhalb eines Monats nach Erhalt der Mitteilung kündigen und sich unter den ungerechten wenigstens die günstigsten Prämien heraussuchen. Vermutlich verursachen Schwarzhaarige (darunter viele Ausländer) und Menschen mit großen Füßen mehr Schäden als Blonde und solche mit kleinen Füßen (darunter fast alle Frauen, die nicht besser, aber im Durchschnitt viel weniger fahren als Männer). Sollen Sternzeichen, Haarfarbe und Schuhgröße vielleicht auch noch Tarifmerkmale werden?
Nach Meinung des BdV dürfen die Unternehmen nur solche Tarifmerkmale anwenden, die sachlich gerechtfertigt sind – wie z. B. die Schadenfreiheit und Umstände, die im Zusammenhang mit Art und Umfang der Nutzung des Kraftfahrzeugs stehen (beispielsweise ein Kilometertarif). Eigenschaften des Fahrzeugs, des Fahrzeughalters oder der berechtigten Fahrer dürfen nur verwendet werden, wenn der Versicherungspflichtige sie beeinflussen kann. Dazu gehören insbesondere nicht die Staatsangehörigkeit, das Alter, das Geschlecht und der Familienstand eines Versicherungsnehmers und auch nicht eine altersabhängige Schadenfreiheit.
Wie sich Typklasse und Zulassungsbezirk (Region) auf den Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung auswirken, zeigen die auf unserem Versicherung-Ratgeber für die einzelnen Klassen angegebenen Jahresbeiträge (100 Prozent) bei einer unbegrenzten Versicherungssumme. Um für sich selbst einen Vergleich durchführen zu können, muss man zunächst die Typklasse des Fahrzeugs kennen. Diese können Sie bei Ihrer Gesellschaft erfragen (evtl. auch bei Ihrem Autohändler). Internet-Nutzer können die Typklassen aller 12000 Fahrzeuge auf der Homepage des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) herausfinden (gdv*de) oder unter typklassen*de.
Nur wer die Typklasse seines Fahrzeugs kennt, kann anhand der folgenden Tabellen eine Entscheidung über die günstigste Versicherungsmöglichkeit treffen (die sich aber schon bald wieder verändern kann; so planen einige Gesellschaften, in Zukunft noch mehr Berufsgruppentarife einzuführen). Beamte, Beschäftigte im öffentlichen Dienst und einige wenige Berufsgruppen (z.B. Bankangestellte) erhalten den so genannten Beamtenrabatt, der die nachfolgenden Prämien in Haftpflicht um bis zu 15 Prozent und in Kasko um bis zu 25 Prozent reduziert. Für diese Gruppen gelten auch andere Regionalklassen.