Gut und schön: Jetzt wissen Sie, wer den Schaden übernehmen muss. Aber wie viel muss er – oder an seiner Stelle die Versicherung – bezahlen? Auch auf diese Frage gibt es zunächst eine einfache Antwort: Er bezahlt alles! Sie als Geschädigter haben Anspruch auf vollen Ersatz Ihres Schadens. Doch es kommt für den Schädiger noch dicker: Die Sozialversicherungen – das heißt die Unfallversicherung, die Krankenkasse, die IV – führen den sogenannten Regress auf ihn durch: Sie verlangen von ihm die Rückzahlung aller Leistungen, die sie an den Geschädigten erbracht haben: die Heilungskosten, Hilfsmittel, Taggelder, Renten. Alles in al lern: Der Haftpflichtige bzw. seine Versicherung muss wirklich alles bezahlen.
Wer hat wie viel Schuld?
Stillschweigend wird beim Grundsatz vorausgesetzt, dass von zwei Unfallbeteiligten der eine schuld ist und der andere nicht. Im täglichen Leben kommt es aber häufig vor, dass beide Seiten ein bisschen schuld sind. Oder der eine macht zwar einen Fehler, aber wenn der andere aufgepasst hätte, wäre der Unfall zu vermeiden gewesen. Dieses Mitverschulden des Geschädigten macht die Sache komplizierter – aber auch interessanter. Der Schaden muss zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden. Aber in welchem Verhältnis? Im Allgemeinen wird bewertet, wer wie viel Schuld am Unfall hat, und der Schaden wird entsprechend verteilt.
Beispiel: Nicolas H. setzt sich nach einem ausgedehnten Apero für den kurzen Heimweg angetrunken ans Steuer. Bony P., die ihm auf der Straße entgegenkommt, biegt, ohne zu blinken, unvermittelt nach links ab. ln seinem Zustand reagiert Herr H. viel zu spät und es kommt zur Kollision. Wäre er nüchtern gewesen, hätte er rascher reagiert und noch bremsen können. Beide Beteiligten haben sich nicht korrekt verhalten: Nicolas H. war betrunken, Bony P. hat kein Abbiegezeichen gegeben. Der Schaden wird deshalb zwischen den beiden aufgeteilt. Dabei wird die Richterin das Fahren in alkoholisiertem Zustand schwerer gewichten als den Fahrfehler von Frau P. Wäre Herr H. nüchtern gewesen, wäre der Unfall trotz des unkorrekten Abbiegens nicht passiert. Fr wird daher den größeren Teil des Schadens zu tragen haben.
Auf die gleiche Art wird auch entschieden, wenn beispielsweise zwei Velofahrer in einen Unfall verwickelt sind. Sie unterstehen beiden der-selben Haftungsarten; trifft beide das gleiche Verschulden, trägt jeder 50 Prozent des Schadens. Richtig kompliziert wird es, wenn die Beteiligten verschiedenen Haftungsarten unterstehen, das heißt, wenn einer ohne Verschulden, der andere nur mit Verschulden haftet. In solchen Fällen wird die Kausalhaftung und die darin verkörperte Gefahrensituation des einen gegen das Verschulden des anderen abgewogen. Was bedeutet das?
Die Automobilistin, die sich vollkommen korrekt verhält, kann nach einem Zusammenstoß mit einem Fußgänger, dazu verknurrt werden, den ganzen Schaden zu tragen – auch wenn den Fußgänger ein Leichteres Verschulden trifft. Seihst bei einer größeren Unvorsichtig des Fußgängers muss die Automobilistin immer noch einen Teil des Schadens tragen. Denn die Gerichte gewichten die Gefahr, die durch den Betrieb eines Autos entsteht, gleich hoch wie ein grobes Verschulden eines Fußgängers. In den folgenden Beispielen sehen Sie, wie das funktioniert und wie der Schaden ungefähr aufgeteilt wird. Häufig sind etwa Unfälle zwischen Fußgängern oder Velofahrern (Haftung nur bei Verschulden) und Autofahrern (scharfe Kausalhaftung).
Beispiele: Karin T. rennt neben dem Fußgänger streifen auf die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten. Ivana W., die völlig korrekt im Auto daherkommt, kann nicht mehr bremsen und fährt Frau T. an. Der Richter gewichtet die Betriebsgefahr des Autos von Ivana W. (ohne Verschulden) und das grobe Verschulden von Karin T. als gleich schwer. Beide Frauen tragen je die Hälfte des Schadens.
Ist Karin T. hingegen kein Verschulden oder nur eine kleine Unaufmerksamkeit vorzuwerfen – ist sie beispielsweise zu wenig vorsichtig auf einen Fußgänger streifen hinausgetreten -, wird Frau W. den ganzen Schaden tragen. Es hilft ihr nichts, dass sie seihst keinen Fehler gemacht, Frau T. hingegen zu wenig aufgepasst hat. Erst recht schwierig wird es, wenn eine milde und eine scharfe Kausalhaftung gegeneinander abzuwägen sind. Auch dazu ein paar Beispiele:
Beispiele: Snoopy, der Hund von Stefan K., rennt auf die Straße, wo er vom Auto des korrekt fahrenden Georg G. erfasst wird. Weder dem Hundehalter noch dem Autofahrer kann ein Verschulden vorgeworfen werden. Sie haben sich beide korrekt verhalten. Trotzdem ist ein Schaden entstanden: Snoopy muss zum Tierarzt, Herrn G.s Auto hat eine Beule. Rechtlich gesehen, stehen sich eine milde Kausalhaftung (Hundehalter) und eine scharfe Kausalhaftung (Motorfahrzeughalter) gegenüber. Beide, Stefan K. und Georg G., haften als Halter eines Tieres bzw. Halter eines Motorfahrzeugs ohne Verschulden. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen milder und scharfer Kausalhaftung. Die milde wiegt weniger schwer als die scharfe, deshalb trägt Herr G. als Halter des Autos zwei Drittel, der Hundehalter K. nur ein Drittel des Schadens. Was aber gilt, wenn Stefan K. seinen Hund ungenügend beaufsichtigt hat und dieser deshalb auf die Straße gerannt ist? Die ungenügende Beaufsichtigung wird Herrn K. ganz klar als Verschulden eingerechnet.
Daneben hat er immer noch die milde Kausalhaftung als Hundehalter zu vertreten. Das Verschulden führt zu einer Erhöhung seiner Haftungsquote: In diesem Fall muss Herr K. die Hälfte des Schadens übernehmen. Ist sein Verschulden gröber, erhöht sich die Haftungsquote. Hat Stefan K. beispielsweise den Apportierstock auf die Straße geworfen und ist Snoopy deshalb ins Auto von Herrn G. gerannt, muss der Hundehalter zwei Drittel des Schadens übernehmen. Wegen der scharfen Kausalhaftung des Motorfahrzeughalters bleibt das letzte Drittel aber auf jeden Fall an Georg G. hängen, obwohl dieser sich völlig korrekt verhalten hat. Müsste sich Herr G. einen Vorwurf machen lassen, wäre er zum Beispiel mit übersetzter Geschwindigkeit gefahren, würde das als zusätzliches Verschulden zu seiner scharfen Kausalhaftung dazugerechnet. Georg G. müsste mindestens drei Viertel des Schadens oder gar den ganzen bezahlen.
Grundsätze bei der Aufteilung des Schadens
• Zusammentreffen der gleichen Haftungsarten: Aufteilung nach Verschulden
• Zusammentreffen verschiedener Haftungsarten: Abwägen des Verschuldens gegen die Kausalhaftung
Verschiedene Schadensarten
Ist einmal geklärt, wie der Schaden unter den Beteiligten aufgeteilt wird, möchten Sie nun wissen, wie viel Sie erhalten. Oder anders gesagt: Was alles gehört zum Schaden? Wie einfach oder kompliziert die Berechnung des Schadenersatzes ist, hängt davon ab, wie schwer der Unfall war. Bei einem Blechschaden etwa müssen die Reparaturkosten bezahlt werden. Sind Sie beruflich auf das Auto angewiesen, haben Sie für die Dauer der Reparatur Anspruch auf einen Ersatzwagen. Komplizierter wird es, wenn bei einem Unfall Menschen verletzt werden und diese nicht mehr arbeiten können oder im Haushalt ausfallen. Sind die Verletzungen gar so schwer, dass die geschädigte Person ein Leben lang gesundheitliche Einschränkungen hat, geht es rasch um höhere Summen und die Schadensberechnung wird schwieriger. Sind Sie mit haftpflichtrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit einer Invalidität konfrontiert, sollten Sie unbedingt fachkundige Unterstützung suchen. Adressen von Beratungsstellen finden Sie im Anhang. Kennen Sie sich in der Materie zu wenig aus, kann das viel Geld kosten. Vergessen Sie auch nicht, dass auf der anderen Seite ausgefuchste Versicherungsprofis stehen. Da haben Laien von vornherein schlechte Karten.
Und Kulanz kann man von Versicherern heute nur noch in einem sehr beschränkten Rahmen erwarten. Sobald es um mehr als ein paar hundert Franken geht, ist es damit vorbei. Kommt hinzu, dass ein kleiner Rechnungsfehler zu einem großen Verlust führen kann – bei der Schadensberechnung ist das besonders ausgeprägt. Denn da müssen verschiedene Beträge multipliziert werden und das kann schon bei kleineren Abweichungen in den einzelnen Faktoren zu großen Fehlern führen.
Beispiel: Seit sie vom Hund des Nachbarn heftig ins Bein gebissen wurde, kann Serena N. ihren Haushalt nicht mehr selbst besorgen. Der nette Schadensinspektor der XY Versicherung besucht sie zu Hause und hilft ihr, den Anspruch auf Ersatz des Schadens in der Haushaltsführung zu berechnen. Es sei Gerichtspraxis, bei ihrer Haushaltsgrösse mit 20 Stunden Aufwand pro Woche und einem Stundenansatz von 24 Franken zu rechnen. Pro fahr mache das folgenden Betrag aus:
Fr. 24- x 20 x 52 – Fr. 24 960.-
Frau N. ist begeistert! Nie hätte sie gedacht, dass sie für ihre Arbeit im Haushalt 25 000 Franken pro fahr erhalten würde. Doch der Versicherungsexperte hat mit falschen Beträgen gerechnet. Richtigerweise hatte Serena N. nämlich Anspruch auf 30 Franken pro Stunde bei einem wöchentlichen Aufwand von 25 Stunden. Das hätte zu einer viel vorteilhafteren Rechnung geführt:
Fr. 30.- x 25 x 52 = Fr. 39 000.-
Die Differenz beträgt immerhin 14 040 Franken pro fahr. Unter Umständen kann die Verunfallte ihren Haushalt während langer Zeit nicht besorgen, vielleicht gar nie mehr. Nach zwanzig Jahren bedeutet das einen Verlust – und damit einen Gewinn der Versicherungsgesellschaft – von über 280 000 Franken.
Finanzieller Schaden und Schmerzensgeld
Wie wird der Schadenersatz korrekt berechnet? Stellen Sie sich dazu den ganzen Schaden als Schwarzwälder Torte vor. Diese ist aus unter-schiedlichen Schichten zusammengesetzt, die man erst sieht, wenn die Torte angeschnitten ist. Auch beim Schadenersatz gibt es verschiedene Schichten, die jede separat nach ihren Eigenheiten berechnet werden kann. Mit einem ersten Schnitt trennen Sie den materiellen vom immateriellen Schaden. Was ein materieller Schaden ist, kann man sich vorstellen. Das sind alle finanziellen Nachteile, die Sie wegen eines Unfalls erlitten haben: die beschädigten Kleider, Fahrspesen zu Arzt und Therapien, Heilungskosten etc. Auch weggefallene Einnahmen sind ein finanzieller Nachteil: der Lohnausfall, eine verhinderte Beförderung, ein entgangener Auftrag und Ähnliches. Was aber heißt immaterieller Schaden? Hier geht es um finanziell nicht messbare Nachteile: um Schmerzen nach dem Unfall, um Verletzungen und Einschränkungen im Alltag, die einem die Lebensfreude rauben. Manchmal verändert sich ein Verunfallter auch charakterlich, die Partnerin oder Freunde sagen, er sei ein anderer Mensch geworden. Andere Betroffene leiden an Depressionen und tragen sich gar mit Selbstmordgedanken.
Materieller und immaterieller Schaden – eine Übersicht
Materieller Schaden
• Sachschaden
• Erwerbsausfall
• Rentenschaden
• Haushaltschaden
• Betreuungsschaden
• Versorgerschaden
• Immaterieller Schaden
• Genugtuung
Das sind alles Nachteile und Einschränkungen, die sich nicht in Geld messen lassen – sie sind immateriell. Und auch dafür haben Verunfallte Anspruch auf eine Entschädigung – oft Schmerzensgeld genannt. Das Obligationenrecht meint das Gleiche, spricht aber von Genugtuung, weil nicht nur die Schmerzen, sondern auch alle anderen immateriellen Nachteile (zum Beispiel Depressionen) aus-geglichen werden sollen. Wie viel Sie in der Schweiz als Genugtuung erwarten können, sehen Sie auf unserem Versicherung-Ratgeber.
Der Sachschaden
Wie es der Begriff sagt: Sachen, die bei einem Unfall beschädigt oder zerstört werden, sind zu ersetzen. Bei einem Verkehrsunfall sind das etwa die zerrissenen, verbluteten Kleider, die kaputte Brille, das demolierte Fahrrad. Meist erhält man den Neuwert ersetzt oder, soweit das möglich ist, die Reparatur. Kleinliche Schadensinspektoren wollen manchmal nur den Zeitwert ersetzen. Das heißt, Sie müssen sich an- rechnen lassen, dass die Brille schon drei Jahre alt war, und einen Abzug vom Kaufpreis der neuen Ersatzbrille hinnehmen. Das ist zwar formell richtig, aber praktisch eben eher kleinlich.
Hinweis: Beim Sachschaden geht es meist um geringe Beträge, sodass sich viele Versicherer relativ großzügig zeigen, auf pingelige Haarspaltereien verzichten und auch keine Quittungen sehen wollen. Verlangen Sie allerdings den Ersatz einer teuren Kamera, einer Brillantuhr oder ähnlicher Kostbarkeiten, müssen Sie sich auf Fragen und die Forderung nach Kaufbelegen gefasst machen.
Schadenersatz beim Auto
Sind Blechschäden am Auto zu reparieren wollen die Versicherungsexperten das Fahrzeug meist zuerst beim Garagisten besichtigen. Hält sich die Reparaturrechnung im Rahmen, wird das nicht zu Problemen führen. Übersteigen die voraussichtlichen Kosten der Reparatur den geschätzten Verkehrswert des Autos, liegt versicherungstechnisch ein Totalschaden vor. Das heißt: Bezahlt wird maximal, was das Auto noch wert war. Bei älteren, abgeschriebenen Fahrzeugen – über sieben oder acht Jahre alt – ist dieser Marktwert gering. Ihnen selbst hätte das Auto aber noch mehrere Jahre gedient. Die Versicherer sind hier bereit, einen Zuschlag für den Restgebrauchs- oder Nutzwert zu gewähren. Es lohnt sich, etwas hartnäckig zu bleiben und nicht gleich jedes Schadenersatzangebot anzunehmen.
Erwerbsausfall und Rentenschaden
Der Erwerbsausfall ist eine Schadensposition, die Millionenhöhe erreichen kann. Zwar decken vor allein die Unfallversicherung und die IV über Taggeldzahlungen und Renten den Einkommensverlust ab. Doch von den Sozialversicherungen erhalten Verunfallte nur 80, maximal 90 Prozent des früheren Lohnes. Die Differenz muss der Haftpflichtige (oder seine Versicherung) übernehmen – bei einem Invaliditätsfall bis zur Pensionierung des Unfallopfers. Wie berechnet sich der Haftpflichtanspruch? Dazu braucht es zwei Schritte:
• Bisheriger Schaden: Wie groß ist der Erwerbsausfall seit dem Unfall bis zum lag der Berechnung des Schadens?
• Künftiger Schaden: Wie groß wird der Erwerbsausfall vom Tag der Berechnung bis zur Pensionierung sein?
Zuerst wird der Lohn errechnet, den eine Verunfallte seit dem Unfalltag bis zum lag der Schadensberechnung erhalten hätte – wenn sie nicht verunfallt wäre. Beim Arbeitgeber wird nachgefragt, wie sich der Lohn voraussichtlich entwickelt hätte (Lohnerhöhungen, Teuerungsausgleich). Vom so errechneten Betrag werden abgezogen: der seit dem Unfall je nach Arbeitsfähigkeit noch erzielte Verdienst, die Taggelder der Sozialversicherungen und allenfalls anrechenbare Leistungen anderer Versicherungen. Die Differenz zwischen dem Lohn ohne Unfall und den tatsächlichen Einkünften mit Unfall muss der Haftpflichtige entschädigen.
Etwas schwieriger ist der zweite Teil, die Berechnung des künftigen Schadens. Quasi wie bei der Wettervorhersage muss aufgrund verschiedener Anzeichen eine Prognose über die voraussichtliche zukünftige Lohnentwicklung gemacht werden. Je besser die Einkommensmöglichkeiten ohne Unfall gewesen wären und je schlechter sie nun effektiv sind, desto grösser ist der künftige Erwerbsausfall. Wie aber sieht ein realistisches Karrieremodell ohne Unfall aus? Welches Einkommen wäre damit möglich gewesen? Und wie hoch ist die Differenz zum jetzt noch erzielbaren Einkommen samt den Renten der Sozialversicherungen? Die Antwort ist umso einfacher, je näher sich eine verunfallte Person im Unfallzeitpunkt bereits bei der Pensionierung befindet. Und umgekehrt umso schwieriger, je jünger sie noch ist und je länger sie noch hätte erwerbstätig sein können.
Beispiel: Corina D. wurde vor sechs Jahren von einem Auto angefahren und ist seither 100 Prozent arbeitsunfähig. Zuerst erhielt sie Taggelder der Unfallversicherung, dann lieferten die Ärzte ihre Abschlussberichte ab und die IV sowie die Unfallversicherung sprachen ihr je eine Rente zu. Jetzt berechnet die Haftpflichtversicherung des Autofahrers den nicht gedeckten Erwerbsausfall.
Frau D. war beim Unfall 50-jährig, arbeitete 100 Prozent als Sekretärin und verdiente 78 000 Franken. Karriere- und lohnmtässig war sie mehr oder weniger beim Maximum. Große Lohnsteigerungen müssen also nicht berücksichtigt werden. Der Schaden in den sechs fahren seit ihrem Unfall wird von der Versicherung – nach Abzug der Taggelder und Renten – mit 7800 Franken pro Jahr beziffert. Für die Berechnung des zukünftigen Schadens muss die Versicherung eine Anpassung des Lohnes einrechnen; gemäß dem langjährigen Durchschnitt sind das ein bis zwei Prozent pro fahr. Zusätzlich muss auch geprüft werden, ob die Verunfallte ohne Unfallereignis Karriere gemacht hätte und deshalb mit überdurchschnittlichen Lohnerhöhungen hätte rechnen können. Bei Frau D. ist dies nicht der Fall. Ihr künftiger Erwerbsausfall in den acht fahren bis zur Pensionierung wird mit 96 000 Franken berechnet. Insgesamt zahlt die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers Corina D. für den Erwerbsausfall folgende Summe aus:
Bisheriger Ausfall: Fr. 7800.- x 6 Fr. 46800.-
Zukünftiger Ausfall Fr. 96000.-
Total Fr. 142 800.-
Das Beispiel zeigt es deutlich: Beim Erwerbsausfall geht es schnell um ziemlich viel Geld. Frau D. aus dem Beispiel hatte vom Unfallzeitpunkt bis zur Pensionierung noch 14 Jahre Erwerbsleben vor sich und war auf dem Lohnmaximum. Wird dagegen eine 25-Jährige invalid, muss fast die gesamte berufliche Laufbahn entschädigt werden. Die Renten der Sozialversicherung machen die Lohnentwicklung nur zum Teil mit. Das Einkommen, das mit allen Karrieremöglichkeiten ohne Unfall hätte verdient werden können, und die Rentenbeträge laufen deshalb immer weiter auseinander, je länger die Zeit vom Unfall bis zur Pensionierung dauert. Da können die Zahlen gar die Millionengrenze übersteigen.
Der Rentenschaden
Unter dem Titel Erwerbsschaden wird nur die Zeit bis zur Pensionierung abgegolten. Gibt es auch danach einen Schadenersatz? Ja, wer wegen eines Unfalls eine Einkommenseinbusse erleidet, hat auch nach der Pensionierung noch einen Schaden: Die Altersleistungen werden ja mit Lohnprozenten finanziert. Wird die Erwerbskarriere durch einen Unfall unterbrochen, erhält der Betroffene vor allem von der Pensionskasse, aber auch von der AHV eine tiefere Rente. Auch der Rentenschaden wird mit einem Vergleich berechnen: Die Altersleistungen, die ohne Unfall erreicht worden wären, werden den Renten auf der Basis des reduzierten Einkommens gegenübergesteilt. Die Differenz bildet den Rentenschaden, den der Haftpflichtige dem Verunfallten ersetzen muss.
Beispiel: Tobias B. wird nach einem unverschuldeten Unfall teilinvalid und hat deshalb ein deutlich tieferes Einkommen. Er wird also nach der Pensionierung mit einer kleineren Rente auskommen müssen. Wie hoch ist der Schaden?
Altersrenten ohne Unfall (AHV und PK) Fr. 75000.-
Altersrenten mit Unfall (AHV und PK) Fr. 68 000.-
Differenz pro Jahr (Rentenschaden) Fr. 7000.-
Umgerechnet auf die ganze Rentendauer, ergibt dies einen Kapitalbetrag von rund 80000 Franken, den der Unfallverursacher Tobias B. zahlen muss.
Haushalt schaden und Betreuungsschaden
Wurden Sie verletzt und können deshalb den Haushalt nicht mehr besorgen? Auch dafür haben Sie Anspruch auf eine Entschädigung. Die Schwierigkeit besteht bloß darin, dass kein Lohnausweis zur Verfügung steht, aus dem man die Einbuße ablesen könnte. Bevor der Schaden beim Ausfall in der Hausarbeit berechnet werden kann, muss also zuerst einmal der Wert der Hausarbeit festgelegt werden. Dazu wird, abhängig von der Größe des Haushalts, der Zeitaufwand geschätzt und dann mit dem aktuellen Stundenansatz für eine Haushaltshilfe multipliziert.
Beispiel: Betty F. wurde auf der Skipiste von einem Carver umgefahren. In der Folge hatte sie den rechten Arm vier Wochen im Gips. Ihr Hausarzt schrieb sie für diese Zeit für den Haushalt zu 50 Prozent arbeitsunfähig. Die Haftpflichtversicherung des Carvers musste folgenden Haushaltschaden bezahlen:
Arbeitsaufwand | 25 Std. / Woche |
Stundenansatz für eine Ersatzkraft | Fr. 30.- |
Dauer der Arbeitsunfähigkeit | 4 Wochen |
Arbeitsunfähigkeit | 50% |
Haushaltschaden: 25 x Fr. 30.- x 4 x 50% | Fr. 1500.- |
Muss der Haushaltschaden nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft berechnet werden, wird zusätzlich die Reallohnentwicklung mit einem Zuschlag von ein bis zwei Prozent pro Jahr berücksichtigt. Je nach Dauer und Grad der Einschränkung kann auch der Haushaltschaden ziemliche Größen erreichen. Wird eine Mutter mit mehreren Kindern und einem großen Haushalt invalid, kann es ohne weiteres um mehr als eine Million gehen.
Tipp: Immer wieder verlangen die Versicherer, dass Geschädigte Rechnungen für eine Putzfrau oder die Haushaltshilfe vorlegen. Das müssen Sie nicht akzeptieren. Der Haushaltschaden muss Ihnen bezahlt werden, unabhängig davon, ob Sie die Auslagen effektiv hatten oder ob Ihnen jemand unentgeltlich half. Lassen Sie sich nicht über den Tisch ziehen.
Betreuungsschaden und wie er berechnet wird
Der Betreuungsschaden kommt in der Praxis etwas weniger häufig vor als der Haushaltschaden. Worum geht es? Wenn eine verunfallte Person wegen ihrer Verletzungen dauernd eine Betreuung benötigt, muss der Haftpflichtige – entsprechend dem Grundsatz des vollen Schadenersatzes auch für diese Kosten aufkommen. Findet die Betreuung in einem Heim oder Spital statt, sind die effektiven Kosten zu ersetzen. Wird die Verunfallte durch Angehörige zu Hause betreut, berechnen die Versicherungen den Schadenersatz nach den gleichen Grundsätzen wie beim Haushaltschaden.
Der Versorgerschaden
Bisher ging es um die Person, die beim Unfall verletzt wurde, und ihren Anspruch auf Schadenersatz. Was aber, wenn jemand an den Unfall-folgen stirbt? Muss der Schädiger dann nichts mehr bezahlen? Doch, er schuldet den Angehörigen des Getöteten Schadenersatz, wenn dieser sie finanziell unterstützt, versorgt hat. Im Vordergrund stehen natürlich der überlebende Ehegatte oder die Lebenspartnerin und die Kinder. Aber auch andere Personen können einen Versorgerschaden geltend machen, wenn sie regelmäßig finanziell unterstützt wurden.
Beispiel: Rolf V., 40-jährig, verliert bei einem Fallschirmabsprung das Leben, weil sich der schlecht gefaltete Fallschirm nicht öffnet. Er hinterlässt seine Konkubinats Partnerin Petra A., seine Exfrau Yvonne sowie zwei Söhne aus der früheren Ehe, Sven und Vasco. Petra A., die nur 50 Prozent berufstätig ist und daneben den gemeinsamen Haushalt besorgt, hat Anspruch auf Ersatz des Versorgungsausfalls. Die Exfrau dagegen hat keinen Anspruch, weil sie wieder geheiratet hat und von ihrem zweiten Ehemann versorgt wird. Sven und Vasco aber haben einen Versorgerschaden für so lange, wie sie noch Alimente erhalten hätten. Die 75-jährige Mutter von Rolf Z. hat keinen Anspruch auf Schadenersatz, obwohl sie von ihm jeweils an Weihnachten und zum Geburtstag Reisegutscheine und andere Geschenke erhalten hat. Anders wäre das, wenn sie nur eine kleine Rente hätte und von ihrem Sohn mit regelmäßigen Beträgen unterstützt worden wäre.
Hat der Verunfallte als (Haupt-)Erwerbstätiger der Familie seine Hinterbliebenen finanziell versorgt, wird der Versorgerschaden analog zum Erwerbsschaden bestimmt. War er für die Kinderbetreuung und Haushaltsführung zuständig, wird wie beim Haushalt-schaden gerechnet. Immer wieder bringen die Versicherer dabei verschiedene Einwendungen vor, die den Schadenersatz reduzieren sollen und oft recht pietätlos wirken.
Nur der Versorgungsausfall: Die Hinterbliebenen müssen sich einen Eigenanteil des Verstorbenen anrechnen lassen. Schließlich brauche – so die Versicherer – der erwerbstätige Familienvater einen Teil des Einkommens für seine eigenen Bedürfnisse, die Mutter erbringe einen Teil ihres Aufwands im Haushalt für sich selbst.
Nur bis 18: Manchmal wollen Versicherer den Versorgerschaden für Kinder nur bis zum 18. Altersjahr bezahlen. Doch wenn die Kinder vor-aussichtlich eine längere Berufsausbildung oder ein Studium in Angriff nehmen werden, hatte der Verunfallte sie länger unterstützt. Dann muss der Schaden in der Regel bis zum 25. Altersjahr übernommen werden.
Nur bis zur Wiederverheiratung: Die überlebende Ehefrau (oder der Ehemann) muss sich anrechnen lassen, dass sie die Möglichkeit einer neuen Heirat hat. Dadurch würde – so die Versicherer – der aus dem Tod des ersten Ehegatten entstandene finanzielle Schaden kompensiert. Der Wiederverheiratungsabzug ist vor allem bei jüngeren Witwen relativ hoch und in jedem Fall einigermaßen pietätlos. Diskutiert wird auch ein Abzug wegen des Scheidungsrisikos, da ja auch bei einer Scheidung die Versorgung durch den Ehemann wegfällt. Die Gerichte haben aber bisher noch nie der Witwe eines Unfallopfers ein Beweis- verfahren zur Scheidungswahrscheinlichkeit ihrer Ehe zugemutet.
Urteil: Ein 36 Jahre alter Lastwagenchauffeur hinterließ eine 33-jährige Witwe und drei zum Zeitpunkt des Urteils noch minderjährige Kinder. Uni die Höhe des Wiederverheiratungsabzugs wurde bis vor Bundesgericht gestritten. Dessen Argumentation: Dass die Frau drei Kinder habe, sei für die Wiederverheiratungsmöglichkeit nicht ausschlaggebend. Zwar fördere dies die Bereitschaft für eine neue Ehe, verbessere aber nicht die Chancen. Alles in allem hielt das Gericht einen Abzug von 21 Prozent für angemessen.