Nahezu alle deutschen Versicherungsvermittler arbeiten für nur eine Gesellschaft. Sie sind so genannte Einfirmenvertreter. Aufgrund von Ausschließlichkeitsverträgen dürfen sie nur für ein einziges Unternehmen Verträge vermitteln. Und sie erhalten kein Gehalt, sondern nur Provisionen. Hat ein Vermittler einem Kunden alle Versicherungs-möglichkeiten aufgezeigt, geht er aber ohne Unterschrift unter einem Antrag nach Hause, hat er keinen Cent verdient.
Weil er aber von Provisionen lebt und Verträge nur bei seiner Gesellschaft abschließen darf, hat ein Einfirmenvertreter gleich zwei Fäuste im Nacken: die Provisionsfaust, die ihn zwingt, auch falsche Versicherungen abzuschließen, wenn er die ihm von der Gesellschaft gesteckten Ziele erfüllen und nicht verhungern will. Und die Prämienfaust: Einem Vertreter der großen Aktiengesellschaften sitzen fast immer viel zu teure Prämien im Nacken. Er kann seinen Kunden nicht die günstigen Beiträge anderer Versicherungsunternehmen bieten, wird also aus diesem Grund über Prämien und Beitragsunterschiede nicht reden.
Eine große Gefahr unseres Vertreter- und Provisionssystems ist, dass selbst solche Fachleute, die unter dem Zwang dieser beiden Fäuste aus Gewissensgründen nicht mehr arbeiten wollen, zur Weiterarbeit gezwungen sind; denn kündigen sie ihren Vertretervertrag, verlieren sie nicht nur ihre Kunden, die sie durch langfristige Verträge an ihre Gesellschaft gebunden haben. Sie erhalten auch keine Abfindung für den von ihnen aufgebauten Kundenstamm, würden also vor dem Nichts stehen und müssen deshalb widerwillig weitermachen. Der Interessenkonflikt zwischen dem provisionsabhängigen Einfirmenvertreter und dem uninformierten Verbraucher ist vorprogrammiert; Versicherungen, durch deren Abschluss Gesellschaft und Vertreter am meisten verdienen, sind meist solche, die für den Kunden falsch sind.
Mit anderen Worten; Einen Einfirmenvertreter, der seine Kunden seriös berät, kann es eigentlich nicht geben. Er müsste seinen Kunden, die ihm blind vertrauen, vom Abschluss unsinniger Kapital- Lebens- oder privater Rentenversicherungen abraten, weil es bessere Alternativen zur Familienversorgung gibt (nämlich die Trennung von Versicherung und Geldanlage). Und er dürfte ihnen nicht die teuren Versicherungen seiner Gesellschaft aufschwatzen. Denn er weiß, dass sein Service die Prämiendifferenz nicht wettmachen kann. Die Differenz zwischen den teuersten und niedrigsten Versicherungsbeiträgen ist um ein Vielfaches höher als die Bestandspflegeprovision für die Vertreter.