Wichtiger noch als bei der Sachversicherung ist der Blick in die Bilanzen für Lebensversicherte. Das liegt überwiegend an der Intransparenz des Geschäftes, vor allem den nicht garantierten Überschussbeteiligungen. Wegen des Prinzips der Spartentrennung muss die Lebensversicherung ein eigenes Unternehmen sein. Es gibt kein versicherungstechnisches Ergebnis.
Prämieneinnahmen. Die Prämieneinnahmen der Lebensversicherung sind wegen des großen Sparanteils nicht so aussagefähig wie die der Sachversicherung. Im Unterschied zu Kompositversicherern wird die Bruttorechnung ohne Abzug der Rückversicherung vorgelegt. Die Anteile der Rückversicherer an den Beiträgen werden getrennt ausgewiesen: In der Lebensversicherung gehen weit weniger Beiträge an die Rückversicherer als in der Sachversicherung. Tod ist eben gut kalkulierbar. Wichtig ist jedoch, ob die Rückversicherung in der Rechnungsperiode dem Erstversicherer einen Ertrag, was die Ausnahme ist, oder – wie üblich – einen Aufwand gebracht hat. Wenn allerdings über die Jahre größere Summen an die Rückversicherer fließen, dann sind dorthin wohl auch größere Teile des Gewinns mitgeflossen, die den Versicherten bei der Gewinnbeteiligung fehlen. Das Problem der Bilanzanalyse ist, dass der Sparanteil der gemischten Lebensversicherung oder der Leibrentenversicherung nicht getrennt ausgewiesen wird, obwohl der Sparanteil nicht zum Unternehmensgewinn beiträgt. Die Prämieneinnahmen werden ohnedies durch die automatischen dynamischen Anpassungen nach oben getrieben. Ein hohes Prämienwachstum kann ein geringeres Ergebnis bedeuten, wenn es auf Neugeschäft zurückzuführen ist. Denn, so paradox es klingt, das Neugeschäft belastet die Bilanz: Die hohen Abschlusskosten müssen sofort als Aufwand verrechnet werden.
Versicherungssumme. Lebensversicherungsbestände werden an den Vertragsstückzahlen und den Versicherungssummen gemessen. Sie bieten sich als geeignetster gemeinsamer Nenner an. Der Selbstbehalt ist meist sehr groß, da normalerweise nur die besonders hohen Versicherungssummen rückversichert werden. Anhand der durchschnittlichen Versicherungssumme je Vertrag kann die Relation von Versicherungsleistungen und Betriebsaufwendungen beurteilt werden: Kleine Verträge schaffen relativ höhere Aufwendungen. Hohe durchschnittliche Prämien erklären sich durch hohe Sparanteile oder hohes Eintrittsalter der Versicherten. Das Verhältnis von Deckungsrückstellung und Bestand an Versicherungssummen sagt etwas über die Erreichung der Sparziele aus: Ein junger Versicherungsbestand hat niedrige, ein alter Versicherungsbestand hohe Werte.
Erträge aus Kapitalanlagen. In dieser Position werden Erträge aus Aktionärs- und Versichertengeldern vermengt. Daher müssen die Lebensversicherer mindestens 90 Prozent ihrer Überschüsse an die Versicherten ausschütten. Zur Zuordnung der Gewinne auf die einzelnen Sparten gibt es mathematische Formeln, die mit dem Geschäftsplan vom Bundesaufsichtsamt genehmigt wurden. Die Schlüssel sind allerdings meist so angelegt, dass große Teile der Gewinne auf Sparten gelenkt werden können, bei denen nicht ausgeschüttet werden muss. Zudem werden die Kosten dort angesiedelt, wo sie den Überschuss reduzieren. Auf die Deckungsrückstellung entfallen 90 Prozent der Kapitalanlagen bei Lebensversicherungen. Sie müssen besonders sicher angelegt werden. Daher sind sie ein vom übrigen Vermögen getrenntes Sondervermögen, dessen Bestand im Deckungsstockverzeichnis nachgewiesen und von einem Treuhänder überwacht wird.
Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB). Der interessanteste Posten der Bilanzanalyse ist die Rückstellung für Beitragsrückerstattung. Hier werden die Überschüsse gesammelt, die den Versicherten zukommen sollen, aber noch nicht zugeteilt sind. Der Bilanzposten ist eine Art Puffer, der konstante Gewinnausschüttungen ermöglichen soll. Die Größe kann in Relation zur Zuführung aus dem Jahresüberschuss und zu den Ausschüttungen des Geschäftsjahres ermessen werden.
Aufwendungen für Beitragsrückerstattung. Das Versicherten-geld wird oft so lange wie möglich in der Rückstellung für Beitragsrückerstattung gehalten, weil es dort Erträge für die Versicherung bringt. Die Verteilung der Gelder erfolgt recht willkürlich. Meist versucht die Gesellschaft, nicht mehr angebotene Tarife bei der Verteilung der Rückerstattung zu vernachlässigen. Zugleich werden die noch angebotenen Tarife (und damit auch die Beispielsrechnungen) werbewirksam dotiert.
Stornoquote. Sie gibt Auskunft über die Qualität des Geschäftes und die Zufriedenheit der Versicherten. Kündigung, Rückkauf und Beitragsfreistellung ergeben in Relation zum durchschnittlichen Jahresbestand die Stornoquote. Sie ist am interessantesten für die
Kapital-Lebensversicherung. Die Zahlen für die abgeschlossenen Versicherungssummen und die Bestandsveränderungen (also auch die vorzeitig wegfallenden Summen) finden sich in der Bestandstabelle im Geschäftsbericht.
Deckungsstock. Der Deckungsstock ist ein zugunsten der Versicherten gebundenes Sondervermögen. Er ist auch bei einem Konkurs gegen Ansprüche anderer Gläubiger gesichert. Für den Deckungsstock gelten besonders strenge Regeln der Kapitalanlage.
Abschlusskosten. Sie werden aufgeteilt in bei der Deckungsrückstellung verrechnete und zu Lasten der betreffenden Jahresrechnung gehende. Vor allem letztere spiegeln die Werbeaktivität des Unternehmens wider. Forciertes Geschäft kann die Stornoquote belasten. Abschreibungen auf die Anlagewerte erhöhen natürlich deren Ertragsquote. Der Abschlusskostensatz schwankt bei den einzelnen Lebensversicherern sehr stark. Er ist abhängig davon, wie der Vertrieb gestaltet ist und wie die Vermittler entlohnt werden. Am teuersten ist die Provision der Vermittler.
Aufwendungen für Rückkäufe. Der Rückkauf findet bei vorzeitiger Kündigung einer Kapital-Lebensversicherung statt. Dadurch wird die Auszahlung des angesammelten Kapitals (Rückkaufswert) fällig.
Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb. In dieser Position sind nicht enthalten die Rückstellungen für die Altersversorgung der Angestellten und Vertreter, obwohl sie eigentlich Kosten sind, und die Kosten der Schadensregulierung, die in die Position Aufwendungen für Versicherungsfälle gemischt werden. Enthalten sind vor allem die Verwaltungskosten.
Aufwendungen für rechnungsmäßig gedeckte Abschlusskosten. Nach einer Anweisung des Bundesaufsichtsamtes dürften für den Abschluss von Lebensversicherungen nur 3,5 Prozent der neu abgeschlossenen Versicherungssumme als Kosten angesetzt werden. Bei den meisten Gesellschaften aber liegt dieser Satz bei mehr als fünf Prozent. Der nicht gedeckte Teil kommt daher in die Position ausserrechnungsmässige Abschlusskosten. Zu den sonstigen Kosten zählen Sach- und Personalkosten sowie die sonstigen Provisionen an die Vermittler.
Außerordentliche Erträge. Dazu zählen die realisierten Gewinne aus dem Verkauf (Abgang) von Kapitalanlagen.
Außerordentliche Aufwendungen. Hierzu gehören vor allem die außerplanmäßigen Abschreibungen auf Kapitalanlagen, insbesondere die Abschreibungen auf Wertpapiere nach dem strengen Niederstwertprinzip und Sonderabschreibungen auf Beteiligungen oder Darlehen wegen Wertverlustes. Dies gilt jedoch nicht für Namensschuldverschreibungen und ähnliche Papiere, die nicht an der Börse gehandelt werden. Daher legen viele Versicherer einen Großteil des Kapitals in nichtbörsennotierten Papieren an, womit Schwankungen im Buchwert der Kapitalanlagen vermieden werden.
Kostenquote. Dabei werden den verdienten Bruttobeiträgen die Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb, für Altersversorgung und Unterstützung, für die Regulierung von Versicherungsfällen und Rückkäufe, für rechnungsmäßig gedeckte Abschlusskosten, die Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände und auf die Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie die sonstigen Aufwendungen saldiert mit den sonstigen Erträgen gegenübergestellt. Für den Versicherten bedeutet diese Größe: Ein sparsamer Versicherer schüttet erfahrungsgemäß höhere Gewinnanteile aus. Die rationellsten Lebensversicherer, meist Direktversicherer ohne Außendienst, brauchen rund acht Prozent der Beiträge für Vertrieb und Verwaltung.
Lebensversicherung: Kennzahlen für Versicherte Kapitalanlagerendite. Die Renditeziffer gibt an, welchen prozentualen Ertrag die Kapitalanlageabteilung des Unter-nehmens im Geschäftsjahr erzielt hat. Je höher die Rendite, desto besser arbeitete die Vermögensanlage. Allerdings unterliegt die Rendite Einflüssen wie Zinsveränderungen am Kapitalmarkt. Sie sollte außerdem über die Jahre hinweg und mit anderen Unternehmen verglichen werden. Dennoch ist sie ein guter Orientierungswert.
Prozentsatz der = Kapitalerträge x 100 Kapitalanlagerendite / Kapitalanlagen
Kapitalanlagerendite
Rentabilität der Beiträge. Diese Kennzahl gibt die Rentabilität der Anlage der Beiträge an. Die Zahl gibt Hinweise darauf, wie hoch die Rückerstattungen aus den Beiträgen waren. Je höher die Zahl ist, desto besser ist das Unternehmen aus Sicht der Versicherten.
Prozentsatz der Rentabilität der = Aufwendungen f. Beitragsrückerst. x 100 / Bruttobeiträge
Beiträge
Die Durchschnittskosten der Branche liegen bei beachtlichen 27 Prozent. Der Vergleich mit anderen Branchen sollte den Versicherungsvorständen die Schamröte ins Gesicht steigen lassen: Banken und Investmentfonds liegen bei zwei bis fünf Prozent, die staatliche Rentenversicherung bei zwei Prozent.
Aufwendungen für Kapitalanlagen. Unter diesen Posten fallen zum Teil auch die Kosten des Dienstleistungsbetriebs, zum Beispiel die Verwaltungsaufwendungen für Kapitalanlagen. Der Hauptposten jedoch sind die Abschreibungen: Grundstücke werden bis auf 1 € abgeschrieben, für Wertpapiere gilt das Niederstwertprinzip. Sie werden zum Anschaffungspreis oder dem niedrigsten Börsenwert nach Kauf bilanziert. Durch die Abschreibung schaffen die Versicherungen stille Reserven als Differenz zwischen dem Buchwert und dem aktuellen Verkaufswert. Mit dem Veräußerungsgewinn beim Verkauf der Kapitalanlagen können unternehmerische Verluste ausgeglichen oder die Gewinne erhöht werden. Mit den Abschreibungen gehen Gelder für die Versicherten verloren, bei Wertsteigerungen dagegen profitieren sie erst bei der Realisierung. Ganz anders ist das Bewertungsrecht in den Vereinigten Staaten: Die Wertpapiere müssen nach dem Marktwert bilanziert werden, Beteiligungen nach der equity-Methode.
Jahresüberschuss. Er ist das Endergebnis der Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Bei einer Aktiengesellschaft entscheidet der Vorstand über die Verwendung, und die Aktionärsversammlung beschließt darüber.