Wer kann, hat recht.
(Wilhelm Busch)
Auf hoher See und vor Gericht sei man in Gottes Hand, sagt ein alter Spruch. Auch in einem Rechtsstaat kann man nie mit Sicherheit sagen, wie ein Prozess enden wird. Dennoch gehört eine Rechtsschutzversicherung – im Gegensatz zu dem, was dem Verbraucher die Versicherer und auch einige Rechtsanwälte aus verständlichen Gründen einreden wollen – zu den entbehrlichen Versicherungen. Die Vertreter rechnen den Kunden die Kosten für Gericht und Anwalt hoch. Schon in der zweiten Instanz sind die Kosten oft höher als der Streitwert. Der Streit um eine Geschwindigkeitsüberschreitung kostet schnell mehr als 1 000 €. Ein Zivilprozeß mit einem Streitwert von 10 000 € kommt in der ersten Instanz auf 6 000 €, die Entscheidung nach einer Berufung auf ingesamt 14 000€. In Deutschland gilt der Grundsatz: Wer verliert, trägt alle Kosten, auch die des Gegners. Nur bei einem Arbeitsgerichtsverfahren um eine Kündigung muss der Arbeitnehmer seine Anwaltskosten in der ersten Instanz selbst tragen, auch wenn er gewinnt. Mit diesen Argumenten ist die Bundesrepublik ein Paradies für Rechtsschutzversicherer geworden: Jeder zweite Haushalt hat die eine oder andere Version, rund die Hälfte der Versicherten besitzt einen Verkehrs-Rechtsschutz.
Die Deutschen sind damit
Rechtsschutz-Europameister. In den vergangenen Jahren haben einige Gesellschaften neue Rechtsschutzversicherer gegründet. Die Prozesshitliste der jährlich rund 2,5 Millionen Rechtsschutzfälle im Jahr: Prozesse rund ums Auto stellen zwei Drittel der Fälle, es folgen Streitigkeiten um Geld und Arbeitsrecht. Nehmen Sie es gelassen: Ein Prozess kommt nicht einfach so über Sie wie ein Regenschauer. Das Prozessrisiko lässt sich mit einem guten Anwalt relativ sicher abschätzen. Und wenn Sie gewinnen, war die Sache für Sie ohnehin kostenlos, ausgenommen Arbeitsgerichtsverfahren. Die Rechtsschutzversicherung übernimmt für den Versicherten in den meisten Fällen lediglich das Kostenrisiko, so dass sich unbesorgter prozessieren lässt. Vergessen wird oft, dass auch die Haftpflichtversicherungen einen Mini-Rechtsschutz beinhalten und Autofahrern, Privatpersonen und Tierhaltern die Abwehr fremder Ansprüche abnehmen. Die meisten privaten Streitigkeiten werden ohnehin nach einer Rechtsberatung gütlich mit einem Kompromiß beigelegt: Prozesse führen nur Streithansel gerne. Anwälte werden natürlich immer zu einer Rechtsschutzversicherung raten: Mehr als 15 Prozent ihrer Einkommen fließen aus dieser Quelle.
Ausschlüsse. Verbraucher sollten die lange Reihe von Ausschlüssen für Bauangelegenheiten, Verbrechen (auch Beleidigungen), Familien- (auch Scheidung oder Unterhalt) und Erbstreitigkeiten bedenken. In familien- und erbrechtlichen Angelegenheiten werden nur die Kosten einer mündlichen oder schriftlichen Beratung oder Auskunft durch einen Rechtsanwalt oder Notar gedeckt. Der Beratende darf aber nach außen nicht in Erscheinung treten und bei-spielsweise Anwaltsschreiben verfassen. Verwaltungsverfahren (etwa gegen die Schulbehörde) und Verfahren vor Verfassungsgerichten oder internationalen Gerichtshöfen sind ebenfalls nicht versichert. Im Arbeitsrecht sind Verhandlungen über Abfindungen und Beratungen zu einem neuen Arbeitsvertrag nicht gedeckt. Auch bei Vorsatz zahlt die Versicherung nicht: Wird der Versicherte (zu Unrecht) beschuldigt, etwas gestohlen zu haben, verweigert die Versicherung die Übernahme der Prozesskosten. Die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) besagen: Wird dem Versicherten vorgeworfen, eine Vorschrift des Strafrechts verletzt zu haben, besteht nur dann Rechtsschutz, wenn ihm ein Vergehen zur Last gelegt wurde, das sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden kann. Das schließt die nur vorsätzlich begehbaren Straftatbestände Beleidigung, Hausfriedensbruch, üble Nachrede, Verleumdung, Unterschlagung, Diebstahl, Begünstigung, Betrug, Untreue, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Urkundenfälschung, Wilderei und unterlassene Hilfeleistung aus. Die Rechtsschutzversicherung zahlt nur, wenn Fahrlässigkeit vorliegt, also beispielsweise bei fahrlässiger Tötung, Körperverletzung, Brandstiftung oder Umweltgefährdung. Und als besonders kulant sind Rechtsschutzversicherer nicht gerade bekannt: Jeder Rechtsschutzversicherte sollte sich erst einmal die Kostenübernahmegarantie des Versicherers holen, bevor er prozessiert.
Tip: Alternativen zur Rechtsschutzversicherung
Eine kostengünstige Rechtsberatung gibt es bei Verbraucherzentralen und öffentlichen Rechtsauskunftsstellen in vielen Großstädten. Für Mitglieder geben Gewerkschaften, Automobilklubs und Mietervereine Rat. Innungen und Kammern haben Schieds- und Schlichtungsstellen, die bei Streitigkeiten außergerichtlich einen Kompromiss suchen. Für Ratsuchende bis zu einem mittleren Einkommen kommt das Prozesskostenhilfe-Gesetz in Frage: Die Beratungshilfe kann schriftlich beim Amtsgericht oder dem zuständigen Prozessgericht am Ort beantragt werden. Man kann sich direkt an einen Rechtsanwalt wenden. Das Prozesskostenhilfe-Gesetz gilt auch für Scheidungen, bei denen die Rechtsschutzversicherung nur eine Beratung, nicht aber einen Prozess zahlt.
Leistungen. Die Rechtsschutzversicherung übernimmt das Kostenrisiko bei Prozessen. Der Versicherte darf den Anwalt frei wählen. Erstattet werden Anwalts-, Gerichts- und Nebenkosten (etwa für Gerichtsvollzieher, Zeugen und Sachverständige, die vom Gericht hinzugezogen werden) sowie die entsprechenden Vorschüsse. Bei verkehrsrechtlichen Straf- und Bußgeldverfahren werden auch die Kosten für Gutachten öffentlich bestellter technischer Sachverständiger getragen, die vom Versicherten hinzugezogen wurden, auch im Ermittlungsverfahren. Bei inländischen Zivilprozessen werden die Kosten eines Korrespondenzanwaltes am Gerichtsstand getragen, wenn der Wohnort des Versicherten mehr als 100 Kilometer vom Gerichtsstand entfernt ist. Bei Strafverfahren im Ausland übernimmt der Versicherer die Kaution bis zu 50 000 € als Darlehen sowie die Reisekosten, wenn der Versicherte vor einem ausländischen Gericht erscheinen muss. In allen Straf-verfahren werden die Kosten des gegnerischen Nebenklägers gezahlt, der neben dem Staatsanwalt als Kläger auftritt. Der Leistungsumfang ist geregelt in den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB) und für alle Gesellschaften gleich. Heute gelten meist Deckungssummen von 200 000 € je Schadenfall und 50000 € für Kautionen. Damit soll das Prozessrisiko mit Kosten für Anwalt, Gericht und Nebenkosten durch alle Instanzen abgedeckt werden können – auch bei hohen Streitwerten. Staranwälte allerdings werden von der Rechtsschutzversicherung nicht satt: Die Versicherer zahlen nur nach der Bundesrechtsanwalt-Gebührenordnung, abgekürzt BRAGO.
Die Versicherung zahlt natürlich nur für Schäden, die nach Vertragsabschluss eintreten. Bei Versicherungsabschluß gilt aber eine dreimonatige Wartezeit in Kfz-Vertrags-, Arbeits-, Sozialgerichts-, Steuer-, Allgemeiner Vertrags- sowie Grundstücks- und Miet- sowie manchmal auch beim Führerschein-Rechtsschutz, bis der Versicherungsschutz im Schadenfall eintritt.
Varianten. Eine Rechtsschutzversicherung muss nicht gleich eine Rundum-Versicherung sein. Es gibt eine ganze Reihe von Varianten. Die wichtigste ist der Verkehrs-Rechtsschutz. Er schützt den Versicherten als Halter, Eigentümer, Fahrer und Insasse seiner eigenen Fahrzeuge und als Fahrer fremder Fahrzeuge. Von den rund 2,5 Millionen Schadenfällen, die die Rechtsschutzversicherer jedes Jahr registrieren, entfallen zwei Drittel auf Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger. Allerdings wird die Bedeutung des Verkehrs- Rechtsschutzes maßlos überschätzt: Das maximale Prozessrisiko bei Führerscheinverfahren beträgt lediglich 3 000 €. Dagegen kann es bei den im Verkehrs-Rechtsschutz nicht mitversicherten Schadenersatzverfahren oder allgemeinen Streitigkeiten bis zu 100 000 € betragen. Halte- und Parkverstöße, also Bagatellschäden, sind nicht versichert. Eine Verkehrsrechtsschutz-Versicherung ist vor allem für Autofahrer sinnvoll, die ohne Vollkasko oder Auto-Schutzbrief oft im Ausland unterwegs sind. Verkehrsunfälle im Ausland sind wegen unterschiedlicher Rechtslage, Sprachschwierigkeiten oder Strafkautionen voller Tücken. Der Verkehrs-Rechtsschutz gilt in Europa und den Mittelmeerländern. Beim Verkehrs- und Fahrzeug-Rechtsschutz sind alle berechtigten Fahrer und Insassen ihrer Fahrzeuge mitversichert. Auch als Fußgänger ist der Versicherte geschützt. Der Verkehrs-Rechtsschutz besteht aus Schadenersatz-Rechtsschutz, Strafrechtsschutz,
Führerschein-Rechtsschutz, Kfz-Steuerrechtsschutz und Kfz-Vertragsrechtsschutz, wenn es Ärger bei Kauf oder Reparatur des Autos gibt.
Der Privat- oder Familien-Rechtsschutz umfasst den privaten Bereich. Der Versicherungsschutz gilt auch für den Ehegatten und die unverheirateten Kinder bis zum 25. Lebensjahr, wenn sie noch in der Ausbildung sind. Ebenfalls mitversichert ist der Lebensgefährte, mit dem der Versicherte zusammenwohnt, wenn er in der Police genannt wird. Der Schutz stets Schadenersatzansprüche anderer, Straf- und Bußgeldverfahren, arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen, Streitigkeiten um Kauf- und Reparaturverträge, Steuer- oder Sozialrecht. Eigens abschließen müssen Versicherte allerdings einen Miet-Rechtsschutz. Selbständige müssen Privatleben und Beruf gesondert versichern, da beides schwer zu trennen ist.
Beiträge. Die Prämienunterschiede in der Rechtsschutzversicherung sind geringer als in anderen Sparten. Offenbar ist die Prämienkalkulation der Anbieter fast identisch. Besonders günstige Angebote gibt es für den öffentlichen Dienst und Mitglieder von
Die Versicherungsarten im Rechtsschutz
1. Schadenersatz-Rechtsschutz: deckt Ansprüche auf Schadenersatz aufgrund von Personen-, Sach- oder Vermögensschäden. Hierunter fallen auch Streitigkeiten mit der Versicherung.
2. Strafrechtsschutz: deckt eine Verteidigung in einem Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahren. In ein Straf-verfahren rutschen auch schnell Verursacher eines Verkehrsunfalls. Die Verfahrenskosten für Falschparker aber werden meist nicht mehr übernommen.
3. Führerschein-Rechtsschutz: deckt die Prozesskosten, wenn es vor der Verwaltungsbehörde oder vor dem Verwaltungsgericht um die Erhaltung oder Wiedererlangung der Fahrerlaubnis geht.
4. Arbeitsrechts-Schutz: bei Auseinandersetzungen aus einem Arbeitsverhältnis.
5. Kfz-Vertragsrechtsschutz: bei Ärger um das Auto, etwa bei Kauf, Reparatur und Versicherung.
6. Sozialgerichts-Rechtsschutz: bei Streitigkeiten mit der gesetzlichen
Kranken-, Renten-, Unfall- oder Arbeitslosenversicherung um Leistungen. Hier treffen den Versicherer aber nur die Anwaltskosten, Streitigkeiten vor Sozialgerichten kosten keine Gerichtsgebühr.
7. Steuerrechtsschutz: wenn Versicherte wegen Steuern oder anderer Abgaben wie Zölle oder Gebühren vor einem Finanz- oder Verwaltungsgericht prozessieren müssen.
8. Beratungs-Rechtsschutz: für die Kosten einer Beratung wegen veränderter Rechtslage im Familien- und Erbrecht.
9. Allgemeiner Vertragsrechtsschutz: wenn Ansprüche aus Verträgen des privaten täglichen Lebens (zum Beispiel Kauf, Reparatur oder Darlehen) geltend gemacht oder abgewehrt werden müssen.
10. Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete: wenn Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer oder Mieter ihre Rechte durchsetzen wollen.
Die Rechtsschutz-Bausteine | ||||||||||
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Verkehrs-RS | X | X | X | X | X | |||||
Fahrzeug-RS | X | X | X | X | X | |||||
Fahrer-RS | X | X | X | X | ||||||
Familien-RS | X | X | X | X | X | X | X | 0 | ||
Familien- und | ||||||||||
Verkehrs-RS | X | X | X | X | X | X | X | X | X | 0 |
Firmen-RS | X | X | X | X | 0 | |||||
Landwirtschafts- | ||||||||||
u. Verkehrs-RS | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X |
Anmerkung: o = als Zusatzversicherung | verfügbar |
Automobilclubs und Singles. Verkehrs-Rechtsschutz kostet normalerweise ab 100 € (ohne Selbstbeteiligung im Schadenfall) im Jahr, mit Selbstbeteiligung (SB) ab 75 €.
Familien-Rechtsschutz kostet ohne SB ab 300 €, mit SB ab 250 €. Der zusätzliche Miet- Rechtsschutz liegt bei rund 80 € im Jahr. Günstige Versicherungen sind: DA Deutsche Allgemeine, DEVK, WGV Schwäbische Allgemeine, Debeka, HD1 und HUK-Coburg. Zu den preiswertesten Anbietern beim Verkehrsrechtsschutz zählen DA, Badische und WGV. Beim Komplettpaket von Privat-, Berufs- und Verkehrsrechtsschutz für Nichtselbständige liegen diese Anbieter ebenfalls mit vorne. Zum Vergleich: Teure Gesellschaften wie Allianz oder Württembergische kassieren rund 400 €. Mitglieder von Automobilclubs bekommen bei einigen Versicherern Rabatte. ACE-Mitglieder bei der Advocard, ACV bei der DEVK, KS-Mitglieder bei der Auxilia, VCD- Mitglieder bei der Deurag, ADAC-Mitglieder beim ADAC-Rechtsschutz und alle Automobilclub-Mitglieder bei der Mecklenburgischen. Eine Selbstbeteiligung sollten Sie jedoch nach Möglichkeit vermeiden, auch wenn die Tarife ohne sie meist 25 Prozent teurer sind: Sie verleitet dazu, dass Sie zögerlicher zum Anwalt gehen. Vor allem im Verkehrs-Rechtsschutz oder bei außergerichtlicher Beratung sind die Kosten oft recht gering, so dass sich bei einer Selbstbeteiligung von 200 oder 300 € der Schutz bereits nicht mehr lohnt.
Tips für den Abschluss
Oft verbinden die Versicherten den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung mit dem Abschluss der Autoversicherung. Dann haben sie beim Verkehrs-Rechtsschutz den gleichen Ansprechpartner im Schadenfall. Jedoch empfiehlt es sich, eher einen spezialisierten Rechtsschutzversicherer zu wählen. Denn oft hat der Versicherte Streitigkeiten mit seiner Versicherung, etwa wegen Hausrat- oder Haftpflichtschäden. Dann aber könnte der Rechtsschutzversicherer unter dem gleichen Dach eher zu Schwierigkeiten bei der Deckungszusage neigen als ein unabhängiger.