Vor mehr als 17 Jahren hat sich die Allianz eher still von einer Variante der Lebensversicherung getrennt, die sie nur einige Jahre lang ohne großen Erfolg angeboten hatte, der fondsgebundenen Lebensversicherung (FLV). Im Geschäftsbericht 1974 hieß es: Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass es zu Enttäuschungen bei den Kunden kommt, wenn sie im Rahmen einer Lebensversicherung Einbußen aus Kursrückgängen am Aktienmarkt unmittelbar selbst tragen müssen. Denn im Gegensatz zur gewöhnlichen Kapital-Lebensversicherung wird das Geld der Versicherten nicht vornehmlich mündelsicher in Rentenpapieren und Schuldverschreibungen, sondern eher spekulativ in verschiedenen Wertpapierfonds angelegt.
Die Zeit der Enttäuschungen ist nun offenbar vorbei. Jeder zehnte Neuabschluß einer Lebensversicherung ist heute eine Fondspolice. Die Kritik an traditionellen Kapital-Lebensversicherungen lässt die Nachfrage nach Fondspolicen steigen. Der Marktanteil beträgt bereits 3,5 Prozent. Marktführer ist die Nürnberger Lebensversicherung AG. Die Vorteile der FLV, so ihre Verfechter: Diese Versicherung ist im Gegensatz zur Kapital-Lebensversicherung keine Black Box, in die der Kunde einzahlt, aber nicht weiß, was mit seinem Geld bis zur Auszahlung geschieht, und schließlich eher nach Gusto der Versicherer am Überschuss beteiligt wird. Er weiß um die Strategie des Fonds und kann oft auch während der Laufzeit zwischen einzelnen Fonds wechseln, manchmal allerdings nur gegen eine Gebühr. Täglich kann er den Kurs seiner Anteile im Börsenteil nachlesen, und einmal im Jahr erhält er sogar einen Auszug, der ihm sagt, wie hoch sein Vermögen ist und wie sich der Wert seiner Anteile entwickelt hat. Stille Reserven des Versicherers gibt es nicht mehr. Dafür können aus stillen Reserven keine renditeschwachen Zeiten ausgeglichen werden. Daraus ergibt sich aber auch ein wesentlicher Nachteil der FLV: Die sogenannte Ablaufleistung – also die Auszahlung am Ende der Laufzeit – schwankt. Der Versicherte nimmt nämlich auch an den Kursverlusten voll teil. Zwar verweisen die Versicherungen derzeit beim Verkauf der FLV gerne auf Graphiken mit Modellrechnungen aus den achtziger Jahren und auf die damals höheren Ablaufleistungen gegenüber einer Kapital-Lebensversicherung, doch das war eine goldene Börsenzeit. Fällt der Auszahlungstermin nämlich in eine Baisse, dann kann die Auszahlung der FLV auch weit unter der Kapital-Lebensversicherung liegen. Einige Versicherer haben daher eine Nachlauffrist von fünf Jahren eingeführt: Möchte der Kunde nach Ablauf der Versicherung sein Kapital nicht direkt zurückhaben, so kann er weiter im Fonds engagiert bleiben und sich während dieser Zeit jederzeit auszahlen lassen.
Andere Versicherer lassen den Vertrag bis zum 75. Lebensjahr laufen, der Kunde kann aber jederzeit ohne Stornogebühren aussteigen. Problematisch sind allerdings oft die Performanceangaben der Wertpapierfondsanteile, also der Wertzuwachs innerhalb einer Periode. Je nach gewähltem Zeitraum fallen die Ergebnisse auch ganz unterschiedlich aus: Meist wird der Wertzuwachs in den vergangenen zwölf Monaten genommen und – bei möglichst guter Rendite – in die Zukunft projiziert. Außerdem ist die oft verwendete Performancemessung des Bundesverbandes Deutscher Investment- Gesellschaften (BVI) umstritten. Die so gewonnenen Werte spiegeln nur den Wertzuwachs wider, nicht aber die Rendite des Anlegers. Die Messung geht von einer einmaligen Anlage und davon aus, dass alle Ausschüttungen wieder spesenfrei angelegt werden. Das ist aber nicht überall der Fall. In jedem Fall sollte der Kunde unbedingt die Performance der angebotenen Investmentfonds beachten und mit den Marktbesten vergleichen. Denn bei einem schlechten Fonds kann er viel Geld verlieren. Die FLV wird vorwiegend als Kapitalanlage zusätzlich zu einer bestehenden Kapital-Lebensversicherung mit dem Argument höherer Ablaufleistungen verkauft. Als Anlageprodukt interessant ist sie vor allem dank ihres Steuerprivilegs: Bei Lebensversicherungen sind Auszahlungen nach einer Laufzeit von mindestens fünf Jahren steuerfrei. Doch hier sollte sich der Kunde nicht blenden lassen: Kursgewinne von Aktien sind – nach der Spekulationsfrist von sechs Monaten – ohnehin steuerfrei. Bei Aktienfonds spielen die laufenden und zu versteuernden Dividendenerträge nur eine geringe Rolle. Mit einer direkten Anlage in Aktienfonds dürften die meisten Anleger daher besser fahren. Beispiel: Monatlich 332 € in eine Fondspolice der WWK Versicherungen ab 1973 brachten Anfang März 1995 eine Ablaufleistung von rund 180 000 €. Das ist eine effektive Verzinsung von 6,12 Prozent, rechnete die Wirtschaftswoche vor.
Wer dagegen eine günstige
Risiko-Lebensversicherung abgeschlossen hat und den Rest direkt in den Aktienfonds gesteckt hat, kam nach Abzug der Ausgabeaufschläge mit 210 000 € wesentlich besser weg. Die Rendite vor Steuern betrug 7,2 Prozent; nur ein Drittel der Fondserträge waren steuerpflichtig. Noch ungünstiger fällt der Vergleich für die FLV aus, wenn auf die Risiko-Police verzichtet wird. Der Grund ist einfach: Die Versicherer legen nur einen Teil der Beiträge in Investmentanteilen an. Vor allem in den ersten Jahren geht viel Geld in Provision und Verwaltungskosten. Außerdem muss schließlich auch noch der Versicherungsschutz bezahlt werden. Unter dem Renditeaspekt ist die FLV daher höchstens für Anlagen in Rentenfonds interessant, wenn zugleich hohe Steuern gezahlt werden. Denn dann kann der jährliche Obolus an das Finanzamt vermieden werden. Allerdings kann der Versicherte dann auch gleich eine Kapital-Lebensversicherung abschließen, die zum größten Teil in Rentenpapiere investiert.
Ein Nachteil der FLV sind die hohen Kosten: Denn von einem Beitrag müssen zwei Dienstleister leben – Versicherer und Fonds. So zahlt der Kunde Abschlusskosten, Verwaltungskosten, Ausgabeaufschläge von Fondsanteilen, Stornoabschläge bei vorzeitiger Kündigung und auch noch Managementgebühren, wenn ein anderer die Fondsauswahl übernimmt. Bei gemanagten Fondspolicen übernimmt ein Fondsmanager die Auswahl der Fonds. Er sorgt vor allem für die Risikostreuung. Das kann der Anleger aber auch selbst übernehmen. Zusätzlich muss der Anleger natürlich noch die Risikoprämie für die Lebensversicherung zahlen. Sie wird oft in Form von Anteilen entnommen. Damit wird der Kunde doppelt abkassiert: Denn für die Anteile musste er schon den Ausgabeaufschlag von bis zu fünf Prozent zahlen. Insgesamt beträgt die Kostenbarwertquote nach einer Berechnung von Finanztest zwischen gut 5,5 Prozent (Cosmos) bis zu 17,8 Prozent. Fast alle Anbieter liegen über 10 Prozent. Wichtig ist, dass der Versicherer die Auswahl zwischen Fonds mehrerer renommierter Investmentgesellschaften bietet: Der Anleger kann so das Risiko streuen. In jedem Fall ist die FLV nur als Zweit-Lebensversicherung sinnvoll und nicht zur Basisabsicherung. Käufe von Investmentanteilen sind spekulative Geldanlagen und keinesfalls für eine sichere Altersversorgung geeignet. Sie ist übrigens auch nicht als Sonderausgabe steuerlich abzugsfähig. Im Grunde ist die FLV nur eine Kombination von Risiko-Lebensversicherung und Investmentsparplan. Dies könnte auch jeder Kunde selbst zusammenstellen: Er sucht sich die günstigste Prämie, und anschließend wählt er sich einen Wertpapierfonds. Zwischen diesen Fonds kann er dann nach Herzenslust wechseln und seine Anteile jederzeit auch wieder abstoßen.