In zwanzig Jahren habe ich 300 Policen verkauft, und bis jetzt sind 200 meiner Kunden gestorben. Ist das nicht ein schöner Erfolg?
(Ein New Yorker Versicherungsvertreter in einer Erzählung von William Saroyan)
In der Bundesrepublik gibt es mit 85,1 Millionen Verträgen mehr Lebensversicherungen als Einwohner. Die Lebensversicherung, verbunden mit einer Kapitalanlage zur Altersvorsorge, ist unverändert populär, obwohl keine andere Versicherungsart unter Verbraucherschützern und Anlageberatern so umstritten ist wie sie. Die einen schwören auf sie, halten ihr Sicherheit, Verständlichkeit, Vorsorge und anständige Rendite durch Steuervorteile zugute. Die anderen haben ihr abgeschworen, kritisieren die Undurchsichtigkeit der Überschussbeteiligung, die Verkaufsmethoden der Versicherungsvertreter, das Provisionssystem, die falschen Versprechungen, die Verschwendung der Konzerne, die mangelnde Beteiligung der Versicherten an den Erträgen ihrer Gelder, den mangelnden Wettbewerb – kurz, den legalen Betrug am Versicherten. Derzeit steht es Vorteil Kritiker, auch wenn das Spiel noch längst nicht entschieden ist. Sicher ist vor allem eines: Die Kapital-Lebensversicherung ist immer noch der Goldesel der Versicherungsbranche, mit garantierten Einnahmen und Erträgen auf 30 Jahre Laufzeit. 84 Prozent aller Selbständigen-Haushalte, 78 Prozent der Arbeiter- und 73 Prozent der Angestellten-Haushalte haben einen Lebensversicherungsschutz von durchschnittlich mehr als 100 000 €. Jede fünfte Mark der Geldvermögensbildung geht in die Lebensversicherung bei langfristig deutlich steigender Tendenz. Mehr als 40 Prozent aller gemischten Lebensversicherungen werden von Kunden unter 29 Jahren abgeschlossen, zwei Drittel aller neuen Kunden sind unter 39. Die durchschnittliche Laufzeit liegt bei mehr als 30 Jahren und ist auf ein Lebensalter von 60 oder 65 ausgerichtet. Mit Erfolg haben die Lebensversicherungen die Drei-Säulen- Theorie der Altersversorgung erfunden. Danach basiert eine Altersversorgung neben Sozialversicherung und betrieblicher Rente (zwei Drittel aller Arbeitnehmer haben einen Anspruch darauf) auf der dritten Säule der Kapital-Lebensversicherung. Sie zahlt im Erlebensfall eine meist sechsstellige Kapitalsumme. Von 1980 bis in die neunziger Jahre sind die ausgezahlten Leistungen der Lebens-versicherung von 10,3 auf über 25 Prozent der Rentenausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung gestiegen.
1970 lag der Anteil der Lebensversicherung an der privaten Geldvermögensbildung noch bei 13 Prozent, heute beträgt er rund ein Drittel. Die Lebensversicherer machen das Geschäft mit der Krise der Rentenversicherung, die unter steigenden Beiträgen, Zunahme der Alten und sinkenden Geburtenraten leidet. Daß die Altersversorgung auch durch normale Geldanlage, Immobilien oder Fonds gesichert werden kann, wird nicht einmal als vierte Säule erwähnt. Vor allem der Kauf einer Immobilie dürfte die sicherste Art der Altersversorgung sein, da es ein mietfreies Wohnen bis zum Lebensende sichert. Auch eine private Rentenversicherung könnte sinnvoll sein: Alle Älteren können damit zu einem steuerbegünstigten Sparvertrag kommen ohne Zuschlag für das Risiko eines frühzeitigen Todes. So sicher wie behauptet ist die Lebensversicherung ohnehin nicht: Ebenso wie Bargeld wurde 1948 das angesparte Kapital der Lebensversicherung auf 10 Prozent abgewertet. Als zweites Stichwort neben der dritten Säule reden die Lebensversicherer gerne von der Versorgungslücke, grob gesagt, der Differenz zwischen der Rente und dem als notwendig angesehenen Einkommen. Als Norm werden je nach Gutdünken 75 oder 66 Prozent des letzten Nettogehaltes angesehen, obwohl dieser Satz je nach individuellen Bedürfnissen und Vermögen stark schwanken kann. Je nach Berechnung und Einkommen decken Sozialversicherung und Betriebsrente nur 50 bis 65 Prozent. Die Berechnung dieser Versorgungslücke bieten die Vertreter gerne an, um damit die angebliche Notwendigkeit ihrer Kapital-Lebensversicherung zu demonstrieren.
Den größten Marktanteil, bezogen auf die verdienten Brutto-beiträge, vereinen folgende Unternehmen auf sich:
Die zehn größten Lebensversicherer | ||
Rang | Unternehmen | Marktanteil (in %) |
1 | Allianz | 13,91 |
2 | Hamburg-Mannheimer | 5,09 |
3 | R+V | 4,20 |
4 | Deutscher Herold | 3,93 |
5 | Aachener und Münchener | 3,85 |
6 | Volksfürsorge | 3,67 |
7 | Victoria | 3,46 |
8 | Debeka | 2,75 |
9 | DBV-Winterthur | 2,70 |
10 | Bayern-Versicherung | 2,60 |
Quelle: BAV-Geschäftsbericht 1998
Risiko-Lebensversicherung: Schutz für die ganze Familien
Die Risiko-Lebensversicherung ist die einfachste Form der Lebensversicherung. Sie sorgt für die Hinterbliebenen: Stirbt der Versicherte während der Laufzeit des Vertrages, erhalten die Hinterbliebenen nicht nur die meist magere Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern auch die vereinbarte Versicherungssumme aus der privaten Lebensversicherung. Die Risiko-Lebensversicherung kann wichtige Risiken abdecken: Bei jungen Familien bekommen die Hinterbliebenen eine finanzielle Hilfe, bei laufenden Darlehen werden sie von weiteren Zahlungsverpflichtungen freigestellt. Von Kreditsuchenden oder Bauherren wird sie oft als Sicherheit von den Banken verlangt. Die Risiko-Lebensversicherung empfiehlt sich für Familien mit Kindern, Selbständige, Bauherren und Existenzgründer. Wenn die Versicherten aber im Lebensverlauf Rentenansprüche oder Vermögen erwerben, ist die Risiko-Lebensversicherung wieder verzichtbar. Gern verkauft wird die Risiko-Lebensversicherung von den Vertretern übrigens nicht: Sie bringt zuwenig Provision. Oft erwähnen es die Versicherungsvertreter als Vorteil, dass die Risiko-Lebensversicherung während der Laufzeit, spätestens aber nach zehn Jahren, in eine Kapital-Lebensversicherung umgewandelt werden kann. Das täuscht aber: Lediglich eine erneute Gesundheitsprüfung entfällt, als Eintrittsalter für die Kapital-Lebensversicherung gilt aber das Umwandlungsdatum. Den vermeintlichen Vorteil geringerer Risikoprämien gibt es also nicht.
Deckungssumme. Die Standard-Deckungssumme von 100 000 € ist nicht für jeden richtig. Familien mit kleinen Kindern sollten das vierfache Jahreseinkommen versichern, Familien mit größeren Kindern das dreifache und kinderlose Ehepaare das zweifache Jahreseinkommen. Als Zeitpunkt für das Laufzeitende ist das 50. oder 55. Lebensjahr günstig, da dann normalerweise genügend Vermögen oder Rentenansprüche geschaffen wurden und die Kinder aus dem Haus sind. Bei der Abwägung von Versicherungssumme und Laufzeit sollte lieber die Laufzeit zugunsten einer höheren Versicherungssumme verkürzt werden.
Beitrag. Die Höhe der Prämie richtet sich nach Versicherungssumme, Eintrittsalter, Geschlecht und Laufzeit. Jede Versicherung kalkuliert Lebensalter und Laufzeit anders, so dass individuelle Angebote eingeholt werden müssen. Der Beitragsvergleich ist jedoch nicht leicht. Die Versicherer haben unterschiedliche Formen der Gewinnbeteiligung. Sie müssen vorsichtig kalkulieren, also Überschüsse erwirtschaften. Dies tun sie vor allem aus den Sterblichkeitsgewinnen; die Sterblichkeit wird also höher veranschlagt, als sie tatsächlich ist. Die Versicherer müssen die Überschüsse aber zu 90 Prozent wieder an ihre Kunden ausschütten. In der Praxis sieht
dies allerdings so aus, dass zunächst Kosten und unternehmerische Verluste ausgeglichen werden. Erst der restliche Überschuss geht an die Kunden.
Systeme der Überschussbeteiligung. Der Kunde kann zwischen verschiedenen Systemen wählen:
Verzinsliche Ansammlung. Sie ist am weitesten verbreitet, wohl weil die Überschüsse im Erlebensfall ausgezahlt werden. Die Überschüsse werden angesammelt und verzinst. Meist mit Ablauf des Vertrages erhält der Kunde eine Schlußzahlung. Im Grunde ist dieses System nur ein Sparvorgang, der aber erheblich mehr Beitrag kostet als das Rabattsystem. Außerdem ist die Verzinsung oft wenig attraktiv.
Beitragsverrechnung (Sofortrabatt). Seit Anfang der achtziger Jahre bieten die Versicherer Rabattsysteme an. Damit werden die Gewinnanteile aus dem zu erwartenden Überschuss sofort verrechnet. Beim Sofortrabatt wird der Beitrag von Beginn an gesenkt, die Versicherungssumme bleibt konstant. Allerdings können sich die Prämienzahlungen verändern, wenn der Überschuss schwankt.
Bonussystem (Leistungsrabatt). Mit den Überschüssen wird bei konstanter Prämie die Todesfalleistung aufgestockt. Die Beispielrechnungen der Versicherer werden aber nur für zwei Jahre garantiert. Daher ist es gefährlich, die Versicherungssumme so zu bemessen, dass genau der beabsichtigte Hinterbliebenenschutz gewährleistet ist. Die Risiko-Lebensversicherung ist vergleichsweise billig: Die Kapitallebensversicherung kostet etwa die zehnfache Prämie. Für die Risiko-Police muss ein 30 Jahre alter Mann bei 100 000 € Versicherungssumme und einer Laufzeit von 30 Jahren zwischen 17 und 35 € im Monat zahlen, eine gleichaltrige Frau zwischen 15 und 25 €. Günstige Versicherer sind Cosmos, Dialog, Asstel, Futura, Hannoversche Leben, HUK-Coburg, HDI, Equitable Life und DA Deutsche Allgemeine.