Alle Krankenversicherungen – ob gesetzlich oder privat – haben bei ihren Leistungen Abgrenzungsprobleme. Ist eine kosmetische Operation oder eine Abmagerungskur eine Heilbehandlung? – Ist eine bestimmte Therapie oder die Verschreibung eines Medikaments medizinisch notwendig? – Liegt ein Pflege- oder Krankheitsfall vor? – Hier wird es immer wieder Streitfälle geben, die – wenn möglich – vor den Behandlungen mit allen Beteiligten, dem Arzt, dem Krankenhaus und der Krankenkasse geklärt werden sollten. Bei Einweisung in ein Krankenhaus wird in der Regel der Arzt darauf achten, dass diese Anstalt mit Krankenkassen in einem Vertragsverhältnis steht. Lehnt die Kasse bestimmte Leistungen ganz oder teilweise ab, kann man sich an ihre Widerspruchsstelle wenden. Diese erteilt dann einen schriftlichen Bescheid, der bei weiterer Ablehnung Angaben über Klagefristen und das zuständige Sozialgericht enthält. Aber solche Streitigkeiten, die letztlich vor Medizinern entschieden werden, sind große Ausnahmen. Das Gros der Leistungsfälle wird reibungslos reguliert. Die Auf-sicht über gesetzliche Krankenversicherungen führt das Bundesversicherungsamt, Villemombler Str. 76, 53123 Bonn; Tel. 02 28/61 90.
Mit der Gesundheitsreform hatten sich ab 1989 einige Veränderungen im Versicherungs-, Beitrags- und Leistungsrecht der Krankenkassen ergeben. Dazu gehören vor allem mehr Selbstbeteiligungen der Versicherten und die Einführung von Festbeträgen, bis zu denen z. B. Arzneimittel oder Brillen ersetzt werden. Außerdem wurden Zuzahlungen eingeführt, die der Versicherte bei bestimmten Leistungen selbst erbringen muss, z. B. bei Fahrtkosten, Heilmitteln und Zahnersatz. Durch Sozial- und Überforderungsklauseln soll andererseits verhindert werden, dass sozial Schwache durch Zuzahlungen zu sehr belastet werden. So sind Versicherte mit einem niedrigen Einkommen von der Zuzahlung für Zahnersatz, für stationäre Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen, für Arznei- und Heilmittel sowie für Fahrtkosten vollständig befreit.
Die Einkommensgrenze liegt für Alleinstehende bei 40 Prozent der monatlichen Bezugsgröße (2001: 40 Prozent von 2290 Euro = 916 Euro), für Personen mit einem Angehörigen bei einem Haushaltseinkommen von 55 Prozent der monatlichen Bezugsgröße (2001: 1 260 Euro), bei Verheirateten mit einem Kind: 65 Prozent der monatlichen Bezugsgröße (2001: 1489 Euro) und bei Verheirateten mit zwei Kindern: 75 Prozent der monatlichen Bezugsgröße (2001: 1738 Euro). Für jeden weiteren Angehörigen werden 229 Euro berücksichtigt. Dabei werden Kindergeld, Erziehungsgeld, BAföG, Wohngeld usw. nicht mitberechnet. Von den Zuzahlungen befreit sind Kinder des Versicherten bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, denen Leistungen im Rahmen der beitragsfreien Familienversicherung gewährt werden, weibliche Versicherte und mitversicherte weibliche Familienangehörige für Verordnungen im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge und der Mutterschaftshilfe, Arbeitsunfallverletzte für Verordnungen im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung, Mitglieder, die aufgrund ihres anerkannten Versorgungsleidens Arznei-, Verband- und Heilmittel benötigen.
Für alle Versicherten wurde die Überforderungsklausel eingeführt. Das ist ein neues Element der sozialen Gerechtigkeit: Diese Härtefallregelung verhindert nicht nur bei der einzelnen Zuzahlung eine zu starke finanzielle Belastung des Versicherten, sie berücksichtigt auch die Gesamtbelastung, die sich aus wiederholten Zuzahlungen im Laufe eines Jahres ergibt. Die Kasse kann in Härtefällen von den Zuzahlungen befreien, wenn der Versicherte hierdurch unzumutbar belastet würde. Als unzumutbar belastet gelten dabei Versicherte, deren Einnahmen zum Lebensunterhalt monatlich (2001) 926,20 Euro nicht übersteigen. Diese Einkommensgrenze erhöht sich für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um 343,60 Euro und jeden weiteren mitversicherten Familienangehörigen um 229 Euro. Den Einnahmen des Versicherten sind die Einnahmen des Ehegatten und der mitversicherten Familienangehörigen hinzuzurechnen. Von dieser Regelung werden auch erfasst: Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge, Bezieher von Arbeitslosenhilfe und Ausbildungsförderung sowie Heimbewohner, deren Unterbringungskosten von der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge getragen werden. Ferner gelten die oben beschriebenen Sozial- und Überforderungsklauseln. Die Befreiungsregelung ist auch besonders wichtig für chronisch Kranke und alte Menschen, die häufiger Leistungen in Anspruch nehmen müssen. Die Überforderungsklausel beschränkt die Zuzahlung bei Arznei- und Verbandmitteln, bei Heilmitteln sowie für Fahrtkosten auf zwei Prozent der jährlichen (Familien-)Bruttoeinnahmen.
Bei der Ermittlung dieser Grenze sind die jährlichen Bruttoeinnahmen vorab für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um 15 Prozent der jährlichen Bezugsgröße (2001: 15 Prozent von 27487 Euro = 4 123 Euro) und für jeden weiteren im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um zehn Prozent der jährlichen Bezugsgröße (2001: 2749 Euro) zu vermindern. Allerdings werden alle Bruttoeinnahmen der im gemeinsamen Haushalt Lebenden zusammengerechnet. Für chronisch kranke Versicherte, die wegen derselben Krankheit laut ärztlicher Bescheinigung in Dauerbehandlung sind und mindestens ein Jahr lang Zuzahlungen in Höhe von mindestens einem Prozent der (Familien-)Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt aufbringen mussten, entfallen die o. g. Zuzahlungen nach Ablauf des ersten Jahres für die weitere Dauer dieser Behandlung. Diese Befreiungsregelung gilt allerdings nur für den chronisch Kranken selbst; für den übrigen Familienverbund gilt die o. g. Zwei-Prozent-Grenze. Die Krankenkassen geben Quittungshefte heraus, in denen die Zuzahlungen vermerkt werden können.
Die gesetzliche Krankenversicherung | 457 |
Zuzahlungen auf einen Blick | |
Leistungsart | Zuzahlung |
Arztbehandlung | keine |
stationäre Krankenhausbehandlung | 8,70 |
Hilfsmittel Kompressionstherapie, | 20% |
Einlagen, Bandagen | |
Zahnersatz | 35-50 % * |
Kieferorthopädie für Kinder | 20 % Erstkind, bei |
weiteren Kindern 10 % | |
Arzneimittel | |
Packungsgröße N 1 (klein) | 4,10 |
Packungsgröße N 2 (mittel) | 4,60 |
Packungsgröße N 3 (groß) | 5,10 |
Heilmittel | 15 % |
Fahrtkosten bei stationärer Behandlung. | 12,80 |
* 10 %-l5 % Bonus bei regelmäßiger Zahnkontrolle