Wenn Rücktritts- oder Widerspruchsfristen bereits verstrichen sind, können Kapital-Lebens- und private Rentenversicherungen jederzeit gekündigt werden. Meistens gilt: Je eher, desto besser! So meinte schon vor Jahren auch Capital: Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Aber – bei fast allen Gesellschaften sind die ersten Jahresbeiträge voll verloren (bei Riester-Verträgen wegen der ab 2002 vorgeschriebenen Verteilung der Abschluss- und Vertriebskosten auf zehn Jahre nur teilweise). Allerdings werden die Versicherer nach einem neuen Urteil des Bundesgerichtshofs in Zukunft und wohl auch für bereits abgerechnete Verträge höhere Rückkaufswerte (nach-)zahlen müssen. Hierüber kann man sich beim Bund der Versicherten (BdV) informieren.
Wichtig ist: Im Falle der Kündigung alle Unterlagen wegen eventueller Nachforderungen (zu denen der BdV für nach 1994 abgeschlossene Verträge Musterprozesse führt) kopieren und sorgfältig aufbewahren. Es ist ein Selbstbetrug zu glauben, durch Weiterführung der Lebensversicherung das eingezahlte Geld retten zu können. Sie würden den Verlust nur über eine längere Zeit strecken. Auch die Veränderung oder Umwandlung einer Lebensversicherung wird in der Regel wie eine Aufhebung des alten und Abschluss eines neuen Vertrages behandelt, wobei die in die alte Versicherung eingezahlten Beiträge (abzüglich der ersten Jahresbeiträge) in die neue Versicherung eingerechnet werden. Es geht also vor allem darum, in der Zukunft und auf Dauer nicht noch mehr Geld zu verlieren.
Bei Kündigung zu beachten
Wenn Sie durch die Aufhebung Ihrer Lebensversicherung Verluste erleiden, finden Sie sich nicht damit ab, dass Sie Opfer eines legalen Betrugs geworden sind. Es kann sein, dass Sie später aufgrund von Gerichtsentscheidungen noch Nachforderungen stellen können. Also unterschreiben Sie keine Abrechnung, die Ihnen bei der Vertragsaufhebung von Ihrer Gesellschaft vorgelegt wird. Sie müssen zwar die Originalpolice bei einer Vertragsaufhebung zurückschicken, sollten aber aus Beweisgründen alle Unterlagen fotokopieren und sorgfältig aufbewahren. Der Bund der Versicherten führt bereits Musterprozesse um die Rückkaufswertregelung und um die zu niedrige Überschussbeteiligung. Professor Jürgen Basedow, Kommentator des AGB-Gesetzes (Münchener Kommentar), hat 1992 in einem Rechtsgutachten die Meinung vertreten, dass alle Lebensversicherten höhere Auszahlungen verlangen können – auch als Nachschlag zu früher abgelaufenen oder vorzeitig gekündigten Verträgen.
Es sei bei einer vertraglich vorgesehenen jährlichen Kündigungsmöglichkeit unzulässig, dass bei einer Kündigung nach ein oder zwei Vertragsjahren die üblichen hohen Abschlusskosten berechnet würden, der Versicherte also oft kein Geld zurückerhalte (Verstoß gegen § 10 Nr. 7 AGBG). Hinzu komme, dass der Versicherte bei Antragstellung darüber nicht in genügend konkreter Form informiert worden sei (Verstoß gegen das Transparenzgebot, so auch der BGH im Jahre 2001). Klauseln des Lebensversicherungsvertrages, die den Anspruch auf Überschuss-beteiligung nur auf den bilanziell ausgewiesenen Rohüberschuss beschränkten und nicht die tatsächlichen Vermögenswerte einbezögen, seien ebenfalls wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam (nach § 9 AGBG). An die Stelle der unwirksamen Über- schussbeteiligungs-Regelung müsse ein Anspruch auf Beteiligung an den tatsächlichen Vermögenswerten, Erträgen und Überschüssen treten (so in 1991 bereits das OLG Nürnberg).
Die bei vorzeitiger Kündigung einbehaltenen Beträge überstiegen bei weitem das, was die Gerichte sonst zur Höhe so genannter Rückabwicklungspauschalen entschieden haben. Bei vorzeitiger Kündigung dürften – wie in anderen Wirtschaftszweigen – höchstens 20 Prozent des ersten Jahresbeitrages einbehalten werden. Bei der Überschussbeteiligung der Lebensversicherten dürften Abschreibungen nicht berücksichtigt werden, sondern müssten die tatsächlichen Werte – z. B. von Grundstücken und Wertpapieren – angesetzt werden, die 200 Milliarden Euro höher liegen als die Buchwerte der Kapitalanlagen aller Versicherungsunternehmen. Geld genug ist also vorhanden für Nachzahlungen. Millionen Lebensversicherte könnten danach Milliardenbeträge von ihren Gesellschaften zurückverlangen – notfalls im Klagewege (den der Bund der Versicherten bereits beschritten hat). Dann müssten die unwirksamen Klauseln durch Gerichte im Wege der Vertragsauslegung ersetzt werden.
Die normale Verjährungsfrist für Nachforderungen beträgt fünf Jahre. Es kann aber auch die 30-jährige Frist für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gelten.
Mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Auszahlung fällig war, beginnt nach § 12 WG eine fünfjährige Verjährungsfrist zu laufen. Ansprüche aus Verträgen mit in 2000 fällig gewesenen Auszahlungen verjähren danach am 31. 12. 2005. Droht ein Fristablauf, können Sie unter Hinweis auf die BdV-Verfassungsbeschwerde (BVerfG 1 BvR 80/95) Ihre Gesellschaft bitten, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. Wenn Ihre Gesellschaft den Verzicht nicht erklärt, können Sie die Verjährung nur mit einer Klage unterbrechen, die Sie als Stufenklage (1. auf Auskunft, 2. auf Nachzahlung) zunächst beim Amtsgericht erheben sollten mit dem Antrag, das Verfahren bis zur Entscheidung über die BdV-Verfahren auszusetzen.
Eine zweite 30-jährige (!) Verjährungsfrist könnte sich aus § 812 ff. BGB ergeben, wenn die Gerichte feststellen sollten, dass sich Lebensversicherungsunternehmen ungerechtfertigt am Versichertengeld bereichert haben. Sie müssen bei einer Vertragskündigung in den ersten zwölf Jahren auf die Erträge (also nicht auf den gesamten Rückkaufswert) Kapitalertragssteuer in Höhe von 25 Prozent zahlen, die Sie aber über den Lohnsteuerjahresausgleich oder Ihre Einkommensteuererklärung später erstattet bekommen, wenn die Überschussanteile die Freigrenzen (1550 Euro für Ledige, 3 100 Euro für Ehepaare) nicht übersteigen.