Kostenübernahme von Hilfsmitteln
Als Kostenträger für Hilfsmittel kommen vor allem entweder die Krankenkassen oder die Pflegekassen in Betracht.
Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Hilfsmittel, „die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen (…)“, so steht es im § 33, Abs. 1 SGB V-Krankenversicherung.
Die Pflegekassen übernehmen die Kosten für Pflegehilfsmittel, „die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen (…)“ (§ 40, Abs. 1 SGB XI). Wenn Sie ein Hilfsmittel benötigen, erkundigen Sie sich beim Sanitätsfachhandel über die verschiedenen Möglichkeiten und Ausführungen.
Wenn Sie wissen, was Sie benötigen, sprechen Sie mit Ihrem Arzt über eine mögliche Verordnung und achten Sie dabei darauf, dass das gewünschte Hilfsmittel von ihm konkret bezeichnet wird. In vielen Fällen ist das Sanitätsfachgeschäft auch bei der Kostenklärung behilflich. Reichen Sie die Verordnung mit einem formlosen Antrag bei Ihrer Kranken- oder Pflegekasse ein. Um keine unliebsamen Überraschungen zu erleben, sollten Sie sich vor Abschluss eines Kaufvertrages in jedem Fall über die Höhe der selbst zu leistenden Zuzahlung sicher sein, das heißt, den Bescheid der Kranken- bzw. Pflegekasse abwarten.
Hilfsmittel als Leistungen
Aus der schlichten Lebenspraxis der Pflege ergibt sich die enorme Bedeutung der Hilfsmittel für die Möglichkeiten eines behinderten Menschen, trotz der bestehenden Einschränkungen ein möglichst normales Leben zu führen, also vielleicht sogar einer Beschäftigung nachzugehen, in der eigenen Wohnung zu leben, Freizeitaktivitäten wahrzunehmen und vieles andere mehr. Im Alltag behinderter Menschen spielen Hilfsmittel unzweifelhaft eine große Rolle. Das passende Hilfsmittel rechtzeitig zu bekommen, ist aber nicht immer ganz einfach.
Das hängt zunächst einmal damit zusammen, dass Hilfsmittel zur Rehabilitation
behinderter Menschen beitragen und damit allein schon in die Zuständigkeit von sieben verschiedenen Rehabilitationsträgern fallen können. Nach dem am 1.7.2001 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch 9 (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen zählen dazu unter anderem die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, aber auch die Sozialhilfe. Die Pflegeversicherung ist nicht einbezogen, dennoch stellt auch sie Hilfsmittel im Kontext von Pflegebedarf zur Verfügung. Da vor allem schwer und mehrfach behinderte Menschen häufig auch pflegebedürftig sind, sind diese Leistungen wichtig.
Obwohl das SGB IX unterschiedliche Rehabilitationsträger anspricht, enthält es in § 31 einen einheitlichen Hilfsmittelbegriff für alle diese Träger:
§31 Hilfsmittel
(1) Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) … umfassen die Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um
1. einer drohenden Behinderung vorzubeugen,
2. den Erfolg einer Heilbehandlung sicherzustellen oder
3. eine Behinderung bei der Befriedigung der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind.
Um diese Bedürfnisbefriedigung auf jeden Fall auch für behinderte Menschen sicherzustellen, sieht die höchstrichterliche Rechtsprechung es als Aufgabe der Krankenversicherung an, in solchen Fällen Hilfsmittel mit dem Ziel einer Existenzsicherung des Versicherten zu gewähren. So steht es nun auch ausdrücklich in § 31 SGB IX, galt und gilt aber schon seit langem in diesem Sinn auch im Krankenversicherungsrecht. Diese Aufgabenzuweisung gegenüber den Krankenkassen macht Sinn, denn ein Schwerstkörperbehinderter Mensch kann die Toilette manchmal ohne eine spezielle Zurüstung, wie zum Beispiel eine WC-Automatik, nicht benutzen. Der besondere Toilettensitz oder die Automatik gleichen die körperliche Behinderung eigentlich nicht aus, sie gestalten nur die Wohnung und deren Einrichtungsgegenstände so um, dass die Folgen der Behinderung ausgeglichen werden. Streng nach dem Wortlaut des Gesetzes müsste die Kasse die Finanzierung des Toilettensitzes also ablehnen. Sie wird das aber nicht tun, weil hier die elementare Körperpflege und das existenzielle Bedürfnis nach selbstständiger Ausscheidung erfüllt werden.
Ebenso wird die Kasse zum Beispiel Hilfsmittel stellen, die eine Nahrungsaufnahme ermöglichen, wenn diese nur durch das Hilfsmittel ermöglicht wird. Zu den existenziellen Bedürfnissen gehören nach der Rechtsprechung alle alltäglichen existenziellen Verrichtungen und last not least die Schaffung eines gewissen körperlichen Bewegungsfreiraumes: So ermöglicht die Treppenraupe das Verlassen der Wohnung, der Blindenhund die Teilnahme am Straßenverkehr, ein Farberkennungsgerät die Orientierung über den Sehsinn. Allerdings geht es hier nur um eine Basissicherung, nicht darum, zum Beispiel Freizeitsport mit Hilfe eines Hilfsmittels treiben zu können.
Das Bundessozialgericht geht aber sogar noch weiter. Es sieht eine existenzsichernde Aufgabe der Krankenkassen darin, dem Versicherten einen gewissen geistigen Bewegungsspielraum und ein Mindestmaß an Kommunikation zu eröffnen. Zum geistigen Bewegungsspielraum gehört vor allem die Möglichkeit zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses, zum Beispiel mit Hilfe eines Lese- oder eines Blattwendegeräts. Kommunikation und gesellschaftliche Teilhabe erfordern unter anderem die Möglichkeit zur Verständigung, was zum Beispiel bei Sprachbehinderten durch ein Kopfschreibgerät geschehen kann, bei einem gelähmten Menschen wiederum ein Rollstuhl, der die genannten Tätigkeiten tatsächlich auch möglich macht. Was dazu erforderlich ist, hängt vom Einzelfall ab. Es ist damit leider nicht möglich, aus der Hilfsmittelversorgung eines Menschen mit einer ähnlicher Behinderung wie der eigenen auf einen Rechtsanspruch auf ebensolche Hilfsmittel zu schließen.
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens
Windeln sind ein sehr komplexes Beispiel für ein derartiges Hilfsmittel, weil sie in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Aufgaben haben, was für die Zuständigkeit der Leistungsträger entscheidend ist. So wird zum Beispiel die Krankenkasse einem Säugling, mag er auch noch so behindert sein, die Windeln nicht finanzieren. Einem Jugendlichen hingegen, der unter Inkontinenz leidet, werden sie den regelmäßigen Sonderschulbesuch erst ermöglichen und somit (laut Rechtsprechung des Bundessozialgerichts) in vollem Umfang von den Krankenkassen zu zahlen sein.
Der Hilfsmittelbegriff des SGB IX und des Krankenversicherungsrechts schließt nämlich die Leistungspflicht für „Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens“ aus. Für solche Gegenstände, die unabhängig vom Bestehen einer Behinderung üblicherweise im Haushalt vorhanden sind, soll die Versichertengemeinschaff nicht herangezogen werden. Unzweifelhaft sind Windeln im Säuglingsalter ebenso Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Das Gleiche gilt etwa für Wärmflaschen, Bettwäsche, Haushaltsgeräte, Telefone oder Personalcomputer. Zu solchen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehören inzwischen auch durchaus kostenintensive Gegenstände, wie zum Beispiel der altengerechte Fernsehsessel mit automatischer Aufsteh- und Heizfunktion.
Schwierig wird die Situation bei Gegenständen mit einer Doppelnatur. Was ist zum Beispiel mit einem Gebrauchsgegenstand wie dem Anorak, der wegen der Rollstuhlpflichtigkeit des Trägers in besonderer und sehr kostenintensiver Weise rollstuhlgerecht gefertigt sein muss? Dieselben Überlegungen kann man anstellen für die orthopädischen Schuhe, das Schreibtelefon und vieles andere mehr. Eine besondere Position haben die Fahrräder. Ein Tandem-Therapiefahrrad, das die Mitnahme eines geistig und körperlich behinderten Kindes auf Familienausflügen ermöglicht, wurde als Hilfsmittel zur Existenzsicherung anerkannt. Dagegen wurde ein solches Rad in einem anderen Gerichtsverfahren gegenüber einem ebenso behinderten Kind abgelehnt, weil es dort nur darum ging, in der Freizeit Rad fahren zu können, ohne dass der Integrationsaspekt eine Rolle spielte.
Den Zugang zu eingegrenzten Lebensbereichen zu ermöglichen, ist eben nicht Aufgabe der Krankenkasse. Bei ihr muss es grundsätzlich um eine Existenzsicherung gehen. Kommunikation und Gemeinschaft mit anderen zu haben, ist nach Auffassung der Rechtsprechung besonders für Kinder und Jugendliche von Bedeutung. Deshalb wurde zum Beispiel ein Rollstuhl-Boy (mechanische Zugvorrichtung) einem Jugendlichen zuerkannt, der nach Auffassung des Bundessozialgerichts auf diese Weise in den Kreis gleichaltriger Kinder einschließlich seiner Geschwister zu integrieren war. Das Gericht sagt wörtlich: „Bei Kindern und Jugendlichen zählt auch die Möglichkeit, spielen bzw. allgemein an der üblichen Lebensweise teilnehmen zu können, als Bestandteil des sozialen Lernprozesses“, den es als existenziell anerkennt. Auch ein für die Teilnahme am Schulbesuch notwendiger PC oder die für den Turn- und Sportunterricht notwendige Sportbrille hat das Bundessozialgericht der Leistungspflicht der Krankenkasse zugerechnet.
Bei Erwachsenen gehört die Ausstattung mit einem behindertengerechten Fahrrad nicht mehr zur Existenzsicherung, aber ein schwenkbarer Autositz kann nach der Rechtsprechung sehr wohl dazu gehören, wenn der Betroffene sein Auto anders nicht besteigen kann und dieses für die existenzielle Bedürfnisbefriedigung benötigt. Man muss nur im Blick behalten, dass es hier letztlich immer um eine Basissicherung geht, nicht um eine Ausstattung, mit der ein behinderter Mensch mit einem Nichtbehinderten „gleichziehen“ kann. Wenn es nicht mehr darum geht, über die Benutzung eines Pkw überhaupt am Gesellschaftsleben teilzunehmen, sondern zum Beispiel ein Querschnittsgelähmter sein Auto so umgebaut haben möchte, dass er es wieder ohne fremde Hilfe selbst fahren kann, dann überschreitet das nach der Rechtsprechung den Rahmen der Basisversorgung bei der Existenzsicherung.
In allen diesen Fällen, in denen die benötigten Hilfsmittel eine Doppelnatur als Hilfsmittel und als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens haben, kann ein Eigenanteil des Versicherten verlangt werden, den dieser aus dem eigenen Einkommen und Vermögen aufzubringen hat, wenn davon auszugehen ist, dass er sich auch ohne das Bestehen einer Behinderung diesen Gegenstand als allgemeinen Gebrauchsgegenstand gekauft hätte; in diesem Kostenumfang ist dann die Beteiligung festzusetzen.
Abgrenzung der Zuständigkeit von Kranken- und Pflegekasse
Bei Bettlägerigen dienen Inkontinenzhilfen gelegentlich der Sicherung einer ärztlichen Behandlung. Dies ist die zweite Alternative neben dem Behinderungsausgleich, den das Gesetz als Fall für die Versorgung mit Hilfsmitteln durch die Krankenkasse vorsieht. Eine Behandlungssicherung läge hier zum Beispiel vor, wenn durch langes Liegen ein Dekubitus, also eine tiefe Wunde in der Haut, entstanden wäre. Mit ärztlicher Behandlung soll der Dekubitus bekämpft und ein erneutes Entstehen bzw. eine eventuelle Ausweitung der bestehenden Wunde verhindert werden. Diese Behandlung kann durch Inkontinenzartikel gesichert werden. Das bloße Verhindern eines Einnässens im Bett ist aber unter Behandlungsgesichtspunkten unerheblich. Der Einsatz von Windeln bedeutet insoweit auch keinen Behinderungsausgleich, denn es werden ja nicht die ausgefallenen Funktionen von Schließmuskeln übernommen, sondern es werden nur die Folgen der Behinderung – das Einnässen auf Grund der Inkontinenz – ausgeglichen.
123Vesicherung rät: Jeder Fall ist anders, und gerade auf die Einzelheiten kommt es möglicherweise an. Deshalb ist eine ausführliche Schilderung des Sachverhalts wichtig und ebenso eine genaue Bewertung des Vortrags durch den angegangenen Träger. Es geht nicht nur um die Prüfung, ob die eigene Zuständigkeit gegeben ist. Zugleich ergeben sich vielleicht auch erste Hinweise darauf, dass zumindest ergänzend ein anderer Träger mit ins Spiel kommt. Die Beteiligten sollten die Zeit haben, wirklich auf alles einzugehen, was jedem von ihnen wichtig erscheint. Ob eine Freizeitbeschäftigung wie das Radfahren existenznotwendig, behinderungsbedingt erforderlich oder nur als persönliche Vorliebe ohne sozial(hilfe) rechtliche Relevanz einzustufen ist, das muss im Einzelfall erst festgestellt werden.