Ein Unfall kann jeden treffen, und zwar überall – während der Arbeitszeit, zu Hause, im Urlaub. Die Statistik spricht eine deutliche Sprache: Rund acht Millionen registrierte Unfälle ereignen sich pro Jahr in Deutschland. Anders ausgedrückt: Alle vier Sekunden verunglückt ein Mensch. Die gesetzliche Unfallversicherung zahlt jedoch nur dann, wenn der Unfall beispielsweise im Kindergarten, in der Schule, in der Universität oder jeweils auf dem Weg dorthin passiert. Für Unfälle im privaten Bereich und in der Freizeit sollten Sie daher eine private Unfallversicherung abschließen.
Was leistet die private Unfallversicherung?
Ob bei einem Unfall ein finanzieller Schutz besteht, hängt bei der gesetzlichen Unfallversicherung vom Zeitpunkt und vom Ort des Unfalls ab. Die gesetzliche Unfallversicherung schützt Kinder nur im Kindergarten, Schüler nur in der Schule und Studenten nur in der Universität beziehungsweise in allen diesen Fällen auf dem Weg dorthin oder von dort nach Hause. Schon bei Umwegen kann es Probleme geben. Berufstätige sind am Arbeitsplatz oder auf einer Dienstfahrt durch die Unfallversicherung des Arbeitgebers abgesichert.
In der übrigen Zeit hilft die gesetzliche Unfallversicherung nicht oder reicht nicht aus. Auch Personen, die keine Schüler oder nicht berufstätig sind wie zum Beispiel Hausfrauen, genießen keinen Schutz. Hier kann nur eine private Unfallversicherung vor den möglichen finanziellen Auswirkungen eines Unfalls schützen. Die meisten Unfälle ereignen sich ohnehin im häuslichen Bereich und in der Freizeit. Und selbst wenn die gesetzliche Unfallversicherung zahlt: Die Summen sind eher bescheiden.
Sinnvoll ist eine solche Police für:
• Kinder
• Jugendliche und junge Erwachsene in der Ausbildung
• Schüler und Studenten
• Hausfrauen und Hausmänner
• Selbstständige und Freiberufler
• Rentner
• Menschen mit bestimmten Risikoberufen wie Sprengmeister
• Menschen, die aufgrund von Erkrankungen keine oder nur eine sehr teure
Berufsunfähigkeitsversicherung bekommen
Für Berufstätige ist die private Unfallversicherung allenfalls ein Zusatzschutz zu der viel wichtigeren Berufsunfähigkeitsversicherung, denn als Absicherung gegen Berufsunfähigkeit ist eine Unfallversicherung nur bedingt geeignet. Schließlich ist nur jede zehnte Berufsunfähigkeit die Folge eines Unfalls. Verglichen mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung hat eine Unfallversicherung allerdings zwei Vorteile: zum einen die höhere Sicherheit, dass der Versicherer wirklich zahlt; zum anderen ist sie deutlich billiger.
Wie viel zahlt die Unfallversicherung?
Eine Unfallversicherung zahlt – gestaffelt nach dem Grad der Invalidität – den vorher vereinbarten Einmalbetrag. Die volle Versicherungssumme plus eventueller Progression wird jedoch nur bei 100 Prozent Invalidität gezahlt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand durch einen Unfall komplett das Augenlicht verliert. Wenn eine dauernde Behinderung von nur 70 Prozent ermittelt wird, werden auch nur 70 Prozent fällig. Die Invalidität muss auch noch ein Jahr nach dem Unfall bestehen und von einem Arzt bescheinigt werden. Deshalb wartet die Versicherung erst einmal ab, bis sie zahlt, und hofft in dieser Zeit auf Abheilung.
Eine sogenannte Gliedertaxe (siehe Übersicht auf der nächsten Seite) führt auf, welchen Invaliditätsgrad der Verlust bestimmter Gliedmaßen bedeutet. Die Übersicht zeigt zugleich, wie viel die Versicherung bei Verlust bestimmter Gliedmaßen zahlt.
Die Gliedertaxe
Arm | im Schultergelenk | 70% |
bis oberhalb des Ellenbogengelenks | 65% | |
unterhalb des Ellenbogengelenks | 60% | |
Hand | im Handgelenk | 55% |
Finger | Daumen | 20% |
Zeigefinger | 10% | |
anderer Finger | 5% | |
Bein | über der Mitte des Oberschenkels | 70% |
bis Mitte des Oberschenkels | 60% | |
bis zur Mitte des Unterschenkels | 50% | |
Fuß | im Fußgelenk | 40% |
Zehen | große Zehe | 5% |
andere Zehe | 2% | |
Augen | beide Augen | 100% |
ein Auge | 50% | |
Ohr | Gehör auf beiden Ohren | 60% |
Gehör auf einem Ohr | 30% | |
Geruchssinn | 10% | |
Geschmackssinn | 5% |
Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.
Der Verlust eines Daumens zum Beispiel bedeutet eine 20-prozentige Teilinvalidität. Folglich werden auch nur 20 Prozent der Versicherungssumme gezahlt. Fehlen mehrere Gliedmaßen, werden die Grade zusammengezählt, bis zu maximal 100 Prozent. Die komplette Gliedertaxe ist in den Versicherungsbedingungen aufgeführt. Sie weicht mitunter von den Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ab, manche Unternehmen zahlen auch mehr. Besondere Bedingungen gibt es bei manchen Versicherern für Angehörige von Heilberufen oder Musikern. Da werden beim Verlust eines Fingers auch mal 60 oder sogar 100 Prozent Invalidität angenommen. Manche Anbieter zahlen in bestimmten Tarifen auch für kosmetische Operationen.
Lässt sich der Grad der Invalidität nicht feststellen, wird zugrunde gelegt, inwieweit die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit durch den Unfall auf Dauer beeinträchtigt ist.
Achtung!
Gebrechlichkeit als Ursache eines Unfalls wirkt leistungsmindernd, das heißt, es wird weniger gezahlt. Gar nicht gezahlt wird gewöhnlich bei dauernd Pflegebedürftigen oder Geisteskranken – sodass sich in diesen Fällen der Abschluss einer Unfallversicherung erübrigt.
Wie viel kostet eine Unfallversicherung?
Die Kosten einer privaten Unfallversicherung ergeben sich in erster Linie aus der vereinbarten Versicherungssumme. Die Versicherungssumme für den Fall der Invalidität können Sie nach Alter und Bruttojahreseinkommen nach folgender Faustregel berechnen: mit 30 Jahren das fünffache Jahreseinkommen, mit 40 Jahren das Vierfache und mit 50 Jahren das dreifache.
In der privaten Unfallversicherung werden zwei Gefahrengruppen unterschieden: In der Gefahrengruppe A finden sich alle Männer mit nicht körperlich tätigen Berufen (zum Beispiel kaufmännische Tätigkeit) sowie alle berufstätigen Frauen. In der – teureren – Gefahrengruppe B finden sich die Männer wieder, die körperlichen (zum Beispiel Handwerker) oder gar gefährlichen Berufen nachgehen. Für besonders gefährliche Berufe werden zusätzlich Risikozuschläge verlangt.
Beispiel
Wenn Sie beispielsweise eine kaufmännische Tätigkeit ausüben und zur Gefahrengruppe A gehören, kosten bei einem günstigen Versicherer 200000 Euro Versicherungssumme für den Fall der Vollinvalidität (mit 225 Prozent Progression, siehe weiter unten) und mit 25000 Euro Todesfallleistung jährlich rund 145 Euro.
Gefahrengruppe B: Hier ist die gleiche Versicherungssumme von 200000 Euro, 25000 Euro Todesfallleistung und 225 Prozent Progression ab einem Jahresbeitrag in Höhe von etwa 220 Euro zu bekommen. Noch günstiger sind jeweils die Angebote für Mitglieder beim Bund der Versicherten.
Achtung!
Wenn Sie den Beruf wechseln, müssen Sie das dem Unternehmen unverzüglich mitteilen. Unter Umständen ändert sich dadurch Ihre Gefahrengruppe. Auch Versicherte, die zum Wehrdienst eingezogen werden, müssen dies dem Versicherer anzeigen.
Was bedeutet Progression bei der Unfallversicherung?
Ohne Progression erfolgt die Invaliditätsleistung prozentual nach dem Grad der Invalidität. Wenn Sie eine Progression vereinbaren, heißt das, dass Sie ab einem bestimmten Invaliditätsgrad progressiv mehr Geld erhalten als laut Versicherungssumme fällig wäre.
Beispiel
Bei einer Invaliditäts-Grundsumme von 100000 Euro würden bei einer Progression von 225 Prozent und einer Vollinvalidität 225000 Euro fällig. Das entspricht etwa einer Monatsrente zwischen 1 000 und 1 200 Euro.
Grundsätzlich ist die Progression zu empfehlen. Am Markt finden sich Tarife mit bis zu 500 Prozent Progression. Aber: Manche Unternehmen bieten spürbare Steigerungen in der Auszahlungssumme erst bei sehr hohen Invaliditätsgraden an. Das fällt dann unter die Kategorie Mogelpackung, denn die meisten schweren Unfälle haben einen Invaliditätsgrad von nur 30 bis 50 Prozent zur Folge. Achten Sie daher darauf, dass die Progression bereits bei einem Invaliditätsgrad von 25 oder 26 Prozent beginnt und spürbar ansteigt. Ansonsten wäre es sinnvoller, eine höhere Versicherungssumme abzuschließen.
123Versicherung Ratgeber Tipp
Wenn Sie über eine ausreichende Berufsunfähigkeitsversicherung (siehe dort) verfügen, können Sie auf die Progression verzichten: Denn die BU-Versicherung zahlt gewöhnlich ab einer Berufsunfähigkeit von 50 Prozent – das ist auch eine Art Progression zur Unfallversicherung.
ist eine Dynamik sinnvoll?
Manche Unternehmen bieten auch den Abschluss einer dynamischen Steigerung der Versicherungssumme an. Das verteuert natürlich entsprechend die Jahresbeiträge. Zudem nimmt der Bedarf aus Versicherungszahlungen mit steigendem Alter eher ab als zu, zumal auch Gehalt, eigenes Vermögen und Rentenansprüche mit dem Alter gewöhnlich zunehmen.
123Versicherung Ratgeber Tipp
Zusammenfassend können wir Ihnen daher empfehlen: vernünftige Progression ja, Dynamik nein. Besser ist, von Beginn an eine höhere Summe zu vereinbaren.
Spezielle Unfallversicherungen
Wenn hier von der privaten Unfallversicherung gesprochen wird, meinen wir die allgemeine Unfallversicherung. Daneben gibt es noch weitere spezielle Unfallversicherungen:
Freizeitunfallversicherung Die Freizeitunfallversicherung leistet nur für Unfälle außerhalb des Berufs.
Insassenunfallversicherung Die Insassenunfallversicherung soll die Insassen eines Autos schützen, ist aber überflüssig.
Spezielle Verkehrsmittelunfallversicherung Spezielle Verkehrsmittelunfallversicherungen versichern die Folgen der Benutzung bestimmter Verkehrsmittel, wie zum Beispiel Flugzeugreisen.
Reiseunfallversicherung Die Reiseunfallversicherung versichert Unfälle nur auf Reisen, ist aber ebenfalls überflüssig, wenn man die allgemeine Police besitzt.
Kinderunfallversicherung Die Kinderunfallversicherung versichert Unfälle von Kindern, zum Teil auch Krankheiten. Umfassender sind noch die Kinderinvaliditätsversicherungen.
Unfallzusatzversicherung zur Lebensversicherung Eine Unfallzusatzversicherung zur Lebensversicherung bietet erhöhte Leistungen bei einem Unfalltod. Besser ist jedoch eine gute Risikolebensversicherung.
Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr Die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr ist eine allgemeine Unfallversicherung plus Sparvor- gang. Tatsächlich werden gewöhnlich nur die Sparanteile zurückgezahlt – meist mit mäßiger Verzinsung.
Weitere (mögliche) Leistungen der Unfallversicherung
Zusätzlich zu den generellen Leistungen einer privaten Unfallversicherung können Sie beim Vertragsabschluss weitere Leistungen vereinbaren. Hier sind die wichtigsten aufgelistet.
Übergangsleistung Sie können eine Übergangsleistung vertraglich festlegen (auf beispielsweise 10000 Euro), die als eine Art Vorschuss für die Zeit dient, bis die Gesellschaft Ihre Ansprüche auf die Versicherungsleistung geprüft hat. Sie wird fällig, wenn Sie nach einem halben Jahr noch zu mehr als 50 Prozent beeinträchtigt sind.
Todesfallleistung Innerhalb einer Unfallversicherung können Sie auch für den Todesfall eine Versicherungssumme vereinbaren. Wenn der Versicherte im ersten Jahr nach dem Unfall an dessen Folgen stirbt, erhalten die Hinterbliebenen die vereinbarte Todesfallsumme. Der Abschluss der Todesfallsumme ist oft die Bedingung dafür, dass bereits innerhalb eines Jahres während des Heilverfahrens die Invaliditätsleistung gezahlt wird.
Krankentagegeld Ähnlich wie bei der Krankenversicherung können Sie auch bei der Unfallversicherung zusätzlich ein Krankentagegeld abschließen – mit einem gravierenden Nachteil: Das Geld bekommen Sie nur nach einem Unfall! Deshalb ist es besser, eine Tagegeldversicherung über die Krankenversicherung abzuschließen. Der Schutz gilt dann nicht nur bei Unfällen, sondern auch bei Krankheiten (siehe auch Artikel Krankenversicherung).
Krankenhaustagegeld Ein vereinbartes Krankenhaustagegeld (sowie ein eventuell vereinbartes Genesungsgeld) wird für jeden Tag einer unfallbedingten stationären Krankenhausbehandlung gezahlt. Besser ist jedoch auch hier die Versicherung eines Krankengeldes über eine Krankenversicherung, denn das wird nicht nur bei stationärem Krankenhausaufenthalt und nicht nur bei Unfällen gezahlt.
Unfallrente Eine Unfallrente wird – sofern vereinbart – zusätzlich zu oder statt der einmaligen Versicherungssumme gezahlt. Meist wird sie aber erst ab einem Invaliditätsgrad von mindestens 50 Prozent gezahlt, dann allerdings ein Leben lang.
Weitere Leistungen, wie etwa die Erstattung von Bergungskosten, von Kosten einer kosmetischen Operation oder von Kurkosten nach einem Unfall, sind mitunter beitragsfrei mit eingeschlossen. Wenn nicht, fragen Sie nach den Zusatzkosten dafür, bevor Sie unterschreiben!
Was die Unfallversicherung nicht leisten
Um sich richtig zu verhalten oder um sich keine falsche Hoffnung auf einen finanziellen Ausgleich zu machen, ist es wichtig, dass Sie auch die Fälle kennen, die vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Die Unfallversicherung zahlt grundsätzlich nicht bei
• Unfällen infolge Trunkenheit oder einer Schlägerei,
• Infektionen, Vergiftungen oder Selbstmord,
• Unfällen, die durch Schlaganfall, Epilepsie oder andere Krampfanfälle hervorgerufen werden und den gesamten Körper ergreifen,
• Unfällen, die dem Versicherten beim Begehen einer vorsätzlichen Straftat zustoßen,
• Unfällen durch Teilnahme an Rennen mit Motorfahrzeugen aller Art oder sonstigen riskanten Sportarten (wie zum Beispiel Drachenfliegen),
• Unfällen durch Krieg, Kernenergie sowie innere Unruhen, wenn der Versicherungsnehmer aufseiten der Unruhestifter tätig war.
123Versicherung Ratgeber Tipp
Das Unfallrisiko bei riskanten Sportarten – wie zum Beispiel Drachenfliegen – können und sollten Sie bei Bedarf zusätzlich versichern.