Beispiel: Mehrere Jahre nach der unheilvollen Frontalkollision wird Alberto G. eine Rente der IV und der Unfallversicherung zugesprochen. Im Reglement seiner Pensionskasse liest er, dass auch diese eine Invalidenrente ausrichtet. Herr G. wundert sich, weshalb er noch nichts gehört hat. Auf seine direkte Nachfrage wird ihm erklärt, dass die Pensionskasse von der IV eine Kopie der Rentenverfügung erhalten habe. An sich bestehe zwar ein Anspruch auf eine Invalidenrente aus der beruflichen Vorsorge. Weil aber die IV und die Unfallversicherung mit ihren Renten bereits 90 Prozent des Lohnes erreichten, müsse die Pensionskasse wegen Überentschädigung nichts mehr zahlen. Die Risikobeiträge, die Alberto G. all die Jahre abgeliefert hat, nützen ihm jetzt also gar nichts.
Die Pensionskassen sind vor allem ein Teil der Altersvorsorge – sie bilden die zweite der berühmten drei Säulen AHV7IV, berufliche Vorsorge und private Vorsorge. Auch dieser Zweig der Sozialversicherungen ist nur den Erwerbstätigen zugänglich. Die berufliche Vorsorge wird über Lohnprozente finanziert und ist für Angestellte ab einem bestimmten Mindestlohn obligatorisch.
Wie die erste Säule (AHV/ IV) beinhaltet auch die zweite eine Deckung für Tod und Invalidität. Nach einem Unfall kommt die Pensionskasse allerdings erst an dritter Stelle: nach IV und Unfallversicherung. Und weil in den Sozialversicherungen Uber Entschädigung verboten ist, gibt es meist keine Leistungen aus der beruflichen Vorsorge. Viel wichtiger ist die Risikoversicherung über die Pensionskasse bei krankheitsbedingten Invalidität oder Todesfällen.
Geregelt ist die zweite Säule im Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge (BVG). Dieses Gesetz regelt nur das Minimum, das die Pensionskassen ihren Versicherten bieten müssen. Viele Vorsorgeeinrichtungen kennen weiter gehende, sogenannte überobligatorische Leistungen. Wer einer BVG-Minimalkasse angeschlossen ist und nur das gesetzliche Minimum an Leistungen erhält, muss sich auf eine magere Rente gefasst tauchen. Besser haben es Versicherte bei einer Vorsorgeeinrichtung, die auch überobligatorische Leistungen vorsieht. Der überobligatorische Bereich ist allerdings von Kasse zu Kasse unterschiedlich ausgestaltet. Am besten konsultieren Sie das Reglement oder fragen direkt bei der Pensionskasse nach.
Hinweis: ln diesem Versicherung-Ratgeber geht es in erster Linie um Unfall und damit um die Risikodeckung bei der Pensionskasse. Möchten Sie mehr wissen über Ihre Altersvorsorge, finden Sie alle Informationen in den beiden Beobachter-Ratgebern Pensionskasse – Vorsorge, Finanzierung, Sicherheit, Leistung und Richtig Vorsorgen – Finanziell gesichert in die Pensionierung (beobachter*ch/buchshop).
Wer ist obligatorisch versichert?
Die berufliche Vorsorge ist auf Angestellte zugeschnitten, also auf Erwerbstätige, die einer unselbständigen Arbeit nachgehen. Für sie besteht wie bei der IV und der Unfallversicherung ein Obligaterem. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass automatisch jede angestellte Person bei einer Pensionskasse versichert ist. Obligatorisch gehört einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge nur an, wer:
• einen Jahreslohn von mindestens 19 890 Franken hat (Stand 2007).
• für die Risiken Tod und Invalidität mindestens 18 Jahre alt ist.
• für das Alterssparen mindestens 25 Jahre alt ist.
Beispiele: Manfred E. erzielt als Werbegrafiker einen Jahreslohn von 72500 Franken. Als er seinen Versicherungsausweis studiert, findet er dort als versicherten Lohn nur 49295 Franken. Ein Fehler der Pensionskasse? Nein, die Angabe ist korrekt, weil vom Jahreslohn der Koordinationsabzug von momentan 23 205 Franken gemacht wird.
Melanie U. ist Devisenhändlerin bei der Kantonalbank. Der maximal versicherte Lohn gemäß BVG von 79 560 Franken deckt gerade mal die Hälfte ihres jährlichen Einkommens ab. In der Kaderversicherung mit umfassendem Vorsorgeplan, die die Bank für ihre gut verdienenden Angestellten abgeschlossen hat, ist auch Frau U.s Einkommen über der BVG-Obergrenze versichert.
Steffi K. verdient mit ihrem Teilzeitpensum als Kassiererin im Supermarkt 18 000 Franken jährlich. Damit fällt sie unter die Eintrittsschwelle für die betulicher Vorsorge von 19890 Franken. Kennt
die Pensionskasse ihres Arbeitgebers keine besondere Lösung für tiefere Löhne, ist Frau K. nicht BVG-versichert.
Laut BVG müssen die Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge übernehmen. Der Arbeitgeberanteil kann auch höher sein. Gerade Kaderversicherungen sehen oft höhere Anteile des Arbeitgebers vor als für normale Angestellte. Das mag ungerecht erscheinen, ist aber zulässig. Wie hoch Ihre Beiträge sind und was davon der Arbeitgeber über-nimmt, sehen Sie auf Ihrem Pensionskassenausweis.
Freiwillige Versicherung 1: mehrere Arbeitgeber
Beispiel: Priska W. hat gerne Abwechslung. Sie arbeitet deshalb an drei verschiedenen Orlan: Bei ihrem 40-Prozent-Pensum in einem Kiosk verdient sie 17500 Franken. Daneben übernimmt sie stundenweise Sekretariatsarbeiten und springt gelegentlich als Aufseherin in einem Museum ein. Mit diesen Tätigkeiten verdient sie nochmals je rund 10 000 Franken im Jahr. Die berufliche Abwechslung hat aber einen großen versicherungsrechtlichen Nachteil: Weil Frau W. überall unter die Minimalgrenze von 19 890 Franken fällt, ist sie in der beruflichen Vorsorge nicht obligatorisch versichert. Kann sie etwas dagegen tun?
Ja, sie kann. Wer an mehreren Stellen tätig ist, überall unter dem BVG- Minimum verdient, mit allen Einkommen aber über der Grenze liegt, kann sich freiwillig in der zweiten Säule versichern. Möchten Sie dies tun, melden Sie sich bei der Pensionskasse eines Ihrer Arbeitgeber. Sofern das Reglement der Kasse es zulässt, können Sie hier alle Ihre Ein-kommen versichern. Ist dies bei keiner der Pensionskassen möglich, können Sie sich bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG anschließen {Adresse im Anhang). Über eins muss man sich allerdings im Klaren sein: Die meisten Teilzeit erwerbstätigen mit mehreren kleinen Stellen verdienen auch insgesamt nicht besonders viel – entsprechend tief fällt das versicherte Einkommen und damit die dereinstige Rente aus.
Tipp: Arbeitgeber müssen die Fällte der Pensionskassenbeiträge übernehmen. Das gilt auch in diesem Fall – doch nur, wenn Sie alle Ihre Arbeitgeber über Ihre freiwillige Versicherung in formieren.
Freiwillige Versicherung 2: Selbständigerwerbende
Selbständig erwerbende sind nicht verpflichtet, sich in der zweiten Säule zu versichern, Sie haben aber die Möglichkeit, sich freiwillig einer Pensionskasse anzuschließen – entweder einer Vorsorgeeinrichtung ihres Berufsverbands oder derjenigen Pensionskasse, bei der sie ihr Personal versichert haben. Auch die Auffangeinrichtung versichert Selbständige (Adresse im Anhang). Sie bietet nur Leistungen im Rahmen des BVG- Obligatoriums, immerhin können aber Einkommen bis zum maximalen UVG-Lohn von 106 800 Franken versichert werden. Interessant ist der freiwillige Anschluss an eine Pensionskasse vor allem aus steuerlichen Gründen. Was Selbständig erwerbende in ihre berufliche Vorsorge investieren, können sie in der Steuererklärung zum Abzug bringen.
Trotzdem machen relativ wenige von dieser Möglichkeit Gebrauch. Denn im Bereich der Säule 3a und anderer privater Versicherungen gibt es eine große Zahl von Produkten, die individueller an die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden können als eine Lösung über die zweite Säule mit ihren normierten Leistungen. Sind Sie beispielsweise unverheiratet und kinderlos, macht es keinen Sinn, Prämien für Witwen- und Waisenrenten zu bezahlen.
Tipp: Ob sich der Anschluss an eine Pensionskasse lohnt, hängt sehr von Ihrer individuellen Lebenssituation und Ihren Pläne für die Zukunft ab. Lassen Sie Ihre Gesamtsituation und den Bedarf nach einer freiwilligen Versicherung in der zweiten Säule von einem kompetenten Versicherung experten abklären.