Hilfebedarf richtig einschätzen – Pflegegeld bei Pflegeversicherung
Ein Hilfebedarf wird nicht nur bei der Übernahme einer Pflegeverrichtung zeitlich anerkannt, sondern genauso, wenn eine Anleitung, Beaufsichtigung, teilweise Übernahme oder Unterstützung notwendig ist. Dies ist bei Alzheimer- und Demenzerkrankten häufig der Fall.
Beispiel: Wenn es immer wieder vorkommt, dass Kleidungsstücke verkehrt oder in der falschen Reihenfolge angezogen werden, ist während der ganzen Zeit des Ankleidens Beaufsichtigung und gegebenenfalls Anleitung im Sinne der Pflegeversicherung notwendig. Die gesamte Zeit des Dabeiseins muss als zeitlicher Hilfebedarf anerkannt werden.
Originaltextstellen aus den Begutachtungsrichtlinien:
„Eine Anleitung ist erforderlich, wenn die Pflegeperson bei einer konkreten Verrichtung den Ablauf der einzelnen Handlungsschritte oder den ganzen Handlungsablauf lenken oder demonstrieren muss. Dies kann insbesondere dann erforderlich sein, wenn der Pflegebedürftige trotz vorhandener motorischer Fähigkeiten eine konkrete Verrichtung nicht in einem sinnvollen Ablauf durchführen kann.
Zur Anleitung gehört auch die Motivierung des Antragstellers bzw. Pflegebedürftigen zur selbstständigen Übernahme der regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens.
Bei der Beaufsichtigung steht zum einen die Sicherheit beim konkreten Handlungsablauf der Verrichtung im Vordergrund. Zum Beispiel ist Beaufsichtigung beim Rasieren erforderlich, wenn durch unsachgemäße Benutzung der Klinge oder des Stroms eine Selbstgefährdunggegeben ist.
Zum anderen kann es um die Kontrolle darüber gehen, ob die betreffenden Verrichtungen in der erforderlichen Art und Weise durchgeführt werden. “
Unter „Anleitung“ sind auch notwendige motivierende Gespräche oder Ermunterungen zu einer alltäglichen Verrichtung zu verstehen.
Beispiel: Wenn eine Person zwar selbstständig essen oder sich anziehen kann, aber dies nicht ohne wiederholte Ermunterungen tut, oder wenn die Anwesenheit einer Pflegeperson notwendig ist, damit derjenige überhaupt isst oder sich anzieht, ist die Zeit dieser notwendigen Anwesenheit als Pflegezeit anzuerkennen. Eine Anleitung muss nicht immer mit Sprechen verbunden sein, sie kann auch durch Zeigen oder Vormachen erfolgen.
Aktivierende Pflege
Solange jemand noch Teile einer Verrichtung selbstständig übernehmen kann, soll er dies tun, auch wenn die Pflege dadurch wesentlich mehr Zeit in Anspruch nimmt, als wenn die Pflegeperson ihm diese Tätigkeit einfach abnimmt. Die längere Zeit für diese so genannte „aktivierende Pflege“ muss bei der Einstufung berücksichtigt werden. Die Pflegeversicherung unterstützt die Erhaltung und Förderung der Selbstständigkeit.
Beispiel: Die pflegebedürftige Person ist nicht mehr in der Lage, sich die Bluse oder das Hemd anzuziehen. Mit etwas geduldiger Anleitung kann sie jedoch einige Knöpfe selbst schließen. Dies dauert dann länger, als wenn die Pflegeperson an ihrer Stelle die Knöpfe geschlossen hätte. Der Gutachter muss die längere Zeit als Hilfebedarf bei der Einstufung berücksichtigen.
Auch aktive und passive Bewegungsübungen werden als aktivierende Pflege anerkannt, wenn sie zum Beispiel aus ärztlicher Sicht notwendig sind und im Rahmen einer anerkannten Pflegeverrichtung durchgeführt werden (zum Beispiel beim Wechseln von Inkontinenzeinlagen).
Achtung: Die Zeit für aktivierende Pflege wird jedoch nur dann für die Einstufung anerkannt, wenn sie auch tatsächlich erbracht wird. Ein alleiniger Bedarf an aktivierender Pflege genügt nicht.
Beginn und Ende der Hilfe bei einer Verrichtung des täglichen Lebens
Alle vorbereitenden und nachbereitenden Tätigkeiten, die mit einer Verrichtung in direktem Zusammenhang stehen, gehören zum zeitlich anerkannten Hilfebedarf.
Beispiel: Die Hilfe beim Baden beginnt beispielsweise mit der Aufforderung an den Pflegebedürftigen, sich zu baden. Ist es vorab wichtig, den Pflegebedürftigen durch ein motivierendes Gespräch zum Baden zu bewegen oder darauf einzustimmen, gehört auch diese Zeit schon zur Verrichtung. Es folgt die Begleitung zum Bad, das Ausziehen, das In-die-Badewanne-Steigen und die notwendige Aufsicht, Anleitung oder Unterstützung beim Baden. Wird eine Verrichtung zwischendurch vom Pflegebedürftigen unterbrochen, da er die Notwendigkeit des Badens nicht einsehen kann oder Ängste entstehen, gehört auch die Zeit des erneuten Motivierens zur Verrichtung.
Eine demenzerkrankte Person wird beim Ausziehen im Bad unsicher und ängstlich. Sie verlässt daraufhin das Bad. Durch geduldiges Eingehen, Sprechen und auch Ablenkung gelingt es dem Angehörigen, sie wieder zum Gang ins Bad zu bewegen. Die Zeit der Unterbrechung wird als Pflegezeit anerkannt.
Die Verrichtung „Baden“ ist beendet, wenn der Pflegebedürftige wieder aus dem Bad begleitet wurde. Wenn er bei diesem Gang unterstützt oder beaufsichtigt werden muss, gehört auch diese Zeit zum anerkannten zeitlichen Hilfebedarf.
Voraussetzung dafür, dass die ganze Zeit während einer Verrichtung als Pflegezeit anerkannt wird, ist, dass ständig zumindest eine Beaufsichtigung oder eine Anleitung nötig ist. Die Pflegeperson muss sich in dieser Zeit überwiegend im selben Raum wie der Pflegebedürftige aufhalten.
Nicht anerkannte Verrichtungen
Es ist wichtig, sich immer wieder deutlich zu machen, dass alle Betreuungs- und Pflegetätigkeiten, die nicht zu den im Pflegeversicherungsgesetz beschriebenen Verrichtungen gehören, bei der Einstufung nicht berücksichtigt werden.
Das heißt, alle Tätigkeiten, die nicht in direktem Zusammenhang zu den genannten „alltäglichen Verrichtungen“ stehen, werden für die Ermittlung der täglichen Pflegezeiten zur Einstufung nicht anerkannt. Dies ist leider auch der Fall, wenn einige dieser Tätigkeiten genauso wichtig oder sogar noch wichtiger sind als die, die für die Einstufung anerkannt werden. Zu diesen Tätigkeiten gehört zum Beispiel die über den Tag hinweg notwendige beständige Aufsicht, damit keine Selbst- oder Fremdgefährdungen auftreten (etwa Anstellen der Herdplatten) sowie die Strukturierung des Tagesablaufs und die Anwesenheit und Zuwendung während des Tages, damit notwendige Sicherheit und Vertrauen beim Kranken entstehen.
Aus diesen Gründen kann es durchaus Vorkommen, dass Alzheimer-Patienten im Frühstadium in die Pflegestufe 0 (Ablehnung des Antrags) eingestuft werden, obwohl sie im Grunde völlig hilflos und auf ständige Unterstützung und Begleitung durch andere Menschen angewiesen sind. Sie können meist noch nach einer kurzen Aufforderung oder Erinnerung die genannten Verrichtungen des täglichen Lebens selbstständig ausführen.
Um im Frühstadium einer Demenzerkrankung eine Einstufung in die Pflegestufe 1 zu erreichen, ist es deshalb wichtig, jede notwendige Anleitung und Beaufsichtigung in
Zusammenhang mit einer „Verrichtung des täglichen Lebens“ als zeitlichen Hilfebedarf anerkennen zu lassen.
Achtung: Medizinisch-pflegerische Verrichtungen, wie die Versorgung von Wunden, die Aufsicht bei der Medikamenteneinnahme, die Gabe von Injektionen oder Krankengymnastik werden ebenfalls nicht als Pflegezeit anerkannt. Werden diese Verrichtungen von professionellen Kräften durchgeführt, sind sie vom Arzt zu verordnen und über die Krankenkasse abzurechnen.
Wie bekommen Sie Pflegegeld bei Pflegeversicherung – Hilfebedarf, Aktivierende Pflege Teil 2