Situation
Herbert Schneider, 58 Jahre alt, arbeitet als Autoverkäufer bei einem Autohändler. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Seine Ehefrau ist bereits seit zwei Jahren im Vorruhestand. Herr Schneider erhält in den nächsten Tagen rund 120 000,00 € aus einer fälligen Kapitallebensversicherung ausgezahlt. Er möchte das Geld anlegen und bittet Sie um eine Anlageberatung. Am Telefon hat er bereits erwähnt, dass ihm sichere jährliche Erträge und die Erhaltung des angelegten Geldbetrages sehr wichtig sind. Ein Kollege habe ihm zum Kauf von Wertpapieren, speziell Rentenwerten, geraten.
Rechtsnatur von Schuldverschreibungen
– Stückelung
Die Bundesrepublik Deutschland, die einzelnen Bundesländer, einige große Städte und große Unternehmen benötigen für geplante Investitionen in der Regel hohe Summen, die sie nicht aus laufenden Einnahmen und Erspartem finanzieren können. Eine kostengünstige Alternative zum Bankdarlehen ist dabei die Herausgabe (Emission) von Schuldverschreibungen. Der Emittent, z.B. die Deutsche Bahn AG, nimmt durch die Ausgabe von Anleihen bzw. Obligationen (was lediglich eine andere Bezeichnung für Schuldverschreibung oder Rentenwert ist) einen Kredit von vielen verschiedenen Anlegern auf. Hierzu ist es notwendig, dass der Geldbetrag, der ausgeliehen werden soll (z. B. 100 Mio. €)
• gestückelt wird (z. B. in jeweils 100,00 €),
• auf standardisierte Urkunden übertragen wird (Verbriefung in Form von
Wertpapieren) und
• dass diese Wertpapiere an die Anleger verkauft werden.
► Ein Wertpapier ist eine Urkunde, in der ein privates Vermögensrecht so verbrieft ist,
dass zur Ausübung des Rechts der Besitz der Urkunde erforderlich ist.
Die aus der Stückelung des Geldbetrages resultierenden Urkunden werden Teilschuldverschreibungen genannt. Sie verbriefen dem Eigentümer ein Gläubigerrecht, d.h., die Käufer haben grundsätzlich unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens (Emittenten) einen Anspruch auf die vereinbarte Zinszahlung und die Rückzahlung des Nominalwertes. Schuldverschreibungen sind üblicherweise börsennotierte Inhaberpapiere. Durch die Organisation des Kaufs und Verkaufs über die Wertpapierbörsen wird eine einfache Übertragungsmöglichkeit gewährleistet, die es dem Anleger möglich macht, sich jederzeit durch einen Verkauf vor Ende der Laufzeit Liquidität zu beschaffen.
Die Höhe des Kurses/Preises wird bei Ausgabe und während der Laufzeit bestimmt durch:
• den Nominalzins der Anleihe,
• die Laufzeit,
• die Bonität des Emittenten und
• das Marktzinsniveau.
Als Käufer von Schuldverschreibungen treten neben Privatpersonen Großanleger wie Banken, Versicherungen und insbesondere Investmentfonds auf.
– Ausgestaltung der Anleihen
Die jeweilige Ausgestaltung der Anleihen legt der Emittent in den Emissionsbedingungen fest und veröffentlicht sie in einem so genannten Prospekt. Grundsätzlich sind die Ausstattungsmerkmale zwischen dem Emittenten und dem Anleger frei verhandelbar. Die Vielzahl der Anleger und die üblicherweise erfolgende Börsennotierung der Schuldverschreibungen erfordert jedoch eine gewisse Standardisierung. Dem Emittenten bleiben trotzdem noch viele Variationsmöglichkeiten der jeweiligen Ausstattungsmerkmale, um die konkrete Schuldverschreibung für einen speziellen Markt bzw. ein entsprechendes Anlegerinteresse auszurichten.
Laufzeit | • Zeitraum zwischen dem in den Anleihebedingungen genannten Verzinsungsbeginn und der Fälligkeit der Anleihe (Rückzahlung). |
Verzinsung | • Anleihen mit Zinsscheinen – mit festem gleich bleibendem Nominalzins (Straight Bonds), – mit fest stehendem während der Laufzeit steigenden oder fallenden Zinsen, – mit veränderlichen Nominalzins (Floating Rate Notes), eventuell mit Zinsbegrenzung (Caps, Floors, Collars). Sie orientieren sich an einem Referenzzinssatz, z. B. dem EURIBOR. Der Zinssatz gilt für eine vorher bestimmte Zinsperiode. • Anleihen ohne Zinsschein (Null-Kupon-Anleihen = Zero Bonds). Wertpapiere, bei denen zum Erwerbszeitpunkt die für die gesamte Laufzeit zu entrichtenden Zinsen vom zu zahlenden Preis abgezogen werden. |
Zinszahlung | • Jährlich nachträglich • Zinsansammlung: Auszahlung der Zinsen incl. Zinseszinsen bei Rückzahlung des Kapitals • Abzinsung: Nennwert minus Zinsen = Kaufpreis |
Rückzahlung (Tilgung) | • Gesamtfällige Anleihen (werden am Ende der Laufzeit in einer Summe zurückgezahlt) • Tilgungsanleihen (Die Tilgung erfolgt in Raten über die Jahre der Laufzeit der Anleihe verteilt. Dem Erwerber ist der jeweilige Rückzahlungszeitpunkt nicht bekannt, da die Anleihen für die vorgesehene Tilgung ausgelost werden.) • Ewige Anleihen (Sie müssen nicht zurückgezahlt werden und sind in Deutschland nicht vertreten.) |
Sicherheit | • Hierunter ist die Sicherstellung der Rückzahlung und der vereinbarten Zinszahlungen durch den Emittenten zu verstehen. • Sie hängt von der Bonität des Emittenten ab. • Bei Industrie- und Bankschuldverschreibungen können besondere Sicherheiten gestellt werden, z. B. Grundschulden. • Gelegentlich enthalten die Anleihebedingungen auch eine Negativerklärung, durch die sich der Emittent verpflichtet, die aktuelle Anleihe hinsichtlich der Besicherung gegenüber früheren und künftigen Emissionen mindestens gleichzustellen. |
Übertragung der Rechte | • Inhaberschuldverschreibungen Die Übertragung vom Verkäufer auf den Käufer erfolgt durch Einigung und Übergabe. • Orderschuldverschreibungen Neben der Einigung und der Übergabe ist ein Indossament vom Verkäufer auf der Rückseite der Urkunde anzubringen. |
Zusatzrechte
• Gewinnschuldverschreibungen
Sie verbrieten statt des Zinsanspruchs oder zusätzlich zum Zinsanspruch einen Anspruch auf Anteil am Gewinn der ausgebenden Gesellschaft.
• Wandelanleihen
Sie können innerhalb einer bestimmten Frist unter festgelegten Bedingungen in Aktien der ausgebenden Gesellschaft umgetauscht werden.
• Optionsanleihen
Der Inhaber hat innerhalb einer festgesetzten Frist ein in einem mitgelieferten Optionsschein verbrieftes Recht auf Bezug von Aktien oder festverzinslichen Wertpapieren in einem bestimmten, vor Ausgabe der Optionsanleihe festgelegten Verhältnis zum Nennwert der Schuldverschreibung.
• Aktienanleihen
Die Aktienanleihe funktioniert genau umgekehrt wie die Wandelanleihe. Nicht der Anleger erhält ein Recht zum Bezug von Aktien, vielmehr hat der Emittent unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, anstelle der Rückzahlung des Nominalbetrags eine im Vorhinein festgelegte Anzahl von Aktien zu liefern. Aktienanleihen sind mit einem üblicherweise hohen, über dem Marktzinsniveau liegenden Zinssatz ausgestattet.
• Anleihen mit indexorientierter Verzinsung
Es handelt sich um Wertpapiere mit fester Laufzeit, deren Wertentwicklung von einem bestimmten Index (z. B. aus der DAX- oder Euro- Stoxx-Familie) abhängt. Die Rückzahlungsbedingungen sehen zum Laufzeitende die Zahlung einer bestimmten Quote vor, die auch unter dem Nominalbetrag liegen kann. Die Nominalverzinsung liegt üblicherweise unter dem Marktzinsniveau. Sie ist variabel und orientiert sich an der Entwicklung des festgelegten Index.
• Wahlrechte
Weitere typische Zusatzrechte sind Wahlrechte bezüglich der Währung, in der die Tilgungs- und/oder Zinszahlungen geleistet werden sollen.
Unter diversen Bezeichnungen geben Kreditinstitute seit einigen Jahren Zertifikate (rechtlich gesehen handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen) heraus. Zertifikate sind als eigenständige Wertpapiere an der Börse handelbar. Der Emittent knüpft seine Rückzahlung an verschiedene Bedingungen, wie sich der Basiswert des Zertifikats innerhalb einer bestimmten Zeit verhalten soll. Basiswerte können einzelne Aktien, Indizes, Aktienkörbe, Währungen oder Rohstoffe sein.
Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen
Der Nennwert (Nominalwert) ist der auf dem Wertpapier aufgedruckte Währungsbetrag. Er gibt bei Schuldverschreibungen die Höhe der Forderung an.
Der Kurswert ist der Preis, der sich an der Börse durch Angebot und Nachfrage für Wertpapiere bildet. Der Kurs von Schuldverschreibungen wird in Prozent des Nennwertes notiert. In der Praxis werden Wertpapiergeschäfte meist durch Banken vermittelt und über einen Makler an der Börse abgewickelt. Dafür werden Spesen (Bankprovision und Maklergebühr) berechnet.
In der Praxis sind folgende Spesensätze üblich:
Bankprovision | 0,5 % vom Kurswert, mindestens jedoch vom Nennwert |
Maklergebühr | 0,75%o vom Nennwert (bis 25000,00 € nominal; bei höheren Beträgen Staffelung) |
► Die Spesen werden sowohl dem Käufer als auch dem Verkäufer in Rechnung
gestellt.
Beispiel:
Ein Börsenmakler vermittelt den Umsatz von nominal 10 000,00 € Bundesanleihen von 2007 (Rückzahlung 2017) zum Kurs von 97% (Wertstellung zum 01.Okt. 2007). Der Nominalzinssatz beträgt 5 %. Da der Käufer am 01. Jan. 2008 die Zinsen für das gesamte abgelaufene Jahr 2007 erhält, muss er dem Verkäufer den Zinsanteil zahlen, der seiner Besitzdauer (01. Jan. 2007-01.Okt. 2007) entspricht. Diese Zinsen werden Stückzinsen genannt.
Erläuterungen:
Die Spesen erhöhen beim Käufer den Kaufpreis und mindern beim Verkäufer den Verkaufserlös. Die Buchung der Gutschrift auf dem Konto des Verkäufers (hier 10 017,50 €) und der Lastschrift auf dem Konto des Käufers (hier 10132,50 €) erfolgt zwei Börsentage nach dem Tag, an dem das Wertpapiergeschäft abgeschlossen wurde (= Wertstellung).
Das Datum der Wertstellung muss für die Ermittlung der Anlagedauer, die Einfluss auf die Rendite einer Wertpapieranlage hat, zugrunde gelegt werden.