Der Allgemeinzustand und Körperpflege
Unter diesem Punkt werden Standarddaten wie Größe und Körpergewicht abgehandelt, die nur in besonderen Fälle von Wichtigkeit für das Ergebnis der Begutachtung sind. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn der Versicherte besonders wenig oder besonders viel Gewicht aufweist. Näheres hierzu finden Sie unter „Erschwerende Faktoren“.
Allerdings schreibt der Gutachter unter diesen Punkt auch, wie er den Versicherten angetroffen hat und wie er im ersten Augenblick auf ihn wirkt. Hier wird somit wieder ein Pfeiler der Plausibilität eingezogen. Wenn der Versicherte zum Beispiel angibt, kaum gehen zu können, jedoch wenige Sekunden nach dem Klingeln selbst öffnet, dann wird es schwierig werden mit der Plausibilität, denn: Die Beobachtungen des Gutachters wiegen im Zweifel schwerer als die anderen Informationsquellen!
So weit ist erst einmal die Vorgeschichte abgehandelt. Ab hier beginnt die eigentliche Begutachtung. Nun werden gezielte Fragen nach einzelnen Fähigkeiten und Einschränkungen gestellt, um ein Bild vom verbliebenen Leistungsvermögens des Versicherten und seiner Probleme im Alltag zeichnen zu können.
Der Befragte wundert sich oft, weil der Gutachter manche Fragen mehrmals an verschiedenen Stellen einbaut, obwohl doch schon eine Antwort gegeben wurde. Das liegt in der Systematik des Fragebogens und der Aufgabenstellung begründet. Der Gutachter muss nämlich Einschränkungen, Fehlfunktionen oder Schädigungen einem der vier Formenkreise zuordnen, die im Folgenden vorgestellt werden. Das ist nicht immer einfach, da sich die verschiedenen Krankheiten und die damit verbundenen Probleme nicht immer an die von Menschen gemachten Beurteilungsstrukturen halten. Jede Art von Einschränkung oder Behinderung muss demnach auf eine der vier folgenden Bereiche bezogen werden können:
Stütz- und Bewegungsapparat:
Hierunter fallen alle Erkrankungen der Knochen und Gelenke, zum Beispiel Arthrose, Wirbelsäulenerkrankungen oder auch künstliche Hüftgelenke. Wenn hierdurch oder wegen eines anderen Grundes die Beweglichkeit eingeschränkt ist, wird der Gutachter dies unter dieser Rubrik vermerken. Völlige oder teilweise Bettlägerigkeit fällt ebenfalls unter diesen Punkt.
Innere Organe:
Hierzu zählen neben allen Krebserkrankungen auch Erkrankungen des Stoffwechsels, wie etwa Diabetes, außerdem alle Formen der Herz- und Kreislauferkrankungen. Wichtig ist dann noch die Frage der Inkontinenz, ob also der Versicherte Harn und Stuhl kontrollieren kann oder ob Hilfsmaterial (Windeln oder auch Katheter) erforderlich ist. Nicht zuletzt wird die Haut beurteilt. Gängige Fragen sind hier zum einen, ob sich ein Dekubitus gebildet hat (Wundgeschwür durch zu langes Liegen ohne Bewegung) oder ob die Haut Zeichen einer Austrocknung aufweist. Beides legt zumindest die Vermutung nahe, dass die Versorgung des Versicherten verbessert werden könnte.
Wichtig ist noch die Frage nach Auswirkungen innerer Krankheiten, etwa nach Ödemen (Wassereinlagerungen in Armen oder Beinen). Sind zum Beispiel die Beine derart mit Wasser gefüllt und geschwollen, dass hierdurch die Beweglichkeit leidet, oder müssen spezielle Kompressionsstrümpfe (auch Stützstrümpfe genannt; im Allgemeinen wegen der engen Passform enorm mühselig anzuziehen) getragen werden, dann ergibt sich hieraus zusätzlicher Hilfebedarf.
Sinnesorgane:
Hiermit sind die Fähigkeiten des Sehens und Hörens gemeint. Während Schwerhörigkeit bis hin zur Taubheit meist nur die Kommunikation mit der Umwelt erschwert, bedeuten Sehbehinderungen bis hin zur Blindheit oftmals, dass erheblicher Pflegeaufwand betrieben werden muss. Wer sein Essen nicht mehr sieht, dem muss es angereicht werden; wer seine Füße nicht erkennt, kann seine Schuhe nicht binden.
Nervensystem/Psyche:
Hier werden alle Einschränkungen und Probleme erfasst, die sich aus Störungen der Denkfähigkeit ergeben. An erster Stelle ist dabei die Demenz zu nennen. Der Begriff „Demenz“ stellt dabei lediglich die Benennung eines Symptoms, ähnlich dem Begriff „Schnupfen“, dar. Für die Zwecke der Pflegeversicherung reicht dies meist aus, da es im Alltag für den Umfang des notwendigen Hilfebedarfs keine Rolle spielt, ob die Einschränkungen wegen Demenz nun in einer Durchblutungsstörung des Gehirns oder in der Alzheimer-Erkrankung begründet liegen. Letzte Gewissheit bezüglich der Grunderkrankung lässt sich ohnehin nur mit äußerster Mühe erlangen. Aber auch andere Krankheiten fallen unter diese Rubrik, etwa Parkinson oder auch alle Formen von Depressionen.
Daneben sind alle Formen von Schmerz zu nennen, da diese letztendlich im Gehirn gemeldet werden und, bei stärkeren Formen, die Denkfähigkeit schmälern. Außerdem kann es Vorkommen, dass Hilfeleistungen, wie etwa das Waschen, durch Schmerzen verlängert werden, da man sehr vorsichtig mit den Betroffenen umgehen muss.
Zusammenfassend kann man sagen, dass in den gerade beschriebenen Rubriken die Einschränkungen, Krankheiten und Funktionsstörungen des Versicherten in Kategorien eingeteilt werden, um sich im Anschluss näher mit ihnen zu beschäftigen. Dies alles dient immer noch der Plausibilität und dem Abfolge-Kanon Krankheit – Auswirkung – Hilfebedarf.
Als Abschluss dieser Erhebung definiert der Gutachter die zwei wichtigsten Krankheiten, die als „Pflegebegründende Diagnosen“ nochmals aufgeführt werden. Nun wird es richtig spannend, denn jetzt wird der Gutachter die tatsächliche Pflegebedürftigkeit bestimmen. Was hier im Fragebogen dokumentiert wird, führt in der Summe zu der Anzahl an Pflegeminuten, durch die wiederum die Pflegestufe festgestellt wird. Und wieder wird die Pflegebedürftigkeit in Rubriken unterteilt, genauer gesagt in vier Rubriken. Einzelheiten zu den Inhalten finden Sie unter „Die Zeitkorridore“. Der Hilfebedarf wird in Minuten pro Tag erfasst. Unter „Tag“ versteht man 24 Stunden, also auch die Nacht!
Achtung: Hilfebedarf entsteht nur dann, wenn der Versicherte eine Verrichtung aus der hier folgenden Auflistung gesetzlicher Verrichtungen nicht mehr selbst ausführen kann. Vermag er eine Verrichtung selbstständig durchzuführen, dann entsteht hieraus kein Hilfebedarf, egal, wie schwer dem Versicherten die selbstständige Ausführung fällt, und egal, wie viele Schmerzen er dabei hat (es gibt ein paar Ausnahmen, auf die man aber nicht bauen sollte, deshalb hier ein pauschales Urteil). Es zählt allein die Frage: Kann er es selbst oder braucht er Hilfe? Dazwischen gibt es keine Abstufungen, auch wenn sie für den Versicherten durchaus existieren.
Die Körperpflege
Unter Körperpflege werden folgende Verrichtungen erfasst:
Ganzkörperwäsche:
Hier wird Hilfebedarf dokumentiert, wenn der gesamte Körper oder ein Teil des gesamten Körpers (also sowohl Teile des Unter- wie auch des Oberkörpers) von fremder Hand gewaschen werden muss. Hierunter fällt auch das Waschen der Haare. Das wird jedoch nur anteilig berechnet, da davon ausgegangen wird, dass die Haare nur einmal pro Woche gewaschen werden müssen.
Übrigens ist die Hautpflege integraler Bestandteil der Ganzkörperwäsche. Eincremen wird somit nicht mit zusätzlichen Minuten angerechnet, außer in einem schweren Fall, wo sich ein Erschwernis begründen lässt. Das ist aber meist nicht gegeben.
Teilwäsche Oberkörper:
Dieser und die beiden nächsten Punkte werden nicht gleichzeitig mit der Ganzkörperwäsche ausgefüllt. Das führt beim Betrachter des fertigen Gutachtens immer wieder zu Missverständnissen. Es handelt sich um das typische „entweder-oder“. Das bedeutet, in der Spalte Ganzkörperwäsche wird ein Minutenwert eingetragen, wenn der ganze Körper unter Hilfestellung Dritter gewaschen werden muss. Aber auch wenn nur Teile des Körpers gewaschen werden müssen, wird unter der globalen Rubrik der Ganzkörperwäsche eingetragen, nämlich dann, wenn die Teile sowohl den Unter- als auch den Oberkörper betreffen. Wenn aber Hilfestellung nur beim Waschen des Oberkörpers notwendig ist, so wird der entsprechende Minutenwert in diese Spalte eingetragen und nicht in Ganzkörperwäsche. Das Feld für Ganzkörperwäsche bleibt dann frei.
Teilwäsche Unterkörper:
Hier verhält es sich genauso wie unter Teilwäsche Oberkörper dargestellt. Teilwäsche
Hände/Gesicht:
Ein Eintrag hier ist eher selten. Das Waschen von Händen und Gesicht durch Dritte ist bei Personen notwendig, deren Arme gelähmt sind, oder wenn durch geistige Verwirrtheit die Arme nicht mehr zielgerichtet eingesetzt werden können. Allerdings wird unter diesem Punkt nur zusätzlicher Waschbedarf dokumentiert. Beim morgendlichen oder abendlichen Waschen des ganzen Körpers sind die Hände und das Gesicht mit enthalten, werden hier also nicht aufgeführt. Typischerweise kommt es unter dieser Rubrik zu Eintragungen, wenn die Nahrung noch teilweise selbstständig aufgenommen werden kann, dabei aber Hände oder Gesicht mangels größerer Zielgenauigkeit verschmutzen. Beim Anreichen von Nahrung (auch Füttern genannt) kommt es nicht zum Verschmutzen der Hände und zum Verschmutzen des Gesichtes nur, wenn der Versicherte nicht richtig mit seinem Mund umgehen kann und Teile der Nahrung wieder ausspuckt oder herauslaufen lässt. Insgesamt finden sich deshalb unter diesem Punkt eher selten Eintragungen.
Duschen:
Wieder eine Entweder-oder-Rubrik. Sie steht wie das Baden in enger Verbindung zur Ganzkörperwäsche. Wenn zum Beispiel einmal in der Woche geduscht wird, so werden für die Ganzkörperwäsche nur noch sechsmal pro Woche angerechnet, da von einer gründlichen Körperpflege pro Tag ausgegangen wird.
Zum Zeitaufwand für das Duschen zählt der gesamte Vorgang des Waschens inklusive Abtrocknens, aber nicht das Betreten der Dusche oder das Verlassen. Dies wird unter Gehen oder Transfer abgehandelt. Das anschließende Ankleiden wird ebenfalls separat erfasst, weil es eine eigenständige Verrichtung darstellt.
Baden:
Hier gilt das Gleiche wie beim Duschen. Das Hinein in und Heraus aus der Wanne zählt extra.
Zahnpflege:
Für echte Zähne werden die gleichen Minutenwerte wie für Zahnprothesen angesetzt. Fehlen Zähne gänzlich, wird eine so genannte Mundpflege in Ansatz gebracht, die aber mit weniger Minuten bedacht wird als die eigentliche Zahnpflege.
Kämmen:
Wie bei allen anderen Verrichtungen zählt hierzu nicht nur das eigentliche Kämmen, sondern auch das Vor- und Nachbereiten des Materials.
Rasieren:
Bei Frauen kann hier bei vorhandenem Damenbart ein geringfügiger Wert von meist einer Minute angerechnet werden. Bei Männern die jeweilige Zeit für eine gründliche Rasur.
Wasserlassen:
Hier geht es, wie beim Stuhlgang, um die reine Funktion der Ausscheidung. Die vielleicht notwendige Hilfe beim Aufsuchen der Toilette zählt zur Rubrik Gehen. Zum Wasserlassen zählen die Tätigkeiten der Intimhygiene (= Abputzen, auch Waschen der Intimregion) sowie das anschließende Reinigen der Toilette.
Stuhlgang:
Hier gilt Gleiches wie beim Wasserlassen.
Richten der Bekleidung:
Nach Verrichtungen der Intimhygiene, also nach Wasserlassen und Stuhlgang, ist das Hochziehen der Bekleidung und allgemeines Wiederherrichten des äußeren Erscheinungsbildes notwendig. Deshalb wird das Richten der Bekleidung in der Regel in der Anzahl gleich sein zur Summe aller Verrichtungen im Bereich Körperhygiene (= Wasserlassen, Stuhlgang, Wechseln aller Arten von Inkontinenzartikeln), da diese den Auslöser für das Richten der Bekleidung darstellt.
Windelwechsel nach Wasserlassen:
Unter Windel versteht man in diesem Zusammenhang ein so genanntes geschlossenes Auffang-System, welches meist mit Klebestreifen verschlossen wird. Der Vergleich mit einer Baby-Windel drängt sich hierbei auf. Meist werden Windeln für die Nacht eingesetzt, da sie saugfähig genug sind, um eine längere Zeit hindurch nicht gewechselt werden zu müssen. Zur Gruppe der Windeln zählen auch Windelhosen.
Im Altenheim wird oftmals bei inkontinenten Bewohnern das so genannte Toilettentraining durchgeführt, bei dem das WC zu festen Zeiten aufgesucht wird, ungeachtet der Frage, ob die Windel eingenässt ist oder nicht. Daraus folgt aber andersherum, dass der Zeitbedarf geringer ist, weil es eben nicht einen konkreten Anlass zum Windelwechsel gibt.
Windelwechsel nach Stuhlgang:
Hier gilt Gleiches wie beim Windelwechsel. Allerdings gilt dieser Punkt mit seinen Minutenwerten auch, wenn nur eine Vorlage eingekotet wurde und nicht eine große Windel. Der Gedanke dabei ist, dass bei Einkoten immer ein größerer Zeitbedarf zur Reinigung erforderlich ist. Deshalb wird auf die feine Unterscheidung zwischen Windel und Vorlage verzichtet.
Wechseln kleiner Vorlagen:
Als kleine Vorlagen gelten Inkontinenz-Materialien, die ähnlich einer Damenbinde in den Schritt eingelegt werden. Dabei kann die Größe erstaunliche Ausmaße annehmen, sodass oftmals eine zusätzliche Netzhose nötig ist, um den sicheren Halt zu gewährleisten. Man geht aber davon aus, dass ungeachtet der Größe der Zeitaufwand in jedem Fall geringer ist als bei der Windel, weil das umständliche Fixieren und Verkleben entfällt.
Wechsel/Entleerung Urinbeutel/WC-Stuhl:
Unter diesem Punkt werden alle Hilfen zusammengefasst, die nicht direkt am Körper durchgeführt werden, sondern an den dem Körper zugeordneten Hilfsmitteln zur Kontrolle der Ausscheidungen. Die Nähe zur körperlichen Verrichtung ist wichtig, um von der hauswirtschaftlichen Versorgung abgegrenzt werden zu können.
Neben den genannten Hilfsmitteln zählt hierzu auch die berühmte Urinflasche. Wichtig: Unter diesem Punkt wird nur die Reinigung/Entleerung des eigentlichen Hilfsmittels erfasst, eben alles, was nötig ist, um den einwandfreien „Betrieb“ dieser Gerätschaften wieder herzustellen. Die vorausgehenden Verrichtungen des Ausscheidens (auf den WC-Stuhl setzen, Intimhygiene etc.) werden nicht hier erfasst, sondern unter den weiter oben erwähnten Punkten „Stuhlgang“ und „Wasserlassen“, bei Notwendigkeit auch bei den noch kommenden Punkten „Gehen“ und „Transfer“.
Wechsel/Entleerung Stomabeutel:
Der Stomabeutel wird extra erfasst, weil seine Entleerung und mehr noch der Wechsel des Beutels oder der Grundplatte eine Menge Zeit kosten können. Da sich hier oft Erschwernisse in Gestalt von Komplikationen (Durchfall oder auch Entzündungen des künstlichen Ausgangs ergeben), fanden die Schöpfer des Formulars es angebracht, diesen Punkt separat aufzuführen.