Die bauen mit unserem Geld doch nur Paläste, heißt ein beliebter Spruch frustrierter Versicherter. Im Fall der Aachener und Münchener Versicherung könnte man den Eindruck haben, dass daran etwas Wahres ist: Das für rund 17 Millionen € 1988 errichtete Domizil im Park glitzert und prunkt mit Glas und Marmor. Hier im Grünen tobt an der Aachener und Münchener Allee das Leben-meist mit Krach im Vorstand und unter den Aktionären. Den Konzern groß gemacht hat Helmut Gies. Der umstrittene Rheinländer (Spitzname: Kaiser von Aachen), der im April 1991 als Vorstandschef zurücktrat und 1993 auch den Aufsichtsrat verlassen musste, ist für die einen ein jovialer, kommunikativer Manager, für andere autoritär und launisch. Bei seinem Einstieg hatten die Aachener jährlich rund 100 Millionen € Beitragseinnahmen verbucht, heute sind es als zweitgrößte deutsche Erstversicherungsgruppe rund 18,5 Milliarden €. Das Wachstum kam vor allem durch Übernahmen zustande: Es wurde eine Krankenversicherung eingegliedert, der Direktvertreiber Cosmos, die Bausparkasse Badenia aus Familienbesitz entführt, die Mehrheit an der bis dato gewerkschaftseigenen Volksfürsorge gekauft. Als erste Versicherung haben die Aachener 1979 die Beteiligung in eine Konzernholding unter dem Namen Aachener und Münchener Beteiligungs-AG eingebracht. Gemeinsam mit Reinfried Pohl wurde der Strukturvertrieb Deutsche Vermögensberatung AG gegründet. Minderheitsbeteiligung an der Colonia, Kölnische Rück und Nordstern wurden verkauft. Fehlgeschlagen sind lediglich Versuche eines Einstiegs bei Nixdorf oder zusammen mit Burda beim Verlagshaus Springer.
Eine andere Mehrheitsübernahme war zwar erfolgreich, aber letztlich ein Fehlschlag: Für 1,86 Milliarden € kaufte Gies Ende 1986 die Mehrheit der bis dahin gewerkschaftseigenen BfG Bank für Gemeinwirtschaft AG. Doch der Kauf gilt heute als Beweisstück für die Schwierigkeiten einer Allfinanz-Strategie: Der BfG-Bank fehlten Kunden, sie hatte zu viele Filialen, das Eigengeschäft der Bank war zu schwach, die Einnahmen aus Provisionen für Wertpapiergeschäfte waren zu gering, und vor allem hatte sie einen allmächtigen Betriebsrat, bei dem die notwendige Personalreduzierung nur zögernd durchgesetzt werden kann. Die Folge: Die AMB muss Bilanzhilfen geben, statt die erhofften Dividenden zu beziehen. Lange Zeit wurde vergeblich ein Käufer gesucht. Statt dessen musste das Tafelsilber verkauft werden: Die BfG gab ihr Frankfurter Bürohochhaus ab, die AMB brachte 25 Prozent ihrer Lebensversicherung an die Börse. In fünf Jahren kostete das BfG-Abenteuer die Aachener fast 1,6 Milliarden €. Schließlich wurde die BfG Anfang 1993 an die französische Staatsbank Credit Lyonnais verkauft. Alle Register der Bilanz- und Beteiligungstechnik zog die AMB, um den Übernahmeversuch durch die staatliche französische Versicherung AGF abzuwehren. Durch den Einstieg einer Allianz-geführten deutschen Aktionärsgruppe aus Allianz, Münchener Rück, Deutsche Bank und Dresdner Bank gelang es. Heute haben die Franzosen gut 30 Prozent der AMB-Anteile, aber in Aachen nichts zu melden. Gerade wegen der international gut präsenten Franzosen ist das Auslandsgeschäft der AMB mit rund 10 Prozent Beitragsanteil recht schwach. Umso größer fällt die Abhängigkeit vom größten deutschen Strukturvertrieb aus: Die Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG) liefert der Lebensversicherung fast 70 Prozent ihres Neugeschäfts.